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Ein Fest der leisen Töne

Die Lange Nacht lud zum 18. Mal in Meißens Altstadt. Wieder mit dabei: Die frisch renovierte Frauenkirche.

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© Claudia Hübschmann

Von Bernhard Teichfischer

Meißen. Ein lauer Sommerabend breitet sich über dem Marktplatz aus. Touristen und Meißner sitzen bei kühlen Tropfen und Speisen auf den Terrassen, kein Anzeichen von Hektik kündigt an, dass in der Stadt an diesem Samstagabend 15 Örtlichkeiten knapp 60 Veranstaltungen auf die Beine stellen. Nur wer besonders aufmerksam beobachtet bemerkt Ina Heß, die unentwegt um Frauenkirche und Markt herumwuselt.

Die Lange Nacht in Bildern

Die Lange Nacht lud zum 18. Mal in Meißens Altstadt. Wieder mit dabei: Die frisch renovierte Frauenkirche.
Die Lange Nacht lud zum 18. Mal in Meißens Altstadt. Wieder mit dabei: Die frisch renovierte Frauenkirche.
Der Gospelchor St. Afra gab ein Konzert in der frisch sanierten Frauenkirche.
Der Gospelchor St. Afra gab ein Konzert in der frisch sanierten Frauenkirche.
Tänzerische Impressionen aus Indien waren im Theater zu erleben, Anne tanzte eine indische Geschichte.
Tänzerische Impressionen aus Indien waren im Theater zu erleben, Anne tanzte eine indische Geschichte.
Der Domchor hatte im Innenhof der Probstei  zu einer volkstümlichen Serenade zum Zuhören und Mitsingen eingeladen.
Der Domchor hatte im Innenhof der Probstei zu einer volkstümlichen Serenade zum Zuhören und Mitsingen eingeladen.
Ein junger Straßenmusiker mit seinem Akkordeon am Domplatz.
Ein junger Straßenmusiker mit seinem Akkordeon am Domplatz.
Der Verein Hafenstraße veranstaltete ein mittelalterliches Treiben mit Musik und Gaukeley, Knüppelkuchen am Feuer und alten Spielen für Groß und Klein.
Der Verein Hafenstraße veranstaltete ein mittelalterliches Treiben mit Musik und Gaukeley, Knüppelkuchen am Feuer und alten Spielen für Groß und Klein.
Bereits am Nachmittag wurde das lange Band der Nacht geflochten.
Bereits am Nachmittag wurde das lange Band der Nacht geflochten.
Julius versuchte sich an der Mitmach-Baustelle für Kinder als Steinmetz.
Julius versuchte sich an der Mitmach-Baustelle für Kinder als Steinmetz.
Die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr in Meißen vor 175 Jahren lieferte das Motto für die Lange Nacht: Feuer, Wasser und Posaunen. Das war auch überall ersichtlich.
Die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr in Meißen vor 175 Jahren lieferte das Motto für die Lange Nacht: Feuer, Wasser und Posaunen. Das war auch überall ersichtlich.
Am späteren Abend erstrahlte der gut besuchte Markt in warmen Farben und ließ ein wenig mediterranes Flair aufkommen.
Am späteren Abend erstrahlte der gut besuchte Markt in warmen Farben und ließ ein wenig mediterranes Flair aufkommen.

„Alles läuft prima, nur haben wir gerade niemanden für den Einlass am Frauenkirchturm“, sagt die Mitarbeiterin der Sankt-Afra-Kirchgemeinde. Inzwischen schnuppern auch die ersten Gäste ins frisch sanierte Kirchenschiff der Frauenkirche. Es ist 18 Uhr, das Programm hat gerade erst begonnen, die Leute scheinen nach der Hitze dieses vorsommerlichen Tages langsam zu erwachen und die schattigen Straßen der Altstadt zu bevölkern. Für den fehlenden Posten hat sich bald ein Freiwilliger gefunden.

