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„Es ist gut, dass man sich damit verteidigen kann“

Seit 2015 gibt es den Judo- und Sportverein Pirna-Copitz. Nun feiert er schon erste Erfolge.

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© Stephan Klingbeil

Von Stephan Klingbeil

Pirna. Nach der Begrüßung schließen die Judokas kurz die Augen, gehen in sich. Das soll gut sein für die Konzentration. Dann betreten die beiden Viertklässlerinnen Elisa und Leonie die blau-rote Wettkampfmatte und legen los. Ein Wurf folgt auf den nächsten, hier in der Sporthalle des Beruflichen Schulzentrums in Pirna-Copitz.

Heike und Uwe Fuhrmann aus Copitz leiten nicht nur an mehreren Wochentagen das Training in den Judo- und Sportgruppen für Kinder und Erwachsene. Das Paar stellt auch zwei der drei Mitglieder des Vereinsvorstands.
Heike und Uwe Fuhrmann aus Copitz leiten nicht nur an mehreren Wochentagen das Training in den Judo- und Sportgruppen für Kinder und Erwachsene. Das Paar stellt auch zwei der drei Mitglieder des Vereinsvorstands. © Stephan Klingbeil
Elisa aus Lohmen (l.) und Leonie aus Gohrisch trainieren beim JSV in der Sporthalle des BSZ in Pirna-Copitz.
Elisa aus Lohmen (l.) und Leonie aus Gohrisch trainieren beim JSV in der Sporthalle des BSZ in Pirna-Copitz. © Stephan Klingbeil

Dann erst einmal eine Verschnaufpause. „Es ist gut, dass man sich damit verteidigen kann und Würfe lernt“, sagt die zehnjährige Leonie aus Gohrisch. Ehe sie vor anderthalb Jahren beim Judo und Sportverein Pirna-Copitz begann, war sie mal bei einem anderen Selbstverteidigungskurs. „Judo macht mir mehr Spaß“, erklärt sie. Ihre gleichaltrige Trainingspartnerin Elisa ist indes schon seit fast zwei Jahren dabei. Die Lohmenerin erfuhr über einen Flyer in ihrer Schule von dem Vereinsangebot. Ihr kleiner Bruder ist auch schon mit dabei. Er macht sich gut und darf deshalb schon bei den älteren Grundschülern mittrainieren.

„Als wir vor zwei Jahren den Verein gegründet haben, waren fünf Kinder beim Training, jetzt sind es schon 55 Mitglieder im Verein“, erklärt Heike Fuhrmann vom Vorstand des JSV. „Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass das hier so boomt.“

Nachfrage weiter groß

Inzwischen gibt es in dem Verein Judogruppen für drei Altersklassen. Die Nachfrage ist ungebrochen. Die Vereinsmitglieder kommen meist aus Pirna, aber viele sind auch aus der Umgebung. Beim Kindersport für Drei- bis Siebenjährige spielen, springen und klettern die Mädchen und Jungen, sie werfen den Ball und können sich auch mal anschauen, was die jungen Judoka nebenan für Übungen machen. Meist sind das ihre älteren Geschwister.

Die Erwachsenensportgruppe entstand nach Anfragen von Eltern, die ihre Kinder ohnehin mit zum Training ins BSZ begleiten. „Wir machen hier Verschiedenes. Es geht vor allem um den Spaß am Sport und der Bewegung“, erklärt Heike Fuhrmann.

Es gebe auch mehrere Aktivitäten außerhalb der Halle, man radelt zusammen, man grillt, man trifft sich mit der ganzen Familie. Die 46-jährige Copitzerin ist Trainerin für die Kinder- und Erwachsenengruppe, sowie Schatzmeisterin des Vereins. Mit ihrem Mann Uwe Fuhrmann, dem Judocoach und Vereinsvorsitzenden, und mit der Unterstützung mehrerer Eltern hatten sie den JSV im Juni 2015 gegründet. Die Idee, einen eigenen Verein zu gründen, entstand aus einem Ganztagsangebot der Copitzer Diesterweg-Grundschule heraus.

Der aus Heidenau stammende Altenpfleger Uwe Fuhrmann hatte damals eigentlich schon als Trainer pausiert. Trotz Lizenz bot sich nicht der passende Verein für ihn. Dann gab es 2012 die Anfrage an ihn, das Ganztagsangebot an der Schule seiner Tochter anzubieten. Er nahm an.

