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Ein Parlament für die Sorben?

Ein Forum in Bautzen sollte neuen Schwung in die Debatte bringen. Doch CDU und Domowina reagieren mit deutlicher Kritik.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Domowina, sorbische Stiftung, Rat für sorbische Angelegenheit – auf den ersten Blick gibt es zahlreiche Gremien, die sich um die Belange der Sorben kümmern. Doch der Initiative Serbski Sejm ist das nicht genug. Sie kritisiert die Strukturen des sorbischen Dachverbandes und der Stiftung als undurchsichtig und undemokratisch. Alternative soll eine sorbische Volksvertretung sein, der Serbski Sejm – frei gewählt von allen, die sich als Sorbe fühlen.

Wie das funktionieren könnte, war am Montagabend Thema eines öffentlichen Forums im Bautzener Steinhaus. Im Rahmen der Bautzener Demokratiewochen diskutierten 50 Teilnehmer über den Weg zu einem sorbischen Parlament und über die Themen, die der Sejm anpacken soll. Erneut wurden dabei zwei Dinge deutlich: Auf viele praktische Fragen kennt die Initiative noch keine Antwort, zudem stößt der Vorstoß auch auf Kritik.

Wie ist die Vertretung der Sorben bisher geregelt?

Ansprechpartner für Politik und Verwaltung ist bisher meist die Domowina. Denn im sächsischen Sorbengesetz ist geregelt, dass die Interessensvertretung der Sorben von einem Dachverband wahrgenommen werden kann. Ein solcher Verband ist die Domowina mit 20 Mitgliedsvereinen. Diese haben 7 400 Mitglieder. Die Domowina-Vertreter sitzen deshalb bei vielen wichtigen Entscheidungen mit am Tisch – etwa, wenn es um die Gelder für die sorbische Stiftung geht oder aktuell bei der Überarbeitung des sächsischen Schulgesetzes.

Was kritisiert die Initiative an dieser Situation?

Für die Sejm-Initiativgruppe hat die Domowina keine politische Legitimation. Der Dachverband könne nicht für alle 60 000 Sorben sprechen, sagt Sejm-Unterstützer Martin Schneider. Zudem äußere sich der Verband nicht laut genug zu wichtigen Themen – etwa der Abbaggerung sorbischer Dörfer für die Braunkohle. „Wir müssen deshalb alte Strukturen hinterfragen“, sagt Andreas Kluge von der Sejm-Gruppe. Seit fünf Jahren arbeitet diese am Konzept eines sorbischen Parlaments und sammelt zum Beispiel Unterschriften. 700 Unterstützer haben den Aufruf bisher unterzeichnet. Neben der Struktur kritisiert die Initiative auch die Verteilung der Gelder: Zu viel versickere im „Wasserkopf“, zu wenig fließe in die praktische Arbeit.

Wie soll der Serbski Sejm praktisch funktionieren?

In diesem Jahr soll sich noch ein Ältestenrat konstituieren. „Dieses Gremium ist offen, für 12 bis 20 anerkannte Männer und Frauen jeden Alters, die sich dem Sorbischen verpflichtet fühlen“, sagte Kluge. Sie sollen den Weg für ein Vorparlament ebnen. Diese Gruppe soll über derzeitige sorbische Konflikte wie fehlende Lehrer, die Abbaggerung der Lausitz oder das Miteinander von Deutschen und Sorben öffentlich diskutieren und Konzepte erarbeiten. Für Maßnahmen des Sprach- und Kulturerhalts sollen so die Gelder für die Sorben gerechter und effektiver ausgegeben werden. Ein sogenannter Exekutiv-Ausschuss soll Ansprechpartner für Politik und Verwaltung sein. Erst im letzten Schritt soll das Parlament gewählt werden. „Jeder, der sich Sorbisch fühlt, kann mitmachen“, sagt Sejm-Sprecher Martin Walde. Wie die Wahl ablaufen soll, ist noch nicht geklärt.

Ist ein eigenes sorbisches Parlament rechtlich überhaupt zulässig?

Viele Juristen meinen, der Serbski Sejm könne nur beratendes Gremium sein, da die Förderung der Sorben auf Grundlage von Staatsverträgen geregelt ist. Sie müssten neu abgeschlossen werden. Die Initiatoren wollen aber in jedem Fall mitreden – und zwar auf Augenhöhe mit den Landtagen in Sachsen und Brandenburg.

Wie stehen Domowina und Politik zur Sejm-Idee?

Domowina-Vorsitzender David Statnik sagt: „Es ist leicht, die derzeitige Situation als ungenügend zu brandmarken und zu behaupten, mit einem Systemwechsel wären alle Probleme, wie der Spracherhalt, gelöst.“ Das sei keine Frage eines Stimmzettels, sondern des inneren Willens und des Images, welches die Sprache hat. „Separation wäre hier kontraproduktiv.“

Auch die Bundestagsabgeordnete Maria Michalk (CDU) gibt dem Serbski Sejm ein klares Nein. „Ich kann nicht erkennen, was sich dadurch verbessern soll. Er bringt weder mehr sorbische Lehrer noch mehr Fachpersonal für sorbische Institutionen“, sagt die Sorbin. Der SPD-Landtagsabgeordnete Harald Baumann-Hasske hält ein Parlament für die Sorben für sinnvoll. „Es gäbe dann eine unabhängige Volksvertretung ausschließlich für die Belange der Sorben“, sagt der Ansprechpartner für sorbische Angelegenheiten.