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Fährenbau für den Notfall

Die Riesaer Reservistenkameradschaft trainiert für ein Hochwasser. Dabei steht die Übung gar nicht im Pflichtprogramm.

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© Sebastian Schultz

Von Kevin Schwarzbach

Riesa. Nico Dolatkiewicz kommt ganz schön ins Schwitzen. Sein voller Körpereinsatz ist gefragt. In Windeseile muss eine Fähre gebaut werden, um auf die andere Seite des Wassers zu kommen. Dort warten kraftlose und körperlich angeschlagene Hilfebedürftige sehnsüchtig auf ihre Rettung. Nico Dolatkiewicz schnappt sich ein Seil, wickelt es ein paarmal um einen Holzbalken und zurrt es mit ruckartigen Körperbewegungen fest. Vor und zurück. Ein paar Schweißtropfen landen auf dem Holz. Gemeinsam mit seinen Kameraden hat der Riesaer Reservist soeben auf zwei Schlauchbooten den Unterbau für eine Fähre geschaffen. Kaum eine Stunde hat das Team dafür gebraucht. Zeit, auf die es im Notfall ankäme.

Für den Bau der Fähre müssen die Reservisten rund um Teamleiter Patrick George vollen Körpereinsatz zeigen.
Für den Bau der Fähre müssen die Reservisten rund um Teamleiter Patrick George vollen Körpereinsatz zeigen. © Sebastian Schultz

Zeit, für die es sich zu üben lohnt. Und genau das tun die Männer der Riesaer Reservistenkameradschaft am vergangenen Wochenende in Merzdorf. Im Rahmen eines fiktiven Katastrophenszenarios trainieren sie, wie sie die Bundeswehr und andere Helfer bei einem Hochwasser tatkräftig unterstützen können. Auf dem Programm steht der Bau einer sogenannten behelfsmäßigen Übergangsstelle, einfacher: Die Reservisten versuchen, auf dem Merzdorfer Teich eine Fähre zu bauen.

Denn selbst wenn es derzeit nur ein Szenario ist, kann es bei einem Anstieg der Elbe schnell wieder Realität werden: Auf der einen Seite warten die Hilfebedürftigen, auf der anderen Seite befinden sich die Helfer – getrennt durch einen breiten Fluss, der weit über seinem normalen Pegel fließt und herkömmliche Überquerungen unmöglich macht.

Zwei Tonnen Transportlast

„Ähnliche Szenarien hatten wir beim letzten Hochwasser. Bei der Unterstützung der Hilfskräfte kommt es auf Kleinigkeiten an, darauf wollen wir vorbereitet sein“, sagt Patrick George, Oberstleutnant der Reserve und Vorsitzender der Riesaer Reservistenkameradschaft. George will mit der Übung sicherstellen, dass sein Team einen Teil zum Gelingen der Hilfseinsätze beitragen kann. „Bei einem Hochwasser müssen nicht nur Menschen, sondern auch Geräte über das Wasser transportiert werden“, sagt er. „Dafür ist unsere Fähre gemacht, sie trägt bis zu zwei Tonnen Gewicht.“

Möglich macht das eine Kombination aus zwei Schlauchbooten, auf denen die Reservisten einen Boden aus Holzbalken errichten. Wichtigstes Hilfsmittel sind die unzähligen Seile, denn alle Bauteile werden lediglich verknotet. „Nur die Keile fixieren wir mit Nägeln“, verrät George. Damit bei den ganzen Knoten auch nichts schiefgeht, bekommen die Teilnehmer kurz vor dem Baubeginn der Fähre ein paar seemännische Grundlagen vermittelt. Sie entscheiden über den Erfolg des Bauprojekts.

Ein Umstand, der Nico Dolatkiewicz bewusst ist. Immer wieder überprüft er den Sitz des Seils, wirft es noch eine Runde um den Balken – und zurrt es fest. Keuchen, stöhnen, es sitzt. Fester geht es nicht. Das gibt ein Lob vom Chef. „Klasse Arbeit, wir kommen gut voran“, sagt Patrick George. Auf allen vieren krabbelt er über die Fähre und überprüft die Knoten.

Heiterkeit und Schabernack

Die Effektivität der Reservisten ist wohl auf ihre gute Laune zurückzuführen. Voller Freude erledigen sie ihre Aufgaben. Immer an der Grenze zum Schabernack. Aber nie ziellos, stets auf das Ergebnis konzentriert. „Rödeln, nicht trödeln“, witzelt der Chef, als ein Kamerad in die Luft starrt, um zwei Segelflieger zu beobachten, die am Himmel ihre Choreografie darbieten.

Rund 40 Mitglieder hat die Riesaer Reservistenkameradschaft, zehn sind beim Übungswochenende in Merzdorf dabei. Hinzu kommen ein paar Reservisten aus Meißen, Dresden und Delitzsch.

Eine große Beteiligung. Dabei steht das Übungswochenende nicht einmal auf dem offiziellen Pflichtprogramm des Reservistenverbandes der Deutschen Bundeswehr. „Da gibt es andere kleine Übungen, die wir regelmäßig absolvieren müssen. Aber der Bau der Fähre geschieht komplett freiwillig und aus Eigeninitiative“, sagt Oberstleutnant George. „Wir wollen einfach für den Notfall gerüstet sein.“

Bereits im vergangenen Jahr kamen die hiesigen Reservisten zusammen, um für den Einsatzfall zu proben. Damals nutzten sie das Elbetreffen in Kreinitz, um eine ähnliche Fähre zu bauen. „Doch diesmal achten wir noch mehr auf die Maße, das Material soll demnächst als Ausbildungsmittel genutzt werden“, erklärt Patrick George.

Auch andere Reservistentruppen sollen den Bau der „Riesaer Fähre“ erlernen. Die Riesaer Reservisten haben indes schon ein neues Ziel: den Bau eines Stegs.