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Ein rhetorisch beschlagener Diplomat

Es gibt nur wenige Baudenkmäler, um deren Entstehungsgeschichte sich so zahlreiche Sagen, Mythen und Vermutungen ranken. Das liegt an fehlenden archivischen Quellen und der chronikalische Verklärung des Lebens des Georg Emmerich durch seine Nachkommen.

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Von Siegfried Hoche,Ratsarchivar

Es gibt nur wenige Baudenkmäler, um deren Entstehungsgeschichte sich so zahlreiche Sagen, Mythen und Vermutungen ranken. Das liegt an fehlenden archivischen Quellen und der chronikalische Verklärung des Lebens des Georg Emmerich durch seine Nachkommen. Schon 1892 wies Richard Jecht nach, dass Georg Emmerich nicht der alleinige Erbauer und Finanzier dieses so anrührenden und bedeutenden sakralen Ensembles war, sondern die Entscheidung über dessen Errichtung wesentlich durch den Görlitzer Rat und einige Bürger herbeigeführt wurde. Allerdings gehörte Emerich seit 1470 zum Rat und seit 1474 dem Schöppenkollegium an. Als der Bau 1481 beginnt, zählt er zu den vermögendsten und politisch einflussreichsten Bürgern der Stadt.

Pilgerfahrt nach

Schwängerung

Nachbildungen des Heiligen Grabes zu bauen entsprach einer religiösen Zeitströmung ab Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Motivation für Emmerich, den Bau sonderlich zu fördern, wurde aber mit Sicherheit durch seine Pilgerfahrt im Jahre 1465 befördert. Zumal er große Schuld auf sich geladen hatte. So jedenfalls urteilten bereits einige seiner Zeitgenossen. Der Grund für diese Reise lag mit einiger Sicherheit in den eskalierenden und den Stadtfrieden gefährdenden Ereignissen, die durch die Schwängerung der Benigna Horschel entstanden. Ob er mit der Reise einer drohenden Exkommunizierung entgehen wollte, ist nicht belegbar.

Der Vater der entehrten Benigna, Nikolaus Horschel, Ratsfreund und Waffengefährte Urban Emmerichs, dem Vater Georgs, wurde durch den Verlauf der Ereignisse, zu einer der tragischsten Figuren der Görlitzer Geschichte. Er verdient es, dass man sich einmal intensiver mit seinem Leben und tragischen Schicksal beschäftigt. Wir wissen nur wenig über den Ursprung der Familie. Der vermutlich noch relativ junge Nikolaus Horschel gehörte zu den Görlitzer Teilnehmern an der blutigen Schlacht bei Aussig während der Hussitenkriege 1426.

Im Juni des Jahres 1427 erscheint Nikolaus Horschel als Besitzer des Hauses Untermarkt 23 in den Geschossbüchern. Aus der Steuersumme „pro domo“ kann man den Kaufpreis für den recht wertvollen Brauhof von 64 Mark und einigen Groschen berechnen.

Horschel war einer der reichsten Görlitzer Bürger

Der städtische Büchsenmeister verfügte nur über ein Jahreseinkommen von sechs Mark! Horschel verfügte über ein beachtliches Vermögen. 1436 erwirbt er von Johannes Marienam den „Goldenen Baum“, den Brauhof Untermarkt 4. Im Jahr 1443 notiert man in den Geschossbüchern die Gesamtsumme der Steuern. Nikolaus Horschel zählt zu den 171 reichsten Bürgern. Der erfolgreiche Horschel heiratet Benigna, die Schwester des Ratsherren und später hingerichteten Martin Lauterbach. Enge verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Angehörigen einer Schicht sind typisch für jene Zeit.

Horschels Reichtum, verwandschaftliche Beziehungen zu den führenden Geschlechtern und sein schon bei der Schlacht bei Aussig wohl bewiesener Mut werden wohl dazu beigetragen haben, dass er im Jahre 1431 zum Ratsherren gekürt wurde. 1454 steigt er zum Schöffen auf. Nikolaus Horschel nahm im Rat wohl eine besondere Stellung ein. Er muss ein rhetorisch beschlagener Diplomat gewesen sein. Anders sind die häufigen Reisen als Görlitzer Gesandter nicht erklärbar.

Als erfolgreiche

Heerführer heimgekehrt

Am 9. Mai 1440 fielen von Tetschen und Blankenstein überraschend feindliche Truppen ein und plünderten Heidersdorf. Urban Emmerich und Nikolaus Horschel begaben sich darauf mit 60 Berittenen und 250 Fußsöldnern nach Zittau. Die Feinde waren aber bereits über das Gebirge entwichen. Man verfolgte sie. Die auf einem Felssporn gelegene Burg Fredewald wurde gestürmt, verbrannt und geschleift. Die Rückkehr der siegreichen Truppen am 20. Mai wurde entsprechend gefeiert. Man aß und trank in der Weinstube und erquickte sich mit einem Bade. Bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass Urban Emmerich und Nikolaus Horschel die Heerführer waren. Jahre später werden sie wegen des Fehltrittes von Urbans Sohn Georg zu Feinden.