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Ein Querkopf aus der letzten Reihe

Grüne. Der Streit um Joschka Fischers künftige Rolle lenkt von der Führungskrise in der Bundestagsfraktion ab.

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Von Sven Siebert,Berlin

Plötzlich dürfen alle auf Joschka herumhacken. Der grüne Parlamentsneuling Gerhard Schick wurde gestern mit der Äußerung zitiert, nicht alles, was Joschka Fischer zur Debatte über einen möglichen Geheimdienst-Untersuchungsausschuss zu BND und CIA beigetragen habe, „war sonderlich hilfreich“. Und überhaupt: Fischers Rolle in der Vergangenheit werde „massiv überschätzt“. Die Grünen – nach sieben Regierungsjahren in der Opposition angekommen – verwenden gerade ein gut Teil ihrer Energie auf die Demontage ihres ewigen „heimlichen Vorsitzenden“.

Die Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Fritz Kuhn haben die Jagd auf Joschka freigegeben. Künast sagte: „Ich gehe davon aus, dass Joschka Fischer im Laufe der Legislaturperiode sein Mandat niederlegen wird.“ Das war bewusst halb als Feststellung, halb als Aufforderung formuliert. Kuhn legte nach: Der letzte Rock’n’Roller, wie Fischer sich selbst einmal genannt hatte, „sollte auch hinter der Bühne kein Konzertchen geben“.

Der Ärger um den Mann, der nun in der letzten Reihe des Reichstages Platz zu nehmen pflegt, geht auf Fischers Widerstand gegen den Untersuchungsausschuss zurück. Als einziges Fraktionsmitglied hatte der 57-Jährige gegen den Ausschuss gestimmt, zu dessen Einsetzung sich Künast und Kuhn zuvor entschlossen hatten.

Fischer wurde vorgeworfen, er habe sich zunächst für den Ausschuss ausgesprochen, ihn dann aber als „Kampfinstrument zur Delegitimierung rot-grüner Außenpolitik“ abgelehnt. Zumindest öffentlich hatte der Ex-Außenminister aber lediglich erklärt, er habe keine Probleme, falls die FDP einen Untersuchungsausschuss fordere.

Intern wurde bemerkt, Fischer sei ein „Querkopf, der vor sich hin brummelt“, der aber immer noch große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehe – größere Aufmerksamkeit jedenfalls als die aktuelle Partei- und Fraktionsführung.

Verschlungene Erklärungen

Die als Verbraucherschutzministerin noch so durchsetzungsfähige Renate Künast war bisher vor allem dadurch aufgefallen, dass sie den Untersuchungsausschuss erst eindeutig forderte und dann verschlungen für verzichtbar erklärte.

Künast habe die Sache mit dem Untersuchungsausschuss „nicht zu Ende gedacht“, kritisiert ein Grüner. Deshalb sei die Fraktion ins Schlingern geraten. „Und diese Führungsschwäche von Renate Künast wird jetzt durch Mobbing gegen Joschka ersetzt.“

Jürgen Trittin, Ex-Umweltminister und nun Fraktionsvize, empfiehlt seiner Fraktion nun Zurückhaltung in Sachen Fischer. Man solle sich weniger mit sich selbst, sondern mehr mit dem politischen Gegner beschäftigen. „Rückwärtsgewandte Debatten sind nicht zielführend“, sagte er der SZ. „Wir müssen uns nach vorne orientieren auf die Auseinandersetzung mit der großen Koalition.“ Um Fischer Ratschläge zu geben, sei er, Trittin, „nicht in der geeigneten Position“.