Merken

Eine Fahne für Großschweidnitz

Der Ort gibt sich ein Wappen. Das soll den Zusammenhalt fördern – und musste besonderen Regeln genügen.

Teilen
Folgen
© Bernd Gaertner

Von Gabriel Wandt

Großschweidnitz. Dass sie am Vorabend des Oberlausitztags erstmals zu sehen sein wird, ist Zufall. Dass Großschweidnitz sich an diesem Sonnabend ein Wappen und eine Fahne gibt, ist durchaus kein Zufall, sondern ein sehr bewusster Schritt. Vielfach in den vergangenen Monaten haben die Gemeinderäte und der Bürgermeister darüber beraten und sich einstimmig dafür entschieden, Wappen und Fahne einzuführen.

Vorangegangen waren dem lange Diskussionen um Aussehen und Inhalt des Wappens. Was ist so typisch und so wichtig, dass es unbedingt darauf erscheinen muss? Was kann man weglassen, und wie soll das Wappen überhaupt gestaltet werden?

Die inhaltlichen Fragen mussten die Gemeinderäte weitgehend selbst klären, für alles andere hatten sie professionelle Unterstützung: Wappenspezialist Jörg Mantzsch aus Magdeburg hat den Großschweidnitzern einen Besuch abgestattet und mit ihnen besprochen, was möglich ist und was nicht. Denn das Gestalten eines Wappens muss nach strengen heraldischen Regeln erfolgen, muss diverse Kriterien erfüllen und von übergeordneten Behörden genehmigt werden.

Der Profi erläuterte vor Ort, welche Symbole in ein Wappen passen könnten, wie viele denkbar sind und wie eine mögliche Anordnung aussehen könnte. Die Gemeinderäte und Bürgermeister waren sich schnell einig, dass der Viadukt, die Leinenindustrie und die zwölf Wassermühlen, die der Ort einst hatte, im Wappen auftauchen sollten. Schwieriger war die Entscheidung, das Sächsische Krankenhaus mit aufzunehmen. Es prägt seit mehr als 100 Jahren den Ort, ist ein stabiler Arbeitgeber und sehr wichtig für Großschweidnitz, das war keine Frage.

Doch die Krankenhausgeschichte beinhaltet auch das dunkle Kapitel der sogenannten Euthanasie, als zwischen 1939 und 1944 mehr als 5 000 Menschen aufgrund nationalsozialistischer Ideologie umgebracht wurden. Will der Ort in seinem Wappen stets daran erinnert werden? Darüber waren sich die Gemeindevertreter anfangs nicht einig. Doch das Bewusstsein, dass das Krankenhaus im ganz überwiegenden Teil einen sehr guten und wichtigen Dienst leistet und den Ort absehbar auch weiterhin prägen wird, führte schließlich zu der Entscheidung, es mit aufzunehmen. Und so taucht nun auch der bekannte Äskulapstab, das Symbol für Medizin, das auf den Gott der Heilkunde Asklepios aus der griechischen Mythologie zurückgeht. Wappen-Profi Mantzsch legte den Großschweidnitzern darauf hin drei Entwürfe vor, unter denen sich die Ortsvertreter entscheiden konnten. Sie wählten eine sehr klare Aufteilung der einzelnen Symbole innerhalb des Wappens.

Bürgermeister Jons Anders (parteilos) verfügt in seinem Amt nun über zwei Stempel, die das Wappen zeigen: Einer beinhaltet nüchtern das Wappen, das in der täglichen Arbeit genutzt werden kann. Ein Stempel mit Schmuckrand wird festlicheren Anlässen oder dem Schmücken von Urkunden dienen. Auch Vereine dürfen nach Antrag beim Gemeinderat das Wappen führen – wenn dafür verbindliche Regelungen eingeführt sind.

Zum ersten Mal genutzt werden Fahne und Wappen an diesem Sonnabend beim Fest der Vereine, das ebenfalls Premiere feiert. Dabei sind für den Nachmittag verschiedene Wettkämpfe geplant, für deren Sieger die Gemeinde Urkunden vorbereitet hat. Sie werden das Wappen tragen. Und die Fahne wird am Sonnabend gegen 18 Uhr in einer feierlichen Zeremonie erstmals gehisst. Pfarrer Peter Pertzsch wird dabei sein, doch eine echte Fahnenweihe ist in der evangelischen Kirche nicht vorgesehen, bestätigt Matthias Oelke, Sprecher der sächsischen Landeskirche. Bei Weihen müsse immer der Mensch im Mittelpunkt stehen, nicht der Gegenstand, erläutert er.

Dass die Fahne blau-gelb ist, war wiederum von Anfang an klar: Großschweidnitz liegt in der Oberlausitz, und bekennt sich mit dieser Farbwahl auch dazu. Künftig wird die Fahne zu besonderen Anlässen am Gemeindeamt wehen – und zusammen mit dem Wappen für den Ort ein identitätsstiftendes Merkmal sein. In der heutigen schnelllebigen Zeit sei das wichtig, ist Bürgermeister Anders überzeugt. Das habe schon der Erfolg der wiedereingeführten lokalen Autokennzeichen gezeigt. Außerdem werde das Wappen Bestand haben, auch wenn die Gemeinde Großschweidnitz irgendwann einmal nicht mehr eigenständig sein wird. Dann werde es als Siegel zwar seine Rechtsgültigkeit verlieren, aber als Symbol weiterleben.

Doch eine solche Diskussion wird in Großschweidnitz derzeit nicht geführt, und Anders war auch zu seiner Wiederwahl im vorigen Jahr mit der Ankündigung angetreten, die Eigenständigkeit des Orts so lange wie möglich zu bewahren. Er will das Dorf auf andere Weise voran- und näher zueinander bringen: Mit dem Etablieren von Weihnachts- und Wochenmärkten, einer lebendigen Feuerwehr und guten Vereinsstrukturen. Auch das Fest an diesem Wochenende ist Ausdruck dieser Bemühungen – am Vorabend des Oberlausitztags.