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Ein Job zwischen Tier und Mensch

Zoo-Scouts sind viel draußen und müssen bei Kindergeburtstagen und Schulgruppen die Nerven behalten. Über einen Nebenjob, der nicht nur Wissen fordert.

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© Sabrina Winter

Sabrina Winter

Jenny Förster steckt Gummibärchen in ihre beigefarbene Umhängetasche. Einige Päckchen zählt sie ab und stopft sie in eine Tasse. Auch die verschwindet in der Tasche. Ein Poster, ein Straußenei und der Fuß eines Nandus, ein südamerikanischer Laufvogel. „Der ist schön stabil“, sagt sie und verstaut ihn in der Tasche. In ein Seitenfach steckt sie eine Plastiktüte mit Möhren und laminierte Fotos von Tieren. „Einige davon sind Suchbilder. Die sind auch bei Erwachsenen beliebt“, erklärt Jenny. Sie greift ein paar Extragummibärchen, denn man weiß ja nie. Dann steckt sie sich eine Pfauenfeder an die Tasche - fertig.

Jenny schließt das kleine Büro unter dem Dach des Zoo-Verwaltungsgebäudes zu. Ein paar Minuten später steht sie am Eingang neben dem Treffpunkt-Schild. Die Pfauenfeder ragt aus ihrer Tasche. Sie wartet, sieht sich um. Dann stürmt eine Kindergruppe auf sie zu.

Ein kleiner Junge ruft: „Ich bin das Geburtstagskind!“ Jenny schüttelt seine Hand. Sechs Jahre alt ist er geworden. Dann stellt er ihr all seine Freunde vor - neun sind es insgesamt. Schließlich darf jeder die Pfauenfeder anfassen und Jenny kündigt an, dass es als Nächstes in einen „geheimen Raum“ geht.

Seit etwa einem Jahr arbeitet Jenny Förster als Scout im Dresdner Zoo. Sie führt Besucher durch die Anlage, erklärt, welche Tiere es gibt, wie sie heißen, wo sie leben. Zooscout sein ist anstrengend. Man braucht nicht nur Wissen zu den Tieren, sondern muss auch gut mit Menschen umgehen können. Geduld und eine starke Stimme sind von Vorteil.

Eine Führung durch den Dresdner Zoo

Am Eingang ist der Treffpunkt: Hier finden sich Zoo-Scouts mit ihrer Gruppe zusammen.
Am Eingang ist der Treffpunkt: Hier finden sich Zoo-Scouts mit ihrer Gruppe zusammen.
Das Plakat bekommt das Geburtstagskind als Geschenk.
Das Plakat bekommt das Geburtstagskind als Geschenk.
Die Kinder dürfen in das Maul eines Elefantenschädels fassen.
Die Kinder dürfen in das Maul eines Elefantenschädels fassen.
Jenny mit Bartagame Alex auf dem Arm.
Jenny mit Bartagame Alex auf dem Arm.
Scout Jenny zeigt den Kindern ein Suchbild.
Scout Jenny zeigt den Kindern ein Suchbild.
Jennys Pfauenfeder ist ein guter Zeigestab.
Jennys Pfauenfeder ist ein guter Zeigestab.
So schlafen Giraffen ...
So schlafen Giraffen ...
Ein Experiment: Wie kommen Giraffen mit ihren langen Hälsen an Wasserlöcher?
Ein Experiment: Wie kommen Giraffen mit ihren langen Hälsen an Wasserlöcher?
Im Gänsemarsch geht es durch den Zoo - immer der Feder hinterher.
Im Gänsemarsch geht es durch den Zoo - immer der Feder hinterher.
Ein Nandu stolziert durchs Südamerika-Gehege.
Ein Nandu stolziert durchs Südamerika-Gehege.
Was ist größer: ein Nandu- oder ein Kinderfuß?
Was ist größer: ein Nandu- oder ein Kinderfuß?
Bei quirligen Gruppen muss Jenny lauter sprechen. Das strengt an.
Bei quirligen Gruppen muss Jenny lauter sprechen. Das strengt an.
Letzte Station: Kamele füttern. Dazu verteilt Jenny geriebene Möhren.
Letzte Station: Kamele füttern. Dazu verteilt Jenny geriebene Möhren.
Den Tieren gefällt der Snack außer der Reihe.
Den Tieren gefällt der Snack außer der Reihe.
Zum Schluss gibt es Gummibärchen - und ein Geschenk für das Geburtstagskind.
Zum Schluss gibt es Gummibärchen - und ein Geschenk für das Geburtstagskind.

Eine Kommilitonin hat Jenny mit in den Zoo gebracht. Eigentlich studiert die 22-Jährige Biologie an der TU Dresden. Doch das Wissen aus dem Studium ist für ihren Nebenjob nicht wirklich relevant: „An der Uni lerne ich viel über die Evolution und verschiedene Tiergruppen. Damit brauche ich bei Kindern nicht anfangen. Für die Führungen muss ich wissen, wie alt die Tiere sind oder wie lang ihre Zunge ist.“

Was fressen eigentlich Elefanten?

