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Ein Ort, zwei Stunden, alles regional

Egal ob Gemüse, Brot oder Wein – das Konzept der Marktschwärmer bietet alles für bewusste Einkäufer.

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© Sven Ellger

Von Juliane Richter

An vier Tagen in der Woche baut Dorothea Münch ihren Stand auf einem Wochenmarkt in Dresden oder Heidenau auf. Die Inhaberin des Gartenbaus Kießlich aus Radebeul muss dabei stets mit Einbußen rechnen. Ist es heiß, drohen Salat und Kräuter zu verwelken. Nicht abgekauftes Obst und Gemüse leidet durch den Rücktransport zusätzlich.

Ein neues Konzept kommt ihr deshalb besonders entgegen: Sie ist Lieferantin für die Marktschwärmer und baut ihren Stand jeden Donnerstag im Innenhof des Riesa Efau in der Friedrichstadt auf. Lediglich von 17 bis 19 Uhr. Ein Flechtkorb, hübsch dekoriert mit allem, was ihre Gewächshäuser und Felder so hergeben, dominiert den Großteil ihres Biertisches. Bis auf eine Palette mit Erdbeerschalen ist der Tisch fast leer. Dahinter stehen einige grüne, mit Nummern versehene Gemüsekisten. In jeder Kiste ist bereits verpackt, was ihre Kunden an diesem Tag kaufen. Oder besser gesagt, schon gekauft haben. Eine junge Frau tritt an den Tisch und fragt nach Bestellung Nummer 23. Eine Schachtel Erdbeeren, ein Bund saftiger Rucola, eine Gurke und einige Tomaten sind in ihrer Kiste. Bestellt und bezahlt hat sie die Waren bereits vor zwei Tagen. Das ist das Prinzip der Marktschwärmer: Bis Mittwochmorgen 3 Uhr geben die registrierten Nutzer ihre Bestellungen über das zugehörige Internetportal auf und bezahlen, zum Beispiel mit Kreditkarte. Im Riesa Efau werden die Waren dann lediglich übergeben. „Wir wissen genau, wie viel wir verkaufen und können exakt diese Waren ganz frisch ernten“, sagt Dorothea Münch. Nichts ist zu viel, nichts muss weggeworfen werden. Münch ist eine von mittlerweile 15 Händlern. Die Kunden gehen von Tisch zu Tisch und arbeiten innerhalb weniger Minuten ihre Bestellliste ab. Die 51-jährige Claudia Thaller-Birkigt ist von der Grundidee begeistert: „Wenn die Wochenmärkte stattfinden, arbeite ich. Aber hier finde ich alles an einem Ort, wofür ich sonst mit dem Auto lange umherfahren müsste, wenn ich mich gesund ernähren will.“ Es gibt Demeter-zertifiziertes Brot, Eier, Honig, Fruchtweine, Käse, Joghurt, Wurst, selbst gemachte Marmeladen oder als besonderen Renner an diesem Tag: Erdbeeressig. Wer Zeit und Muße hat, schwatzt mit den Anbietern und probiert auch mal eine Kleinigkeit. An diesem Tag noch etwas spontan zu kaufen, geht nicht. Aber der Käufer kann sich eben umschauen, was er kommende Woche zusätzlich bestellen möchte. Die Waren sind nicht zwingend bio, aber regional und direkt vom Verkäufer. Es gibt weder lange Lieferwege noch Zwischenhändler. So kann Daniel Weidner aus Nossen zum Beispiel im Detail Auskunft geben, wie er seine Fruchtweine herstellt und wie er es dabei schafft, auf Sulfite zu verzichten.

Die Marktschwärmer sind ein Projekt, das 2011 in Frankreich seinen Anfang genommen hat. Seitdem verbreitet sich die Idee in Europa. In Dresden ist Fanny Schiel Initiatorin des Marktes. Sie kannte das Prinzip bereits von einem Auslandssemester in Frankreich und war vergangenes Jahr verwundert, dass es einen solchen Markt in Dresden noch immer nicht gibt. Also hat sie es selbst in die Hand genommen, Erzeuger kontaktiert und am Ende jeden auch auf dem eigenen Hof besucht. Wie die meisten Marktschwärmer versucht sie, sich gesund zu ernähren, kocht viel selbst und verzichtet soweit möglich auf industriell weiterverarbeitete Lebensmittel. „Die Produkte hier schmecken auch wieder richtig nach etwas. Und es gibt eine ganz andere Auswahl“, sagt die 28-Jährige. Neu mit dabei ist der Cossebauder Kartoffelacker, der zum Beispiel alte Sorten, rote und auch blaue Kartoffeln verkauft. Der Gartenbau Kießlich bietet auch gelbe Tomaten oder vier verschiedene Sorten Zucchini an. Und Constanze Bley stellt unter anderem Holunderblüten- oder Fliedergelee her. Als Nächstes will sie mit Lavendel experimentieren. Alles aus Blüten und Früchten der Sächsischen Schweiz.

Dafür, dass die Erzeuger im Riesa Efau ihre Produkte übergeben dürfen, zahlen sie jeweils acht Prozent des Ertrages an Veranstalterin Fanny Schiel und die Dachorganisation Marktschwärmer Deutschland. Manche Lieferanten verkaufen ihre Waren deshalb etwas teurer als im eigenen Hofladen oder den üblichen Verkaufsstellen. Cityimker Ingolf Döhnert verlangt für das 500-Gramm-Glas Honig dann zum Beispiel 5,80 statt fünf Euro. Normalerweise sieht man ihn eher auf Messen, die Marktschwärmer sind sein einziger Markttag. An diesem Abend verkauft er noch 90 Eier von seinen Freilandhühnern. „Ein Biozertifikat wäre mir dafür zu teuer. Aber trotzdem haben die Hühner richtig Auslauf“, sagt er.

Bis zu 70 Marktschwärmer holen jeden Donnerstag ihre Waren ab. Manche kaufen im Wert von 40 Euro, andere nur für acht Euro. Einig sind sie sich alle: Sie sehen gern, wer ihr Essen herstellt.