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Endstation für Kaninchen

Viele Züchter haben ihre Tiere durch einen Virus verloren. Die Kadaver landen in Lenz. Manche auch illegal woanders.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Catharina Karlshaus und Tina Soltysiak

Region Döbeln. Sylvia Schäfer leidet doppelt. Die Geschäftsführerin der Tierkörperbeseitigungsanstalt (TBA) Lenz hat in den vergangenen Wochen Hunderte von toten Kaninchen in der Annahmestelle des Unternehmens gesehen. Tiere, wie sie Sylvia Schäfer seit vielen Jahren auch selbst im Radeburger Verein züchtet. „Es ist wirklich bitter für mich, denn ich weiß, wie viel Zeit und vor allem Herzblut ein Züchter investiert“, sagte Sylvia Schäfer.

Der Grund für das gehäufte Sterben der Kaninchen: die sogenannte Chinaseuche, Typ 2 oder RHD 2. Hohes Fieber, Apathie, Atemnot, Herz- und Lungenbeschwerden, Blutungen und Appetitlosigkeit – die Anzeichen sind vielfältig und treten manchmal innerhalb von kürzester Zeit auf. Meist endet die Krankheit für die Tiere nach 24 bis 72 Stunden tödlich.

Infizierte Langohren, die dann in Lenz entsorgt werden müssen. Fünf Cent pro Kilogramm, so TBA-Chefin Sylvia Schäfer, koste die letzte Reise der Kaninchen. Ein vergleichsweise günstiger Preis, der vor allem eines garantiert: Die infektiöse Erkrankung – erstmals in den 1980er Jahren in China aufgetreten – nicht weiterzutragen.

Bußgeld von bis zu 3 000 Euro

„Das Schlimmste, was betroffene Kaninchenhalter tun können, ist, die toten Tiere auf das Feld oder in den Wald zu bringen“, so Hans-Jörg Klaue, Amtstierarzt im Landkreis Meißen. Er ist zuständig, weil die Tierkörperbeseitigungsanstalt in der Nähe von Großenhain steht. Doch auch für den Landkreis Mittelsachsen ist die TBA wichtig. Denn Tiere, die in den Altkreisen Döbeln, Freiberg und Mittweida sterben – egal auf welche Art und Weise –, werden zur Entsorgung nach Lenz gebracht, erklärte Kreissprecher André Kaiser. Das gilt demzufolge nicht nur für verstorbene Kaninchen, sondern beispielsweise auch für Schlachtabfälle, ergänzte er.

Werden die toten Tiere einfach in die Natur oder auf den heimischen Kompost geworfen, können sich die Keime weiter ausbreiten – zum Beispiel durch Insekten, die sich gern auf die infizierten Kadaver setzen. Diese Form der Entsorgung ist zudem illegal. Wer erwischt wird, muss unter Umständen tief in die Tasche greifen: Die unerlaubte Ablagerung von Tierkadavern kostet laut der sächsischen Bußgeldverordnung je nach Gewicht zwischen 25 und 3 000 Euro.

Problematisch außerdem: Die Chinaseuche ist keine meldepflichtige Erkrankung, heißt es vonseiten des mittelsächsischen Landratsamtes. Man müsse sich darauf verlassen, dass die Halter der Tiere verantwortungsbewusst handeln.

Gegen den Typ 2 gibt es bislang keinen eigenen Impfstoff, gegen den Ursprungs-typ schon. Damit könne laut Tierarzt Dr. Bernd Schurig zumindest die Gefahr der Übertragung und des Ausbruchs der Krankheit minimiert werden. Praktisch bedeutet das: die zweimalige Impfung der Tiere im Abstand von drei Wochen und die Einhaltung einer Auffrischung nach einem halben Jahr. Amtstierarzt Hans-Jörg Klaue ergänzte: Nicht zu vergessen sei ein aufrichtiges Wort unter den Züchtern, dass gerade eines der eigenen Tiere auffällige Symptome zeigt. Bei den Mitgliedern des Rassekaninchenzuchtvereins S 837 Döbeln-Pommlitz ist das der Fall: „Unsere Vereinsschau am 19. November musste leider aufgrund der RHD2-Fälle in drei unserer Zuchtställe abgesagt werden“, sagte Zuchtwart Peter Perlitius. Nachweise der Seuche habe es in Mockritz, Gärtitz und an der Oschatzer Straße gegeben. Dass die Erkrankung ausbrechen konnte, sei den fehlenden Impfungen geschuldet. „Nur in vier Zuchtställen wurden Vorkehrungen getroffen, in den übrigen 13 nicht“, erklärte er.

Einige Züchter schicken Gewebeproben ihrer toten Tiere an das Friedrich-Loeffler-Institut (FTI). Wird der Virus festgestellt, wird der Befund in einer Datenbank erfasst. Derzufolge hat sich die Zahl der Fälle gegenüber 2015 mehr als verdoppelt. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher. Das FTI registriert bundesweit eine weitere Zunahme der mit RHDV-2 infizierten Tiere.