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Fahnen-Gaudi in Görlitz

Weiß-gelb, blau-gelb, weiß-rot. Görlitz ist wirklich bunt. Wenn es um Flaggen geht. Diesmal fordern die Schlesier ihr Recht.

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© Matthias Weber

Von Susanne Sodan

Görlitz. Die Görlitzer haben es mit ihren Fahnen. Erst vor Kurzemhat während der EM eine etwas groß geratene Deutschlandfahne an einem Balkon eine Debatte auf Facebook ausgelöst. Darf man das? Wann ist groß zu groß? Und was sagen wohl Vermieter und der Nachbar in der Etage darunter dazu? Die Stadt Görlitz hatte geduldig Auskunft gegeben: Ja man darf, solange es sich um ein temporäres Ereignis handelt und Flaggezeigen nicht zur dauerhaften Angewohnheit wird.

Jetzt ist die Stadt aber plötzlich selber am Zug. Diesmal geht es nicht um die Deutschlandfahne, sondern um die Schlesienfahne, also um weiß-gelb. Ursprünglich sogar silber-gold. In den vergangenen Wochen sind bei der Stadtverwaltung mehrere Briefe eingangen, alle von unterschiedlichen Absendern, alle mit gleichem Wortlaut. Und dem gleichen Anliegen: Warum denn die Stadt Görlitz selber nicht Farbe bekenne, weiß-gelbe Farbe? „Wir vermissen an Gedenk- und Feiertagen, dass vor den städtischen Gebäuden die Farben und das Wappen Niederschlesiens gezeigt werden“, so steht es in den Schreiben.

Hinter der Brief-Aktion steht Friedemann Scholz, ein Dresdener mit schlesischen Wurzeln, der sich mit der Geschichte seiner Familie beschäftigt und immer wieder gerne in Görlitz zu Gast ist. „Viele Freunde und Bekannte unterstützen diese Aktion. Durch den kurzen Brief gleichen Wortlautes erhoffe ich mir ein Nachdenken der Verantwortlichen der Stadt Görlitz zu diesem Thema.“

Denn tatsächlich: Weiß-Gelb hat in Görlitz den Rückzug angetreten. Die Schlesienfahne beim Gerhart-Hauptmann Theater? Weg. Die Schlesienfahne, die einst auf der Stadthalle wehte? Weg. Und selbst der höchste Punkt Görlitz‘, die Landeskrone, schimmert nicht mehr weiß-gelb. Dafür hat die Stadt aber ein Papier. Nicht in Weiß-Gelb, aber schwarz auf weiß. Die Beflaggungsordnung. „Darin ist festgeschrieben, wann, wo und wie die Beflaggung vorzunehmen ist“, teilt Wulf Stibenz mit. Nämlich an neun festgelegten Tagen im Jahr, angefangen beim 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, bis zum zweiten Sonntag vor dem ersten Advent – dem Volkstrauertag. Dann sind die Bundes- und Landesflagge zu hissen. Je nach Standort und Anlass ist auch die Flagge Niederschlesisches möglich, erklärt Stibenz. „Das liegt im Ermessen der jeweiligen Kommune. In Görlitz ist das an drei Tagen zu den gegebenen Anlässen.“

Einer dieser Tage war erst vor Kurzem: zum Schlesischen Tippelmarkt. Eine Ausnahme gibt es noch: Vor dem Rathaus auf dem Untermarkt ist laut Verordnung ständig die Görlitzflagge zu hissen. Allerdings ist die auch nicht weiß-gelb, sondern weiß-rot. Das kommt vom bömischen Wappen: silberner Löwe auf rotem Grund. Wenigstens auf die Fußballer ist Verlass. Sie sorgen nicht nur alle zwei Jahre für kleine bis überdimensionierte Deutschlandfahnen, der größte Görlitzer Fußballverein hält auch Gelb-Weiß hoch