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Ein Weltstar mit 152 süßen Seiten

Der Internet-Hype um die Schweineohren der Bäckerei Schwerdtner lockt nun auch das Fernsehen nach Löbau.

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© Rafael Sampredo

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Ein süßer Duft beherrscht die Backstube. Die Aromen von Butter und Zucker, Marmelade und Schokolade vereinen sich schon in der Nase zu einer verführerischen Nascherei. Hier in der Konditor-Stube der Bäckerei Schwerdtner an der Breitscheidstraße in Löbau entstehen süße Träume.

Der Bäcker Rainer Müller produziert die Leckerei mit viel liebevoller Handarbeit.
Der Bäcker Rainer Müller produziert die Leckerei mit viel liebevoller Handarbeit. © Rafael Sampredo
Täglich liefert die Bäckerei bis zu 1300 Schweineohren an ihre 43 Filialen.
Täglich liefert die Bäckerei bis zu 1300 Schweineohren an ihre 43 Filialen. © Rafael Sampredo

Für einen davon ist die Bäckerei seit ein paar Tagen weltbekannt. Ein britischer Internet-Sender hatte einen Imagefilm der Bäckerei zur Herstellung von Schweineohren geteilt und damit bereits 4,8 Millionen Aufrufe erzielt. Auf der Internetseite der Bäckerei hagelt es seitdem Anfragen aus aller Welt. Nach Übersee will Schwerdtner trotz der neu gewonnenen Fans auch weiterhin nicht liefern, aber: „Nach der Berichterstattung über den Internet-Hype durch die SZ Löbau und die Bild spüren wir schon eine erhöhte Nachfrage“, sagt Produktionsleiterin Jana Pfennig.

Jetzt kam am Donnerstag auch noch das richtige Fernsehen. Der MDR wird am Freitag im „Sachsenspiegel“ (19 Uhr) zwei Minuten lang über die unverhoffte Prominenz der Schweineohren berichten. Die SZ schlüpfte zusammen mit dem Kamerateam des MDR in die Konditor-Stube, um zu erforschen, wie aus Butter, Mehl und Zucker Löbaus weltberühmteste Leckerei entsteht. Viele moderne Maschinen stehen hier, die den Frauen und Männern die körperlich schwersten Arbeiten ihres Handwerks abnehmen. „Wir wollen schließlich, dass unsere Mitarbeiter auch mit über 50 noch arbeiten können“, sagt Produktionsleiterin Jana Pfennig. Im Schweineohr steckt dennoch viel traditionelle Handarbeit. Bäcker Rainer Müller steht an der einzigen Maschine, die dafür zum Einsatz kommt. Die rollt den Blätterteig zu einer etwa einen Meter langen Bahn. Doch ein Blätterteig wird es erst durch die Handarbeit von Rainer Müller. Er legt einen großen Block Butter auf den Teig und faltet die eine Hälfte der Teigbahn auf die andere. Dann lässt er es die Maschine wieder auf gut einen Meter ausrollen. Falten. Rollen. Wieder und wieder.

„Das geschieht so oft, bis der Butterteig genau 152 Schichten hat“, erklärt Jana Pfennig. Und das ist qualitätsentscheidend. „Wenn er einmal zu wenig gefaltet ist, wird der Blätterteig beim Backen zu lose, einmal zu viel sorgt dafür, dass sich die Blätterung nicht richtig entfalten kann.“ Und zügig muss der Bäcker sein Teig-Origami auch erledigen. „Wenn‘s zu lange dauert, fließt uns die Butter weg. Dann können wir den Teig nicht mehr gebrauchen“, sagt Jana Pfennig. Die Produktion müsse daher wie ein Uhrwerk laufen, in dem ein Rädchen ins andere greift.

Doch wie werden aus einem ausgewalzten Teig nun Schweineohren? An einem Arbeitstisch walzt Bäcker Rainer Müller den Teig noch einmal in Butter. „Das bekommt man mit keiner Maschine hin“, sagt Produktionsleiterin Jana Pfennig. Denn nur wenn der Zucker richtig in die Teigoberfläche eingearbeitet wird, karamellisiert er beim Backen in der gewünschten Art. „Das macht das Schweineohr knusprig“, erklärt Jana Pfennig. Dann kommt das Finale für den noch rohen Teig. Mit schnellen Handgriffen faltet der Bäcker den Teig noch zweimal zusammen, sodass es eine etwa einen Meter lange Rolle ergibt. Aus dieser Rolle schneidet er quer schmale Streifen. Beim Anschnitt wird die letzte Faltung des Teigs sichtbar. Immer wieder legt er eine dieser Schnitten auf eine Waage. Alles perfekt. „Unsere Bäckerinnen und Bäcker haben das im Gefühl, wie breit sie abschneiden müssen“, sagt die Produktionsleiterin.

Immer zehn der Schnitten landen auf einem Backblech. Doch bevor das Blech auf einem Rollwagen im Ofen landet, braucht‘s noch den wichtigen Design-Handgriff. Der Bäcker biegt die losen Enden leicht nach außen – so erhält es erstmals Ähnlichkeit mit einem Schweineohr.

Nach nicht einmal 30 Minuten kommen die Schweineohren braun gebrannt aus dem Ofen. Der karamellisierte Zucker zwischen den unter der Hitze aufgegangenen Blätterteigschichten gibt dem Gebäck einen Schimmer. Möglicherweise war es dieser Effekt, der den britischen Internetsender zu seiner Beschreibung „magisches Gebäck“ veranlasste. Rund eine Stunde dürfen die Schweineohren jetzt ruhen und abkühlen. Dann geht‘s für die meisten von ihnen noch in ein Schoko-Tauchbad. Die Weltstars sind fertig zur Auslieferung in eine der 43 Filialen zwischen Zittau und Dresden – und sind für einen der vielen Millionen neuen Fans aus aller Welt vielleicht mal eine Reise nach Sachsen wert.