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Energiefabrik wird Teil des Görlitzer Jugendzentrums

Seit voriger Woche steht der Betreiber für das Werk I fest. Er plant Werkstätten, Büros, Spiele und einen Konzertsaal.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Nach dem Stadtratsbeschluss haben Christian Thomas, Robert Gröschel, Oliver Drahim und ihre Mitstreiter vom Second-Attempt-Verein vorigen Donnerstag erst einmal bis spät in die Nacht gefeiert. „Dass wir den Zuschlag für die Betreibung des Jugend- und Soziokulturellen Zentrums erhalten haben, ist ein großer Vertrauensvorschuss“, sagt Christian Thomas. Zumal das Abstimmungsergebnis eindeutig war: 27 Räte von CDU bis Linkspartei stimmten fraktionsübergreifend dafür, nur acht dagegen. Über vier Jahre nach den ersten Gesprächen wird das Zentrum damit konkret.

Doch auch zeitlich, räumlich, inhaltlich, personell und finanziell hat der Verein inzwischen recht genaue Vorstellungen. „Die müssen wir als Nächstes mit der Stadt und dem Planungsbüro abstimmen“, sagt Christian Thomas, der eine Teilzeitstelle beim Verein hat. Schon am 15. März soll es das nächste Treffen aller drei Partner geben. Der Verein rechnet damit, dass 2016 für die Raumplanung gebraucht wird, 2017 Baubeginn ist und 2018 zumindest die Teileröffnung. Was fertig ist, soll genutzt werden, um schon einige Inhalte umzusetzen. „Komplett fertig sein wird das Zentrum nie“, sagt der 25-Jährige: „Wir verstehen es als Baustelle, auf der immer wieder Veränderungen möglich sind, um stets auf die Bedürfnisse der Nutzer einzugehen.“ Und Nutzer sollen alle Generationen sein.

Räumlich wird es eine Dreiteilung geben. Zum einen ist da das frühere Wohn- und Bürogebäude an der Hilgerstraße. Es hat drei Etagen, mit Keller und Dachgeschoss sogar fünf. Hier lassen sich vor allem Werkstätten, Büros und Seminarräume unterbringen. Die angrenzende frühere Waggonbau-Furnierhalle hingegen soll einen Veranstaltungssaal mit 300 Stehplätzen, Bar, Backstage-Bereich und Techniklager erhalten. Und dann ist da noch die Energiefabrik – die einstige Hefefabrik – an der Bautzener Straße, die der Verein schon seit 2014 nutzt und die über ein großes Außengelände verfügt. Sie ist in privater Hand, während das Werk I städtisch ist.

„An den Besitzverhältnissen wird sich nichts ändern, aber für die Nutzer sollen beide Gelände zu einem verschmelzen“, sagt Christian Thomas. Alles, was seit 2014 in der Energiefabrik entstanden ist, soll seinen Platz behalten – mit Ausnahme des Second-Attempt-Büros, das später ins Werk I umzieht. Wenn das Werk I irgendwann zu klein wird, gebe es in der Energiefabrik noch jede Menge Erweiterungsraum. Zudem bietet die Trennung zwischen einem kommunalen und einen privatwirtschaftlichen Teil auch die Möglichkeit, unterschiedliche Fördermittel zu nutzen.

Inhaltlich spricht Christian Thomas von drei Modulen. Das Erste nennt er „Aktivieren“. Geplant ist drinnen und draußen ein offenes Nachmittagsprogramm für Jugendliche mit Tischkicker, Billard und vielen weiteren Angeboten, außerdem offene Werkstätten, die sowohl im Rahmen der schulischen Ganztagesangebote als auch individuell am Nachmittag nutzbar sind. Hier können Jugendliche basteln, bauen und reparieren. Auch ein Kulturprogramm für alle Generationen mit Konzerten, Ausstellungen, Partys, Theater und Lesungen gehört bereits zum ersten Modul.

Das Zweite heißt „Beteiligen und Befähigen“ und umfasst einerseits Projekte, die jetzt schon unter dem Dach des Vereins laufen und künftig hier Räume erhalten sollen, darunter das Campus Open Air, Zukunftsvisionen und das A-Team, andererseits auch neue Projekte aus allen Generationen, die die Infrastruktur im Werk I nutzen können. Auch Gesprächsrunden über Stadtgestaltung und die Angebote im Zentrum gehören zum zweiten Modul.

Wenn das Engagement einmal geweckt ist, soll es sich im dritten Modul „Verstetigen“. Dann können Vereine, aber auch Existenzgründer aus der Kultur- und Kreativwirtschaft hier Büros, Werkstätten und Seminarräume für eigene Aktivitäten anmieten. Auch die Bürgerräte der Innenstadt, vielleicht sogar die Görlitzer Senioren-, Behinderten- und Asylbeauftragten können dann hier Räume bekommen für ihre Sprechstunden oder für Workshops.

Diese drei Module sollen nicht nacheinander ablaufen, sondern zunehmend auch parallel. Keines muss irgendwann enden. Damit alles läuft, plant der Verein mit mehreren Festangestellten. Aktuell hat er drei Teilzeitstellen, die über Projektmittel finanziert werden. Neben Christian Thomas (25) sind das Margarete Kozaczka (31) und Karolin Lorenz (24). Unterstützung erhalten sie vom Bundesfreiwilligendienstleistenden Robert Gröschel (24), der hier künftig auch eine feste Stelle erhalten soll, sowie von den Praktikanten Oliver Drahim (28) und Jessica Züchner (21), die beide noch Studenten sind. In dieser Größenordnung soll es auch künftig laufen.

Finanziell hat der Stadtratsbeschluss die Richtung schon vorgegeben. Wenn das Zentrum komplett geöffnet ist, wird der kommunale Zuschuss bei 140 000 Euro im Jahr liegen. „Das ist ungefähr ein Viertel unseres Budgets“, sagt Christian Thomas. Etwa 30 Prozent will der Verein als Eigenmittel selbst erwirtschaften, die anderen rund 45 Prozent sollen als Drittmittel aus verschiedenen Quellen kommen, darunter vom Kulturraum, mit dem der Verein schon im Kontakt steht. „Das wird ein offener Abstimmungsprozess“, sagt Christian Thomas. Er ist sehr optimistisch, dass die Gespräche gut vorankommen.