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Ein Spiegel der Elbquelle

Die WGR hat eine Künstlerin beauftragt, eine Fassade am Karl-Marx-Ring zu gestalten. Ihre Inspiration ist nicht weit weg.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Die stählernen Halterungen an der Giebelseite geben den Hinweis: Hier fehlt noch was. Die Rede ist von der Fassade des Blocks am Karl-Marx-Ring, der derzeit saniert wird. An der Hauswand wird noch ein flächiges Kunstwerk aus neun Eisenplatten entstehen – zwei Meter breit und drei Meter hoch ist jede von ihnen. Die Aussparungen in den Platten ergeben ein Bild, das sich Künstlerin Astrid Grauer im vergangenen Jahr ausgedacht hat. Zunächst wirkt ihr Entwurf abstrakt: eine Ansammlung von Linien, die mit viel Fantasie den Eiffelturm ergeben könnten. Im oberen Drittel durchpikst ein Stab das senkrechte Gebilde, genauso wie bei Immendorffs Elbquelle, die von der Fassade aus zu sehen ist.

Jörg Immendorff hat sie geschaffen: die Elbquelle. Seit inzwischen 17 Jahren gehört sie zu Riesa.
Jörg Immendorff hat sie geschaffen: die Elbquelle. Seit inzwischen 17 Jahren gehört sie zu Riesa. © Sebastian Schultz
Bei ihrem Entwurf hat sich die Künstlerin an Immendorffs Elbquelle orientiert, die in Sichtweite steht.
Bei ihrem Entwurf hat sich die Künstlerin an Immendorffs Elbquelle orientiert, die in Sichtweite steht. © Visualisierung: AMP

Das Kunstwerk des verstorbenen Bildhauers war das Vorbild für Grauers Idee. Dem Betrachter vorschreiben, dass er genau das sehen soll, will sie aber nicht. Daher trägt ihr Werk auch keinen Namen: „Jeder soll in einem Bild das entdecken, was er möchte. Das ist ja das Schöne an der Kunst“, so Grauer. Ob der Betrachter am Ende einen Haufen Schrott, Straßen oder die Elbquelle sehe – total egal. „Hauptsache es löst eine Reaktion aus. Das ist doch das, was man als Künstler erreichen will.“

Eigentlich ist die Kunstlehrerin und Malerin auf fantasievolle Bilder mit satten Farbtönen auf Leinwand spezialisiert. Häufig zeigt sie nackte Frauen, Tiere oder Puppen – oft mit verspielt-detailreichen Hintergründen, die vor Symbolen und Anspielungen nur so strotzen. Das Werk für die Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR) zu entwerfen, war für sie daher eine ganz neue Erfahrung. „Ich bin schon sehr gespannt, wie es wirkt, wenn es fertig ist. Denn hier draußen werden Licht und Schatten eine viel größere Rolle spielen als bei den Bildern, die ich üblicherweise male.“

Gleich auf einen Nenner sind Künstlerin und Auftraggeber dabei allerdings nicht gekommen, wie WGR-Chef Roland Ledwa erzählt. „Es gab verschiedene Varianten. Wir brauchten am Ende natürlich eine, die sowohl ästhetisch ist als auch technisch realisierbar.“ Beiden Seiten war wichtig, dass Riesa als Industriestadt eine Rolle in dem Kunstwerk spielt. „Riesa lebt schließlich noch immer vom Stahl“, so Ledwa.

Mit der jetzigen Lösung sind alle glücklich. „Material und Symbolik passen optimal zu Riesa“, sagt Ledwa. Das findet auch Astrid Grauer. Für sie steht die Eiche für Stabilität und Standhaftigkeit. Das verbindet sie auch mit der Elbquelle, die sie erst mit der Zeit schätzen gelernt hat. „Ich habe lange mit dem Kunstwerk gehadert. Aber, wenn man weiß, was dahinter steht, ist es toll.“ Inzwischen könne sie sich die Skulptur gar nicht mehr wegdenken. „Und ich denke, so geht es allen Riesaern, die zunächst aufgeschrien haben. Jetzt gehört die Elbquelle einfach dazu.“

Optisch werden sich die Platten an der Fassade mit der Zeit an die „Rosteiche“ angleichen. Sie bestehen aus Cortenstahl, der mit Absicht rosten soll, um seine typisch rotbraune Färbung zu bekommen. Den Entwurf umgesetzt hat eine Riesaer Firma: Rime. Inzwischen liegen die Platten zur Montage bereit. In etwa drei Wochen sollen sie an der Fassade am Karl-Marx-Ring montiert werden. Mit dem gleichen rostigen Stahl werden auch die Eingänge der sanierten Blöcke eingefasst. Die Außenwände haben einen matten Grünton erhalten. Auf das Farbkonzept habe es bislang nur positive Reaktionen bekommen, so Ledwa. Auch Künstlerin Astrid Grauer gefällt das.

Der Umbau des Wohnblocks geht dem Ende entgegen. Laut Roland Ledwa laufen jetzt noch die Arbeiten an den Balkonen an der Rückwand. Sie sollen die gleichen Schiebeelemente bekommen wie die WGR-Häuser an der Klötzerstraße. „Ich gehe davon aus, dass die Arbeiten planmäßig Ende des Jahres beendet sein werden“, sagt der WGR-Chef.