Der „geheime Raum“ entpuppt sich als Zooschule. Hier darf jeder einen Elefantenschädel anfassen und ertasten, wie groß sein Maul ist. Die Kinder drängen sich um den Schädel, jeder will zuerst. Jenny fragt, was Elefanten eigentlich essen. „Bambus“, ruft ein Kind. „Eher nicht“, sagt Jenny. „Gras und Pflanzen“, ruft ein anderes. Jenny löst auf: „Genau - vor allem Gras und Blätter. Die zerreiben sie im Mund. Darum haben die Elefanten so große, flache Zähne.“ Echte Tiere anfassen wollen die Kinder natürlich auch. Dazu sollen sich alle im Kreis auf den Boden setzen. „Ihr müsst schön leise sein. Die Tiere sind zwar lieb, aber sie erschrecken schnell“, warnt Jenny. Dann holt sie eine Echse aus dem anderen Raum. Sie heißt Alex und ist genau genommen eine Bartagame. Jeder darf ihm über den Rücken streicheln und jeder will zuerst. Alex wird nervös und krabbelt Jennys Arm hoch. Sie unterbricht die Streichelrunde und erklärt, dass die Kinder leiser sein müssen. Als sich Alex beruhigt hat, geht es weiter.

Die meisten von Jennys Führungen sind Kindergeburtstage. „Das kann zwar anstrengend sein, aber Kinder zeigen, wenn sie etwas nicht interessiert. Das ist gut, denn dann kann ich mich darauf einstellen. Bei Erwachsenen weiß man oft nicht so recht, ob es ihnen gefällt“, erzählt die Studentin.

Das Projekt der Zoo-Scouts gibt es seit 2014. Zwar wurden vorher schon Führungen im Zoo durchgeführt, jedoch von einem externen Dienstleister. „Da ging es viel ums Anfassen und Füttern. Es wurde das Bild vermittelt, dass Tiere zur Unterhaltung da seien. Das wollten wir ändern“, sagt Thomas Brockmann. Er ist zoologischer Assistent und für die Zootouren verantwortlich. Diese seien nun professioneller und der Zoo habe selbst die Kontrolle darüber, was gemacht und erzählt werde. Brockmann schätzt das Projekt so ein: „Die Führungen werden sehr gut angenommen. Ein Großteil davon sind Kindergeburtstage, ein anderer Teil Schul- und Kitagruppen. Nur die Touren für Erwachsene könnten besser laufen.“ Zurzeit arbeiten 18 Scouts im Zoo - die meisten von ihnen Studenten. Besonders von April bis Oktober ist viel los. Dann laufen manchmal mehrere Touren parallel.

Giraffen haben einen Trick

Die Streichelrunde in der Zooschule ist zu Ende. Im Gänsemarsch folgen die Kinder der Pfauenfeder. Nächster Stopp: Giraffengehege. Jenny zieht ein Foto aus ihrer Tasche und erklärt, wie Giraffen schlafen und trinken. Dazu machen die Kinder gleich ein Experiment: Hände über den Kopf und versuchen, den Boden zu erreichen. Gar nicht so einfach. Jenny weiß: „Giraffen haben einen Trick. Sie spreizen die Beine.“ Die Kinder probieren es nochmal - und tatsächlich: So erreichen sie einfacher den Boden. Die Kindergruppe ist neugierig und aufgeweckt. Zu jedem Tier kennt jemand eine Geschichte und gibt sie zum Besten.

Trotzdem es manchmal anstrengend ist, mag Jenny ihren Job: „Ich bin draußen und kann im Zoo hinter die Kulissen schauen. Außerdem ist das Team toll.“ Einmal in der Woche muss sie zur Dienstberatung. Dann erfährt sie, welche Tiere gestorben sind und welche Neuzugänge es gibt. Denn die Zooscouts sind keine Tierpfleger. Manche Besucher verwechseln das.

Die Gruppe steht inzwischen am Südamerika-Gehege. Dort leben Vicugnas, Capybaras und Nandus. Jetzt kommt der Nandu-Fuß zum Einsatz. Jeder stellt ihn kurz neben seinen Schuh und vergleicht, dann greift der nächste nach dem Tierfuß. Jenny will noch etwas zu den Tieren im Gehege erklären, aber für die Kinder ist die Geschichte von Rosalie wichtiger, die mal vom Klettergerüst gefallen ist. „Seid mal leise. Es ist anstrengend, so laut zu reden“, sagt sie und es wird etwas ruhiger.

Respekt vor Tieren ist wichtig

Pro Jahr machen die Zoo-Scouts rund 700 Touren. „Sie müssen einen kompetenten Eindruck machen, denn sie vertreten den Zoo nach außen“, hält Thomas Brockmann fest. Er lässt den Scouts freie Hand, wo es geht. So sei jede Führung individuell. Brockmann betont: „Mir ist es nur wichtig, dass Respekt vor den Tieren und Artenschutz vermittelt wird.“

Zum Schluss holt Jenny die Plastiktüte mit geriebenen Möhren aus ihrer Umhängetasche. Die Kinder dürfen jetzt die Kamele füttern. „Flache Hand und den Daumen schön rannehmen“, weist Jenny an, während sie Möhrenstücke verteilt. Einige Kinder kichern, als die Kamele über ihre Hand schlabbern. Als alle Möhren aufgegessen sind, verteilt die 22-Jährige Feuchttücher.

Die Tour endet nach anderthalb Stunden am Spielplatz. Jenny zieht die Gummibärchen aus ihrer Tasche und gibt jedem Kind eine Tüte. Das Geburtstagskind bekommt die Tasse und das Poster. „Wenigstens waren die Kinder interessiert“, resümiert Jenny. „Manche wollen nur auf den Spielplatz.“ Nur das Straußenei hat es nicht aus der Tasche geschafft - zu zerbrechlich für diese Gruppe.