Von Jana Ulbrich
Rammenau. War der aber reich! Die Kinder staunen mit offenen Mündern: so viel Prunk und Pracht und Gold. Die Kammerzofe lächelt wissend. „Wenn ihr wüsstet“, verrät Ramona Hänchen den Kindern hinter vorgehaltener Hand: Einiges ist nämlich gar nicht echt! Sie zeigt den Kindern Fenster, die gar keine sind, und aufgemalte Säulen und Türen, die täuschend echt aussehen.
Wenn Sie schon in der Nähe sind...
Und so reich, dass es gereicht hätte, war Ernst-Ferdinand von Knoch, der feine Schlossherr, scheinbar auch nicht. Auf großem Fuß und Pump hat der Kammerherr von August, dem berühmten Starken, hier wohl gelebt. Und still und heimlich hat er sich verdrückt, als ihm eines Tages die Schulden über den Kopf gewachsen sind. Über Nacht einfach weg, der erste Herr Schlossbesitzer.
Den Rammenauern kann sein Verschwinden aber ziemlich egal gewesen sein. Hat er das prunkvolle Barockschloss mit all dem herrlichen Inventar ja dalassen müssen – ein Ensemble mit herrlichem Schlosspark und großem Wirtschaftshof, das heute als einzige komplett erhaltene Rittergutsanlage Sachsens gilt. Für Ramona Hänchen ist sie der schönste Arbeitsplatz der Welt. „Eine Traumkulisse für einen Traumjob“, schwärmt die 46-Jährige. Seit 16 Jahren arbeitet sie in diesem Schloss, hat das schrittweise Restaurieren und das Wiederentstehen der barocken Anlage nahezu von Anfang an miterlebt. Am Leben im Barock lässt die Museumspädagogin heute Kinder teilhaben. Ihre altersgerechten Führungen als Kammerzofe sind ein echter Geheimtipp.
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So viele spannende Geschichten! Die Kinder kommen aus dem Staunen gar nicht heraus. Wie richtige Prinzessinnen und Prinzen schreiten sie mit erhobenen Häuptern übern roten Teppich, lugen in alle Zimmer, spiegeln sich in allen Spiegeln, bestaunen die schönen Statuen und die prunkvollen Bildertapeten und wagen schließlich sogar ein Tänzchen bei Hofe.
Die Kammerzofe im grünen Leinenkleid und strahlend weißer Sonntagsschürze ist den jungen Herrschaften zu Diensten. Weil sich der feine Herr von Knoch ja verduftet hat, dürfen sich heute die Besucher als Schlossherren fühlen. Die Kinder tun das mit größter Freude. Obwohl das Leben bei Hofe im 18. Jahrhundert beileibe nicht nur Zuckerschlecken war. Das wissen die Kinder nämlich nach so einer Schlossführung. Die Kammerzofe kennt sich zum Glück sehr gut aus im Leben der feinen Damen und Herren. Und sie plaudert gern aus dem Nähkästchen.
Wassersuppe fürs Gesinde
Mehlsuppe hat er zum Frühstück gegessen, der Herr Ernst-Ferdinand von Knoch, und zu Mittag gebratenen Karpfen aus dem Schlossteich oder glasierte Rehkeule mit doppelt geräuchertem Speck. Fürs Gesinde gab’s Wassersuppe und höchstens am Sonntag mal Eingebrocktes mit Schlickermilch. Die dickliche Sauermilch kennt heute kaum noch jemand. „Aber mit braunem Rübensirup ist sie sehr lecker“, weiß Ramona Hänchen. Wer möchte, kann die Schlickermilch gern selbst probieren – und auch alles andere, was bei Herrschaft und Volk dazumal auf die Tische kam. Schloss- und Gesindeküche kredenzen den Gästen die alten Gerichte heute wieder.
Die Kinder sind inzwischen in den Schlafgemächern angelangt. Die Betten waren damals voller Wanzen, Läuse und Flöhe. Die teuren Perücken der feinen Damen und Herren ebenfalls. Und wie teuer die waren: 1 000 Taler hat so eine Perücke gekostet – für das Geld hätte man auch 125 schlachtreife Kühe kaufen können. Die Kinder schütteln ungläubig die Köpfe. Gewaschen haben sich die hohen Herrschaften übrigens auch nicht. Sie haben sich immer nur gepudert. Igitt!
Im großen Spiegelsaal ist die Pracht am prächtigsten. Der riesige Kronleuchter wiegt 600 Kilogramm. Rundherum echtes Blattgold! Seit 1910 hat der Leuchter Stromanschluss. Als Ernst-Ferdinand von Knoch hier getanzt hat, brannten überall noch Kerzen. Nicht ganz ungefährlich, wissen die Kinder. Im Spiegelsaal üben sie Knicks und Diener. So hat man das damals gemacht. Und wie war das gleich noch mit der geheimen Verständigung? Seinerzeit konnten sich die Verliebten ja nicht einfach mal schnell per Whatsapp verabreden. Gut, dass die Kammerzofe so gut Bescheid weiß über ihre Herrschaft. Da kann sie den Kindern jetzt die Fächer-Zeichensprache der Damen erklären.
Hautnah Geschichte erlebt
Vom Herren- und vom Damensalon geht’s ins Teufelszimmer. Beim Anblick des splitterfasernackten Fauns, der hier mitten auf dem Tische tanzt, amüsieren die Kinder sich köstlich. Die Kammerzofe schmunzelt. Alles, was sich die Menschen damals nicht erklären konnten, haben sie solchen Fabelwesen zugeschrieben – oder eben auch dem Teufel, erklärt sie den Kindern. Die scheinen auch nach anderthalb Stunden Führung nicht schlossmüde zu sein. „Wenn ein Kind ein Stück Heimatgeschichte so hautnah und lebendig erleben kann, dann bleibt doch viel mehr im Gedächtnis als von einer Unterrichtsstunde im Klassenzimmer“, sagt Ramona Hänchen. Deshalb haben Kinder ja sogar in den Ferien Lust auf ihre Führungen.
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