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Eine andere Welt pflanzen

Im Golgi-Park hinter dem Festspielhaus Hellerau lernen sich Dresdner und Flüchtlinge kennen und teilen Erfahrungen.

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© Christian Juppe

Von Ulrike Kirsten

Dresden. Dicht an dicht stehen die Bigbags aufgereiht. Aus ihnen sprießen Mais, Kartoffeln, Bohnen. Die Schüttgutbehälter dienen als Hochbeete für den interkulturellen Gemeinschaftsgarten „Golgi-Park“, der seit Mai hinter dem Festspielhaus in Hellerau an der Karl-Liebknecht-Straße gewachsen ist. Bewusst haben sich die Macher gegen Zäune entschieden, wie es sonst in jeder Gartenanlage üblich ist. Es soll ein offener Ort sein, jeder soll sich hier wohlfühlen, egal ob Dresdner, Zugezogener oder Flüchtling.

Wegen möglicher Altlasten im Boden, die aus der Zeit stammen, als russische Soldaten in Hellerau untergebracht waren, haben sich die Macher für die Bigbags entschieden. Die sehen nicht nur witzig aus, sie verbinden auch die meisten Menschen, die in den Park kommen. „Viele Flüchtlinge kennen Bigbags auch aus ihrer Heimat, da kommt man schnell ins Gespräch“, sagt Anna Bründl vom Festspielhaus Hellerau. Sie betreut das Projekt Golgi-Park. Benannt ist es nach dem italienischen Mediziner Camillo Golgi, der für seine Untersuchungen zur Struktur des Nervensystems den Nobelpreis erhielt.

Träger des Projektes ist der Förderverein Hellerau, der sich für die Rekultivierung des Festspielgeländes einsetzt. Seit Mai ist der Golgi-Park nun ein Ort der Ruhe, der Begegnung und des ökologischen Austausches. Dabei ist die Idee mit dem Gemeinschaftsgarten schon viel früher gereift, als Dieter Jaenicke, Intendant des Festspielhauses, im November erklärte, man wolle Flüchtlinge in Hellerau aufnehmen. Seit April lebt nun eine vierköpfige Familie aus Syrien auf dem Festspielgelände. „Wenn wir das machen, dann wollten wir das richtig machen“, sagt Anna Bründl. „Wir wollten die Flüchtlinge nicht sich selbst überlassen, sondern in unser Leben integrieren.“

Voneinander und miteinander lernen

Deshalb finden auf dem Festspielgelände auch Deutsch-Kurse statt, und beim Kitchentalk wird gemeinsam gekocht. In den Golgi-Park kommen unter anderem Flüchtlinge aus den Heimen an der Großenhainer und Buchenstraße. Sie sind gern in Hellerau, kommen regelmäßig, auch weil es eine gute Möglichkeit ist, Deutsch zu sprechen, sagt Anna Bründl. „Hier sind Menschen aller Generationen aktiv, aus der Nachbarschaft und von weiter weg. Ob die Frauen vom Klotzscher Kaffeeklatsch, die uns Blumen und Kräuter bringen, oder die jungen Leute aus der hippen Neustadt“, sagt Konrad Röhringer, der im Festspielhaus als Bühnenarbeiter tätig ist und regelmäßig im Golgi-Park mitgärtnert.

„Ich hatte keine Erfahrungen in der Gartenarbeit, habe vieles im Austausch mit den anderen Gärtnern gelernt“, sagt Konrad Röhringer. „Gerade das macht den Reiz des Projektes aus, voneinander und miteinander zu lernen.“ Inzwischen ist der Gärtner-Kreis auf etwa 40 Leute angewachsen, die je nach Laune vorbeischauen. Dass das Konzept aufgeht, hat sich während des heißen Sommers bewiesen. Kurzerhand wurde per E-Mail-Verteiler ein Gießdienst ins Leben gerufen, damit alles ordentlich gedeiht.

Dennoch wünschen sich die Macher, dass noch mehr Asylbewerber vorbeischauen. „Viele sind nicht mobil, nicht jeder hat ein Fahrrad oder eine Bahnkarte. Manche trauen sich auch nicht raus, und Hellerau ist nun mal ein Stück weit weg“, sagt Anna Bründl. Deshalb werben die Macher weiter rege für ihr Projekt mit dreisprachigen Flyern in Deutsch, Englisch und Arabisch, knüpfen Kontakte zum Flüchtlingscamp an der Bremer Straße und allen anderen neuen Unterkünften.