Doch diesen Judokurs für Anfänger konnten die Grundschüler immer nur jeweils für ein Schuljahr wahrnehmen. Die Kinder wollten aber weitermachen. Um das zu gewährleisten, wurde der JSV gegründet. Doch wo sollten die Kinder trainieren? In Fuhrmanns Arbeitsumfeld wurde der Pirnaer Pflegedienst Falkowski auf die Judokurse aufmerksam. Er stellte einen seiner Physiotherapie-Räume für das Training zur Verfügung. Da die Nachfrage aber stieg und der Platz dort immer knapper wurde, musste eine zusätzliche Übungsstätte her. Seit rund einem Jahr trainieren die Judoka des Klubs daher an drei bis vier Tagen in der Sporthalle des BSZ in Copitz.

Der junge Verein, der aufgrund von begrenzten Zeit- und Trainerkapazitäten vorerst weiterhin nur Judo und die beiden Sportgruppen für Bambini und Erwachsene anbieten kann, befindet sich zwar noch im Aufbau. Doch erste sportliche Erfolge haben sich schon eingestellt. Bei den Landesjugendspielen in diesem Juni gewannen so etwa die beiden zwölfjährigen Elisa Maria Pöschel aus Pratzschwitz und Max Görner aus Copitz beide jeweils Bronze in ihrer Gewichstklasse. „Eines unsere nächsten Ziele ist es, uns über Erfolge bei Regionalmeisterschaften für die Mitteldeutschen Titelkämpfe zu qualifizieren“, erklärt Uwe Fuhrmann. Aktuell nehmen die JSV-Sportler jährlich an vier Wettkämpfen teil.

Darüber hinaus integriert der Verein junge Menschen mit sogenannten Verhaltensstörungen. „Sie sind hier zunächst wild und unkonzentriert, aber wir probieren es zumindest. Mehr als schiefgehen kann das nicht“, sagt Fuhrmann. Er freut sich, wenn sie sich Mühe geben. „Sie machen Fortschritte, da staunt man immer wieder.“ Vor allem brauche es Geduld. „Die habe ich auf jeden Fall“, schmunzelt der Altenpfleger.

Auch Erwachsene Judoka

Doch nicht nur Kinder oder Jugendliche können sich beim JSV im Judo versuchen. „Wir haben schon fünf Erwachsene dabei, weitere sind willkommen“, sagt der 38-jährige Fuhrmann. Seine Frau hat der Träger des ersten und höchsten Kyu schon überzeugen können: „Man kann jederzeit mit Judo anfangen, auch im reiferen Alter.“ In Kürze kommt zum Beispiel ein 52 Jahre alter Familienvater hinzu, der ein Probetraining zum Geburtstag „als Geschenk“ bekommen hat.

Der karateerfahrene Fuhrmann hat relativ spät mit dieser beliebten japanischen Kampfsportart begonnen: mit 14 Jahren, zusammen mit einem Schulkumpel. 2018 will er den schwarzen Gürtel (Dan) packen: „Ich hoffe, ich schaffe es zeitlich.“

Er sagt, das Wichtigste beim Judo sei die Fallschule. Wer lernt, richtig zu fallen, verletzt sich nicht. Und der Aspekt der Selbstverteidigung sei auch nicht unwichtig.

Er selbst musste seine Techniken schon auf der Straße anwenden. „Vor rund zehn Jahren wollte mich ein Mann beim Dresdner Striezelmarkt beklauen, er hat mich bedroht“, so der Copitzer. Nachdem er ihn gewarnt habe, dass er Judo kann, wurde er trotzdem attackiert. Fuhrmann wehrte sich, brach dem Angreifer den Arm. „Der Typ wollte mich deshalb anzeigen, später zog er die Anzeige bei der Polizei zurück“.

Mehr solcher Vorfälle habe er nicht erlebt. Und inzwischen gibt er sein Wissen an seine Judo-Schüler weiter. Dafür sind sie im JSV sehr dankbar. Für sein Engagement wurde Fuhrmann 2016 bereits den Ehrenamtspreis der Kreissportbunds geehrt.