Zwei Bläser der Musikschule Meißen spielen ein lockeres Stück in dem alten Gemäuer. Sie untermalen eine Führung des Architekten Marcel Goldbach. Erst seit Pfingsten ist das Gotteshaus fertig saniert und wieder ganz in alter Pracht zu bestaunen. Dafür hat sich der Förderverein jahrelang voll ins Zeug gelegt. „Es ist schon erstaunlich“, sagt die Frau für die Öffentlichkeitsarbeit, „anstatt der geplanten 15 Jahre hat die ganze Sanierung nur dreieinhalb Jahre gedauert.“

Ohne das Werben und Wirken der Mitglieder des Fördervereins Frauenkirche stünde das Monument am Markt heute nicht gut da. 2014 konnte durch die eingetriebenen Mittel das instand gesetzte Porzellanglockenspiel wieder erklingen. Heute Abend schlägt Domkantor Karsten Voigt das Weiße Gold in Takt und Harmonie von Hits der letzten Jahrhunderte an. Noch nicht ganz fertig, aber von außen schon ansehnlich sowie zur Langen Nacht auch mit Architekt Norbert Heß schon vorab von innen zu beschauen, ist das jüngste Bauprojekt der Kirchgemeinde am Markt 10 zu bestaunen.

Hier zieht bald das neue Gemeindezentrum ein, mit der Pfarrerswohnung im obersten Geschoss, einem Gemeinde-Café im Erdgeschoss, und Büroräumen dazwischen. Am alten Gebäude neben Vincenz Richter hätte so viel renoviert werden müssen, und außerdem habe der Saal nicht genügend Platz geboten, so der Bauleiter Norbert Heß. Ein Grüppchen von etwa 20 Interessierten folgt ihm durch das Bürgerhaus. In seinem persönlichen Lieblingszimmer im zweiten Stockwerk verweilt er ein bisschen länger. „Hier waren einmal alle Wände mit Rosen und Schmetterlingen bemalt, und aus dem Fenster bietet sich ein herrlicher Blick hinunter in die Elbstraße. Denkt man sich die Häuser weg, schaute man auf die Elbe.“ Unter dem Fenster schlendern Besucher in leichten Kleidern und Sandalen vorbei, in der Hand ein Glas Wein.

Viele bleiben vor dem Stand des Fördervereins stehen, wo auch Ina Heß, die Frau mit der ruhigen Ausstrahlung oft steht und plaudert. Die ehrenamtlichen Helfer haben Zwiebelkuchen gebacken, bieten den Frauenkirch-Wein und Schokotaler mit dem Konterfei der Frauenkirche aus Marzipan feil. Maria Ufert hat Letztere kreiert und geschaffen. Die Konditormeisterin ist erst kürzlich wieder in ihre alte Heimatstadt Meißen zurückgekehrt. „Ich finde es wunderbar, dass mehr und mehr junge Leute wieder die Stadt bevölkern und das kulturelle Angebot schätzen“, sagt Ina Heß.

Wirklich, an Programmpunkten mangelt es auch zu dieser Langen Nacht der Kunst, Kultur und Architektur nicht. Frau Heß pendelt den ganzen Abend und die halbe Nacht zwischen Markt 10, Frauenkirche, Gemeindezentrum und St. Afra Kirche hin und her. Zwischendurch muss der organisatorische Kopf der Gemeinde im Gemeindezentrum die Mitwirkenden sortieren und den Musikern geeignete Proberäume aufschließen. „Im Grunde ist ja alles vorher durchgeplant, aber natürlich kommen einem immer neue Sachen dazwischen.“

Größere Komplikationen bleiben ihr allerdings erspart. Ab und an schaut sie bei Robert Finke, dem Steinmetz vorbei. Hinter der Frauenkirche hat er seine Werkzeuge ausgebreitet, aus einem großen Sandsteinblock meißeln Kinder eine Nachbildung des frisch sanierten Gotteshauses heraus.

Zum feurigen Abschluss sammeln sich noch einmal einige Hundert Menschen um das aus Blumen und Blättern geknüpfte „Band der Langen Nacht“. Auf Stelzen und mit viel Trara liefern Künstler eine Feuer-Show vom Feinsten vor den bunt illuminierten Fassaden der Markthäuser. Ina Heß ist immer noch ganz gelassen. „Die Atmosphäre ist so stressfrei und alles läuft ohne schrille Töne und Krach ab. Deshalb heißt es auch das Fest der leisen Töne“, sagt sie. Und das Wetter hat sich auch ganz ruhig verhalten. Ein paar mickrige Schleierwolken ziehen sich weiß vorm Sternenhimmel entlang.