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Eine Oase des Friedens

Die Teresa-Schwestern in Chemnitz betreiben eine Suppenküche und kümmern sie um die Armen.

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Von Ralf Hübner

Den 100. Geburtstag von Mutter Teresa am heutigen Tag feiern die vier Chemnitzer Schwestern ihres Ordens auf ihre Weise: 10 Uhr Heilige Messe mit Bischof Joachim Reinelt, danach Salate, Kaffee und Kuchen. Das Schwesternhaus bleibt zu – wie immer donnerstags. Aber die täglichen Gäste der Suppenküche sollen nicht zu kurz kommen. „Am Tauftag Teresas einen Tag später gibt es zu Mittag etwas Besonderes“, verspricht Oberin Pauline. 1983 kamen „Missionarinnen der Nächstenliebe“ nach Chemnitz, der einzigen Niederlassung des Ordens in Sachsen. Seither kümmern sich die Frauen in ihren weißen Saris um die Armen der Stadt.

1981 hatten sich Teresa-Schwestern im damaligen Ost-Berlin in der DDR niedergelassen. Der junge Kaplan Bernhard Gaar aus Chemnitz, das damals noch Karl-Marx-Stadt hieß, war begeistert. Von den Schwestern ermutigt drängte er seinen Bischof, die Ordensmutter im fernen Kalkutta (Indien) in einem Brief zu bitten, sich auch in Karl-Marx- Stadt anzusiedeln. 1982 kam es eher zufällig zu einem Treffen in Rom. „Mutter Teresa musste lächeln, als sie den Namen der Stadt hörte und ließ sich den Ort auf der Landkarte zeigen“ erinnert sich Gaar, der jetzt Pfarrer einer Dresdner Gemeinde ist. „Dann stimmte sie zu.“

Zu DDR-Zeiten sah Mutter Teresa höchstpersönlich dort nach dem Rechten – 1984 und 1988. Die Schwestern kümmerten sich, von den Behörden misstrauisch beäugt, vor allem um Alte und Alleingelassene, erledigten Einkäufe, putzten, nahmen Kranke und Sterbende bei sich auf. Mitte der 90-er Jahre wurde eine renoviert Gründerzeitvilla in Bahnhofsnähe zur neuen Adresse der Schwestern. Hinter der hellgelben Fassade gibt es seitdem auch saubere Schlafplätze für Obdachlose, eine Kleiderkammer und die Suppenküche.

Wochentags steht meist Eintopf auf dem Speiseplan – Linsen, Gemüse, Nudeln. „Sonntags gibt es ein richtig gutes Feiertagsessen“, versichert die Oberin. „Oft Gulasch oder aber auch Frikadellen.“ Alles gespendet. „Gott ist unser Finanzminister.“ Die Oberin hat auf ihren Stationen in der Welt viel Not gesehen. „Die Armut hier ist oft viel schlimmer, mit einem Teller Suppe ist es nicht getan.“ Einige der Hilfesuchenden hätten auch seelisch viel durchgemacht. „Die Menschen sind innerlich zerrissen. Ihnen fehlt der innere Halt, das Gefühl für den eigenen Wert.“

Eine Art Ersatzfamilie

Mit Worten versuchen die Schwestern, die Menschen aufzurichten. Ein Mal in der Woche kommt eine Sozialarbeiterin, berät bei Schulden oder Wohnungssuche. Viele der täglich 30 bis 60 Menschen kommen regelmäßig und sind schon Stunden da, bevor die Suppenküche öffnet. Dann werde es eng an den schlichten Tischen im Erdgeschoss des Hauses. „Für viele ist das hier eine Ersatzfamilie, sie finden hier sozialen Kontakt.“ Das Haus der Teresa-Schwestern solle „eine Oase des Friedens“ sein. So können unter anderem auch Frauen, die in der Familie Probleme haben, kurzzeitig bei den Schwestern unterschlüpfen.

Zwar sind die wenigsten, die kommen, auch gläubig. Aber vor dem Essen wird gebetet, unter Heiligenbildern und Bibelsprüchen an den Wänden. „Wir hoffen schon, dass sich Leute auch mal fragen, warum wir das eigentlich alles machen“, sagt Paulina. Zwei der Schwestern, die derzeit in Chemnitz Dienst tun, kommen aus Indien, je eine aus Deutschland und Kroatien. Im Haus gibt es weder Fernseher noch Radio, Computer, Handy oder Waschmaschine. Der Tagesablauf ist klar geregelt: Acht Stunden arbeiten, vier Stunden beten. Die erste Gebetsstunde beginnt schon früh um fünf Uhr. 22 Uhr ist Nachtruhe.

Die 55-jährige Oberin Pauline fühlte sich im Alter von etwa 20 Jahren für den Ordensdienst berufen. Sie brach ihr Medizinstudium ab und trat vor 31 Jahren den Teresa-Schwestern bei – zur Überraschung ihrer Eltern, wie sie mit einem Lächeln erzählt. „Man sollte auf die innere Stimme hören – und dann auch tun.“ An dem Orden habe sie neben der tiefen Geistlichkeit die „radikale Armut“ gereizt. „Das habe ich gesucht. Fast alle meine Sachen passen in einen Bananen-Karton.“ (dpa)