Merken

Ein Manager für die große Krise

Nach dem schweren Unfall auf der A 9 hat der Löbauer Busunternehmer Hilfe aus Berlin.

Teilen
Folgen
NEU!
© dpa

Von Anja Beutler

Löbau. Patrick von Krienke hat die Krise schon gesehen, bevor sie so richtig losgegangen war: „Als die ersten Bilder vom Busunfall über die Medien liefen, habe ich geahnt, dass es sich um einen unserer Kunden handeln könnte“, sagt der 31-Jährige. Denn für kurze Zeit sei ein Logo der Firma zu sehen gewesen, das er von einem Besuch in Löbau kannte, sagt er. Zwei Stunden später brachte ein Anruf Gewissheit. Wenn von Krienke von „unseren Kunden“ spricht, dann sind das Unternehmen, die ihn als erfahrenen Krisenmanager, als Pressesprecher, benötigen. So wie der Löbauer Unternehmer Hartmut Reimann, dessen Bus auf der A 9 vor einer reichlichen Woche verunglückte. Im Falle Reimann war dieses besondere Betreuungsangebot direkt in der Versicherung des Unternehmens enthalten. Dass er es je in Anspruch nehmen muss, hat er wohl kaum geahnt.

Nötig war professionelle Hilfe allerdings definitiv. Nach erster telefonischer Beratung war von Krienke und seinen Kollegen im Berliner „Medienbüro am Reichstag“ schnell klar, dass der Familienunternehmer diesen Schicksalsschlag und die Folgen allein nicht bewältigen kann. Zu stark war die Familie auch persönlich von den Ereignissen mitgenommen. Hinzu kam eine Art Belagerung des Firmenhofes durch die Boulevardpresse. „Was ich da gesehen habe, war hochgradig unseriös“, schildert von Krienke, der selbst knapp drei Jahre für eine überregionale Nachrichtenagentur gearbeitet hat. Eine Boulevard-Journalistin sei am Dienstag nach dem Unglück um das Anwesen geschlichen und habe überall an die Fenster geklopft“, erinnert er sich. Für Unternehmer Reimann und seine Familie war diese Situation schwer zu handhaben. Auch die Art, wie man mit Medienanfragen umgehen soll, was man sagen kann – all das war für den Löbauer Neuland – zur Unzeit.

Für Patrick von Krienke ist das hingegen Kern seines Jobs. Gerüstet ist der Berliner dafür bestens: Fast neun Jahre diente er bei der Bundeswehr, lernte als Offizier für operative Kommunikation viel darüber, wie man mit Menschen und Medien umgehen muss. Auch in einer kritischen Situation zu erkennen, was als Nächstes getan werden muss, beherrscht er aus dem Effeff.

In Löbau vor Ort waren die Aufgaben klar: Kontakt zu Polizei und Staatsanwaltschaft galt es zu halten, bei den Ermittlungen zu kooperieren. Die Information und Betreuung der Betroffenen und Angehörigen musste organisiert werden – in solchen Dingen hat das Unternehmen eine Mitverantwortung, muss sich gemeinsam mit Landkreis und Behörden darum kümmern, erklärt der Krisenkommunikator. Enorm wichtig sei in solchen Fällen auch, ein Auge auf die Medienberichte zu haben, damit man auf Entwicklungen rasch reagieren könne. Anfragen von Journalisten gab es ohnehin genug. „Wichtig war in dieser Zeit aber auch, Familie Reimann und den Angestellten Raum für Trauer und für einen Kondolenzbesuch bei der Witwe des Busfahrers zu geben“, betont von Krienke.

Diese persönlichen Momente, abseits aller Tagesordnungen und To-do-Listen, sind es auch, die dem erfahrenen Krisenmanager immer wieder nahegehen. Viel beschäftigt hat ihn in den vergangenen Tagen auch die Frage, ob das Unternehmen diesen Schlag verkraftet. Denn sicher ist das noch nicht. Reimanns überdenken derzeit ihr Unternehmenskonzept, die eingegangenen Verträge – auch im Linienverkehr – werden erfüllt, der Alltag rollt wieder einigermaßen. Zum Teil ist das der Hilfe anderer Firmen zu verdanken, die Fahrten für einen Freundschaftspreis übernommen haben. „Ich habe Hoffnung, dass sich das Unternehmen konsolidiert“, sagt von Krienke, der seit 2014 als Leitender Krisenberater des Berliner Büros wohl an die 100 Fälle bearbeitet hat – nicht alle mit gutem Ende. Wie lange er nun noch für die Firma Reimann als Unternehmenssprecher fungieren wird, das kann er derzeit nicht abschätzen: „Bis eine Untersuchung oder ein Gerichtsprozess abgeschlossen ist, begleite ich das Unternehmen sicherlich“, blickt er voraus. Professionelle Hilfe in solchen Krisen ist in seinen Augen unabdingbar. Denn durch unbedachte Äußerungen oder Fehlverhalten könne der Schaden ungleich größer werden, eine Krisenspirale entstehen.

Das hat auch die Versicherungsbranche erkannt: Die Sprecherin der Kravag-Versicherung, bei der auch Busunternehmer Reimann Kunde ist, bestätigt, dass sie ein solches Krisenbetreuungs-Angebot seit 2013 anbieten. „Wer in dieser Situation aus Angst, etwas Falsches zu sagen, gegenüber der Presse schweigt, gibt Gerüchten freien Raum, die sich später nur schwer eindämmen lassen“, sagt Sprecherin Brigitte Römstedt. Ebenso falsch wäre es aber, während der laufenden Ermittlungen Spekulationen über den Unfallhergang aufzustellen. Mit einem Profi wie Patrick von Krienke lässt sich dies besser meistern.