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Expandieren die Muslimbrüder von Pirna aus?

Sachsens und nun auch Brandenburgs Verfassungsschutz warnen vor einer islamischen Gemeinschaft in Copitz.

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© Archiv: Kristin Richter

Von Thomas Möckel

Pirna. Anwohner beobachten das weiße Haus an der Brückmühle in Pirna-Copitz zunehmend mit Argwohn. Denn das, was vor nicht allzu langer Zeit als nach außen offene Begegnungsstätte angepriesen wurde, entspricht offenbar nicht dieser Beschreibung. An den meisten Tagen, so schildert es ein Nachbar, der anonym bleiben möchte, sei es recht ruhig an dem Gebäude, das auch als Gebetsstätte dient. Nur zum Freitagsgebet strömen viele vor allem junge Männer in den flachen Anbau, der zur Wesenitz hin zeigt. Frauen und Kinder, so der Anwohner, sehe man selten bis nie. Kontakte von den Besuchern zur heimischen Nachbarschaft gebe es faktisch keine.

Selbst die Betreiber räumen inzwischen die kargen Beziehungen ein. Das Unternehmen „Sächsische Begegnungsstätte“ (SBS), eine von Muslimen gegründete gemeinnützige Gesellschaft, hatte das Haus an der Brückmühle 2016 gekauft. Laut SBS-Chef Dr. Saad Elgazar wollte der neue Eigentümer in der früheren Schulungsstätte ein multikulturelles Begegnungszentrum etablieren. Doch die Sache kam bislang nicht ins Laufen, geplante Veranstaltungen fanden nicht statt. Und Fragen danach, was sich tatsächlich im Innern des Hauses abspiele, wich Elgazar stets aus.

Dass das Pirnaer Begegnungszentrum noch keine nennenswerten Aktivitäten entfaltet hat, begründet SBS-Sprecher Dr. Muhammed Ronald Wellenreuther damit, dass es der Pirnaer Gemeinde an Personal mit interkultureller Kompetenz mangele. Wenn überhaupt, müsste die SBS angedachte Aktionen in Pirna personell von Dresden aus stemmen, was aber aus Zeitgründen nicht infrage komme. Zudem müsste laut Wellenreuther für Workshops und größere Veranstaltungen baulich etwas am Haus gemacht werden, für Sanierungsprojekte fehle aber das Geld. Man habe, so der Sprecher, im Gegensatz zu den Behauptungen des sächsischen Verfassungsschutzes auch keine Muslimbruderschaft als generösen Geldgeber.

Radikal-islamistische Strukturen

Das aber sehen sächsische Verfassungsschützer ganz anders. Sie haben die SBS schon seit geraumer Zeit im Visier. Die Gesellschaft steht im Verdacht, für die Muslimbruderschaft (MB) und für den Verein „Islamische Gemeinschaft in Deutschland“ (IGD) Strukturen aufzubauen, damit diese eine Monopolstellung über muslimische Gebetsstätten in Sachsen erlangen. Verfassungsschutzbehörden stufen sowohl die MB als auch die IGD als radikal-islamistisch sowie als extremistisch ein.

Derlei Umtriebe rufen nun auch die Behörden im Nachbarbundesland auf den Plan. Nach einem Bericht des Berliner Tagesspiegel hat der Brandenburger Verfassungsschutz kürzlich vor verstärkten Versuchen der MB gewarnt, auch in Brandenburg Fuß zu fassen. Konkret ging es dabei um eine Gesellschaft, die von Sachsen aus auf Expansionskurs und nun bestrebt sei, an mehreren Orten neue Strukturen aufzubauen: Diese Gesellschaft ist namentlich die auch in Pirna ansässige SBS.

Laut Tagesspiegel hatte der brandenburgische Verfassungsschutz Verantwortliche in mehreren Städten und Gemeinden davor gewarnt, die SBS könne versuchen, aus Mangel an Gebetsräumen Einfluss auf Muslime in Brandenburg zu nehmen, die im Zuge der Flüchtlingswelle nach Deutschland gekommen sind.

In Sachsen ist die SBS bereits an mehreren Orten aktiv, unter anderem in Pirna, Dresden, Leipzig, Riesa, Meißen und Görlitz. Inzwischen soll der Verein aber auch in Senftenberg im Landkreis Oberspreewald-Lausitz ein Objekt gekauft haben. In Luckenwalde im Kreis Teltow-Fläming gebe es ähnliche Bestrebungen.

In diesem Zusammenhang fällt auch immer wieder ein Name: Dr. Saad Elgazar. Nach Erkenntnissen des Brandenburger Verfassungsschutzes soll Elgazar in Cottbus versucht haben, auf die religiöse Gemeinde der Muslime Einfluss zu nehmen. Darüber hinaus sei die Stadt Wriezen im Kreis Märkisch-Oderland bereits vom Verfassungsschutz zu möglichen Aktivitäten der SBS beraten worden sein. In Brandenburg/Havel betreibe die SBS bereits eine Moschee. Laut der Verfassungsschutzbehörden gebe es belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die SBS unter dem Einfluss der MB stehe und Elgazar dieser zuzuordnen sei. Wie der Tagesspiegel schreibt, sei dabei die Rede von ideologischen und strukturellen Verflechtungen. Sowohl der sächsische als auch der brandenburgische Verfassungsschutz sagen der SBS Kontakt zur IGD nach, die bereits bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet wird. So habe die SBS sogenannte Begegnungstreffen unter dem Motto „Integration statt Isolation“ mit der IGD veranstaltet.

Dabei seien mehrere Prediger und Imame aufgetreten, die einen Bezug zur MB und zur IGD haben. Bei den Treffen soll es vorgeblich darum gehen, „Einwanderer auf eine nachhaltige Integration vorzubereiten“, aber auch um moralische „Kinderausbildung“ oder Verhaltensunterricht Jugendlicher über „richtig gelebten Islam“. Laut des sächsischen Verfassungsschutzes sei zudem im Vorfeld der Eröffnung des SBS-Hauses in Pirna ein Prediger zugegen gewesen, der diverse Funktionen in der MB und der IGD bekleidet. Und noch ein weiteres Indiz: Beim Tag der offenen Moschee 2016 in Dresden sollen Schriften eines salafistischen Autors ausgelegen haben, die aber schon 2008 durch die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt wurden, weil sie Kinder und Jugendliche sozialethisch desorientieren könnten und staatliche Normen verdrängen.

Zweifelhaft ist aus Sicht des Verfassungsschutzes auch, wie schnell die SBS so viel Geld für mehrere Immobilien auftreiben konnte. In Pirna beispielsweise hat die SBS das Haus an der Brückmühle für 260 000 Euro gekauft, die Summe wird in fünf Jahresraten abgezahlt. Woher das Geld stammt, ist unklar.

Schon im Juni 2017 hatte Sachsens Verfassungsschutz davor gewarnt, SBS, MB und IGD könnten möglicherweise über die Landesgrenzen – etwa nach Brandenburg – expandieren. Laut der sächsischen Verfassungsschützer sei es Ziel der MB, perspektivische eine an der Scharia ausgerichtete staatliche Ordnung aufzubauen, die sich gegen die Schutzgüter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung richte. So gehe es hier um einen politischen Islam, der beispielsweise Religionsfreiheit oder Geschlechtergleichheit ablehnt.

Elgazar und Wellenreuther haben die Vorwürfe und der SBS zur Last gelegten Verflechtungen stets dementiert und zurückgewiesen. Die SBS, so ihre Aussage, baue weder Strukturen für MB und IGD auf, noch pflege man Kontakte zu deren hochrangigen Vertretern.