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Ein ganzes Leben lang Verkäuferin

Petra Krahl lernte einst bei der HO und blieb ihrem Beruf treu. Seit 27 Jahren steht sie täglich im eigenen Lebensmitteladen an der Heinrich-Heine-Straße in Kamenz.

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© Matthias Schumann

Von Ina Förster

Kamenz. Eigentlich möchte sie überhaupt nicht ins Rampenlicht. Trotzdem freut sie sich über den Besuch der Sächsischen Zeitung. Bescheiden winkt sie ab, als der Fotograf kommt. Und lächelt doch voller Herzlichkeit in die Kamera. Petra Krahl und ihr kleiner Laden an der Heinrich-Heine-Straße 5 in Kamenz gehören einfach ins Viertel. Dennoch wissen viele – sicherlich vor allem Jüngere – überhaupt nicht, dass es hier so etwas überhaupt noch gibt.

Gleich um die Ecke vom August-Bebel-Platz verkauft die heute 63-Jährige seit 1991 Obst und Gemüse sowie Waren des täglichen Bedarfs. Alles, was die Stammkundschaft eben so braucht. Frische Eier aus Burkau, Gemüse aus Rothenburg, Brot und Brötchen aus Räckelwitz oder von Bäcker Garten aus dem Haselbachtal. Dazu Zeitungen und Zeitschriften, ein paar Molkereiprodukte – was die Käufer sich wünschen, das bekommen sie. Sogar Hobby-Autor Dietmar Engelbrecht verkauft sein Buch vor Ort. Und kommt regelmäßig einkaufen. Im unscheinbaren Häuschen an der Heine-Straße ist Leben. Auch wenn es beim Vorbeifahren kaum den Anschein hat. Von morgens 8 Uhr bis zur Mittagsstunde geben sich die Kunden die Klinke in die Hand. Manche bleiben länger. Auf einen Schwatz. Oder zwei. Andere haben es eilig und möchten nur schnell ihre Frühstücksbrötchen abholen. Ganz früher war das hier mal ein Molkereigeschäft. Daran erinnert sich Petra Krahls Mann noch. „Ich bin zwar mein Leben lang Verkäuferin in Kamenz, aber das sagte mir nichts mehr“, gibt sie zu. „Gemüsewaren“ verspricht der grüne Aufkleber heute am kleinen Schaufenster. Der Flachbau stammt noch aus DDR-Zeiten. Bevor Petra Krahl das Geschäft übernahm, betrieb hier die HO bereits einen Lebensmittelladen. Als diese nach und nach alle Läden in der Stadt schloss, wagte die frühere Wiesaerin den Sprung ins kalte Wasser. Und übernahm.

Gemüse und Obst war ihr Metier

Sie kennt die alten Standorte alle. Schließlich hat sie selbst in der HO-Kaufhalle an der ehemaligen Straße der Jungen Pioniere gelernt. Heute steht da ein Netto-Markt. „Ich habe von Anfang an im Gemüse- und Obstwarenbereich gearbeitet. Das war mein Metier“, verrät sie. Wenn heute viele abwinken und so tun, als ob die Menschen in der DDR nichts Gesundes zu essen bekamen, dann regt das Petra Krahl ein wenig auf. „Wir hatten immer frisches Gemüse und Obst.“ Und die fehlenden Bananen? „Die will heute ja schließlich auch keiner mehr richtig haben“, schmunzelt sie. Die 63-Jährige liebt ihre Arbeit im eigenen Geschäft. Wichtig sind ihr und der Kundschaft das Miteinander. Manchmal ist sie Seelentrösterin oder einfach Zuhörerin. Bei den meisten weiß sie schon vorher, was sie auf den Ladentisch legen muss. Die älteren Leute des Viertel kommen her. Wo sollen sie sonst hin? Die großen Einkaufstempel der Stadt haben zwar ein riesiges Angebot, aber für viele sind sie trotz allem Komforts nicht erreichbar. Oder viel zu beängstigend in ihrer Größe.

Bis zum ehemaligen Glaswerk reicht das Einzugsgebiet. Auch dort an der Grenzstraße arbeitete Petra Krahl einst im Gemüsegeschäft. „Man kennt sie einfach noch von früher. Ein bekanntes Gesicht“, sagt Kundin Gertrud Rietschel aus Kamenz. Sie kommt mehrmals die Woche her. Das hat auch etwas mit Routine zu tun. Und man erfährt immer etwas Neues. „Schön, dass es so was überhaupt noch gibt.“ Wenn Petra Krahl ihren Laden mittags zuschließt, wird es nicht langweilig. Allein schon wegen ihrer acht Enkelkinder. „Reich werden konnte und kann man mit so einem Laden nicht. Aber das wollte ich nie. Ich stehe früh noch gern auf und komme her. Die restlichen Jahre wird sich das nicht ändern! Ich und meine Kunden – wir sind zusammen alt geworden.“ Eine Lebensgeschichte, die in ihrer Einfachheit Mut macht.