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„Es sieht nicht schön aus, ist aber keine Katastrophe“

Alles braun an den Kastanien in Reichenberg. Seit 20 Jahren ist die Miniermotte in Sachsen. Was sind die Folgen und was hilft gegen den Befall der Bäume?

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© Norbert Millauer

Moritzburg. Auf den Kastanien an der denkmalgeschützten Allee zwischen Reichenberg und Moritzburg gibt es kaum noch ein grünes Blatt. Viele sind schon abgefallen, die anderen hängen braun und vertrocknet an den Ästen. Schuld daran ist die Kastanien-Miniermotte. Diese stammt ursprünglich aus südlicheren Gefilden, hat sich aber seit Ende der 1990er-Jahren in Sachsen stark verbreitet. Die SZ sprach dazu mit Dr. Alfred Trapp, Referent für Pflanzenschutz im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie.

Herr Dr. Trapp, als vor etwa 20 Jahren die ersten Kastanienminiermotten in Sachsen auftauchten, gab es auch die Hoffnung, auf biologischem Weg etwas gegen die Motte unternehmen zu können. Was ist daraus geworden?

Nach der Einwanderung der Kastanienminiermotte wurden umfangreiche Forschungen zu ihrer Biologie und Möglichkeiten der Bekämpfung durchgeführt. Die Bekämpfung eines Insektes mit mehreren Generationen, die Kastanienminiermotte hat hier drei Generationen, ist immer schwierig. Große Hoffnungen wurden auf einheimische, natürliche Gegenspieler wie Parasiten und Räuber gesetzt. Es wurde eine ganze Reihe von Insekten, welche die Kastanienminiermotte parasitieren, gefunden. Sie tun dies aber nur in sehr geringem Maße. Die natürliche Parasitierungsrate – also welcher Anteil von Miniermotten von Parasiten befallen und damit letztlich auch abgetötet wird – lag bei dem am häufigsten vorkommenden Parasiten in den Untersuchungen weit unter zehn Prozent. Für einen spürbaren Einfluss auf die Populationsentwicklung sind aber Raten von über 80 Prozent notwendig. Nach über 20 Jahren Vorkommen der Kastanienminiermotte ist eine Steigerung der Wirkung der natürlichen Gegenspieler durch weitere Anpassung nicht zu erwarten.

Wurde noch nach anderen Möglichkeiten gesucht, um die Motte auf andere Weise zu minimieren?

Im Referat Pflanzenschutz wurden Untersuchungen zur Wirksamkeit von Meisen bei der Dezimierung der Kastanienminiermotte durchgeführt. Während der Zeit der Fütterung der Jungvögel wurden an Bäumen mit Nistkäsen und den Nachbarbäumen vermehrt geöffnete Minen ohne Raupen festgestellt, was wir der Tätigkeit der Meisen zugeschrieben haben. Nach dem Ende der Brut verlassen die Meisen die Kastanien und es wurden keine geöffneten Minen mehr beobachtet. Die Wirksamkeit der Meisen bei der Dezimierung der Motte hängt stark vom zeitlichen Zusammentreffen des Vorkommens der Raupen in den Minen und der Fütterungszeit der Meisen ab. Bei oft nur einer Meisenbrut im Jahr und drei Miniermottengenerationen kann die Wirkung der Meisen nur sehr eingeschränkt bis nicht spürbar sein, da die Hauptvermehrung der Miniermotten erst nach der Meisenbrutzeit stattfindet. Unterschiede im Befallsverlauf und der Befallsstärke zwischen den Jahren haben ihre Hauptursache im Witterungsverlauf.

Gibt es also keine Möglichkeit, etwas gegen den Befall der Kastanien durch die Miniermotte zu tun?

Als eine wirkungsvolle Maßnahme zur Dezimierung hat sich die Beseitigung des Falllaubes mit den darin überwinternden Puppen der Kastanienminiermotte erwiesen. Dies muss sehr gründlich erfolgen, denn für eine Wiederbesiedelung der Kastanien im Folgejahr reichen Bruchstücke von Blättern aus, wenn sich darin Puppen befinden. In einem stark befallenen Blatt können sich mehr als zehn Puppen befinden. Allerdings werden selbst bei größter Gründlichkeit bei der Laubentfernung Puppen für eine Neubesiedelung im Folgejahr verbleiben oder es erfolgt eine Wiederbesiedelung durch den Zuflug der Falter.

Bei Alleen ist das gründliche Laubeinsammeln kaum praktikabel. Zudem droht, wie Sie sagen, bei Insellösungen ja auch immer wieder ein neuer Befall durch neu zufliegende Motten. In welchen Fällen ist ein Vorgehen gegen die Kastanienminiermotte daher überhaupt sinnvoll?

Bei Bäumen, bei denen der Schmuckwert im Vordergrund steht und wo Laubfall im August stört. Jungbäume sollten in den ersten Jahren auch geschützt werden.

Gibt es noch eine weitere Möglichkeit im Kampf gegen die Kastanienminiermotte?

Die gab es mit dem biologische Insektizid NeemAzal T/S. Das hatte in der 2012 abgelaufenen Zulassung eine Indikation gegen Kastanienminiermotten. Die gegenwärtige Zulassung enthält diese Anwendungsmöglichkeit aber nicht mehr.

Nach zwei Jahrzehnten des Auftretens der Kastanienminiermotte in Sachsen stellt sich die Frage nach der Schadwirkung dieses Insektes für die befallenen Bäume.

Der eingeschränkte Schmuckwert der Bäume ist offensichtlich. Ein massenhaftes Absterben von Bäumen, welche bereits im August entlaubt sind und wieder austreiben und sogar blühen, wie jetzt an der Kastanienallee zwischen Reichenberg und Moritzburg oder auch zwischen Oberpoyritz und Graupa zu beobachten, trat nicht auf. Vom Wiederaustrieb sind etwa nur fünf Prozent der Knospen betroffen. Diese verbrauchen dafür nicht die letzten Reserven. Massenhaftes Absterben von Kastanien, wie in der Kastanienallee zwischen Pillnitz und Oberpoyritz, hat andere Ursachen.

Die Rosskastanien bleiben uns also auch künftig in Sachsen erhalten?

Ja, auf jeden Fall. Wir müssen zwar damit leben, dass die Bäume schon im Sommer beginnend nicht mehr so schön aussehen, aber eine Katastrophe ist das nicht. Die Befürchtungen von vor 20 Jahren, dass der Befall durch die Kastanienminiermotte zu einem massenhaften Baumsterben führen könnte, haben sich glücklicherweise nicht bestätigt.

Gespräch: Sven Görner