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Frauen trennen sich anders als Männer

Im besten Fall hält die Liebe ein Leben lang. Doch das gibt es nicht so oft. Wenn Partner in der Beziehung leiden, ist es Zeit für eine Trennung, sagt Torsten Geiling in seinem neuen Buch.

Von Stephanie Wesely
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Die Beziehung ist kaputt. Ist es Zeit für eine Trennung und einen Neuanfang?
Die Beziehung ist kaputt. Ist es Zeit für eine Trennung und einen Neuanfang? © 123rf

Jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden, Beziehungen gehen noch öfter auseinander. Doch diesem Schritt geht meist eine lange Leidenszeit voraus, die bis zur Selbstaufgabe reichen kann. Das sagt der Coach und Autor Torsten Geiling, dessen Ratgeberbuch „Ich will mich trennen“ jetzt erschienen ist. Er ergreift dabei Partei für die Trennungswilligen. Warum er das für wichtig hält, wie man erkennt, wann der Zeitpunkt für eine Trennung gekommen ist, und warum es auch Raum für Trauer um die gescheiterte Beziehung braucht, hat er im SZ-Gespräch erklärt.

Herr Geiling, sich auf die Seite der Trennungswilligen zu stellen, ist sicher gewagt. Warum tun Sie das?

In Filmen, Romanen und Liedern geht es fast immer um die Verlassenen. Ihnen schlagen Sympathie und Mitgefühl entgegen. Freunde und Familienangehörige nehmen Anteil an ihrem Leid. Und daran ist auch nichts verkehrt. Eine Trennung ist oftmals ein traumatisches Erlebnis – allerdings nicht nur für den, der übrig bleibt. Aus eigener Erfahrung und auch aus zahlreichen Beratungsgesprächen weiß ich, den meisten Menschen, die sich trennen, geht es ebenso. Nur stehen sie oftmals alleine da. Sie gelten als selbstsüchtig, böse und scheinen jedes Recht auf Verständnis verwirkt zu haben. Dabei geht kein Mensch einfach so. Es gibt vielleicht gemeinsame Kinder, eine gemeinsam eingerichtete Wohnung oder ein Haus, einen gemeinsamen Freundeskreis und viele gemeinsame Erlebnisse. Das alles gibt man nicht leichtfertig auf, wenn es einen anderen Weg zur Lösung des Konfliktes geben würde. Doch wer leidet, darf gehen. Auf diesem Weg unterstütze ich meine Klienten.

Sie sprechen von eigenen Erfahrungen. Welche sind das?

Ja, auch ich habe Trennungen und eine Scheidung mit zwei Kindern hinter mir. Ich habe damals gedacht, ich muss das alles mit mir selbst ausmachen. Ich hätte gern jemanden an meiner Seite gehabt, der neutral von oben auf meine Beziehung schaut, einen, der auch meine Position versteht. Die Scheidung habe ich lange wegen der Kinder vor mir hergeschoben, wollte das geeignete Alter abwarten, bis sie es verstehen können. Doch eine Trennung passt nie, zu keinem Zeitpunkt. Die Beratung, die ich damals vermisst habe, biete ich Trennungswilligen jetzt an, nicht zuletzt mit meinem Buch.

Ihre Botschaft für Trennungswillige ist es also, sich Verbündete zu suchen?

Ja, denn mit einer Trennung bricht oft auch das gesamte Umfeld weg. Hinzu kommen kritische Blicke und das ständige Gefühl, sich für einen notwendigen Schritt rechtfertigen zu müssen. Das schlaucht. Deshalb halte ich es für wichtig, schon vor der endgültigen Trennung vom Partner einem guten Freund davon zu erzählen und sich Unterstützer zu suchen. Denn das braucht man, um die schwierige Zeit danach zu überstehen.

Wie können Sie Ihren Klienten nun konkret helfen?

Ich helfe Ihnen, Klarheit zu gewinnen, wie es weitergehen soll, was sie wirklich wollen und mit wem. Ich unterstütze sie dabei, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Wichtig ist auch zu wissen, was nach der Scheidung oder Trennung finanziell und rechtlich auf sie zukommt, und wie man anschließend Ex-Partner, Kindern und Familie gegenübertreten kann.

Ist es in Ihrer Beratung auch eine Option, eine Beziehung zu retten, zum Beispiel mit einer Paartherapie?

Unbedingt. Das ist immer eines der ersten Themen, über die wir sprechen. Manche Klienten sprechen es auch direkt selbst an. So trennen sich tatsächlich nicht alle Menschen, die sich von mir coachen lassen. Ich kann die Entscheidung aber niemandem abnehmen, so sehr sich das mancher Klient auch wünscht. Hat sich jemand für eine Trennung entschieden, liegt es zudem nicht an mir, sie oder ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Sondern ich unterstütze und ermutige sie, ihren individuellen Weg zu finden und zu gehen.

Tosten Geiling (48) ist systemischer Coach, Buchautor und Kommunikationsberater. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Bayern.
Tosten Geiling (48) ist systemischer Coach, Buchautor und Kommunikationsberater. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Bayern. © Torsten Geiling

Sie sprechen von beiden Geschlechtern. Gibt es bei Trennungen einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?

Da gibt es einige. Nach meiner Einschätzung brauchen Frauen länger, bis sie sich definitiv für eine Trennung entscheiden, aber dann haben sie einen viel klareren Blick auf ihre Vorstellungen und ihre Wünsche, wie es weitergehen soll. Frauen sind auch viel offener für ein Beratungsgespräch. Die Mär vom einsamen Wolf, der alles mit sich selbst ausmacht, trifft oft auf die Männer zu. Das weiß ich auch aus eigener Erfahrung. Männer kommen vor allem dann ins Coaching, wenn der Leidensdruck zu groß wird. Zudem haben Männer mehr Angst vor der Leere und der Einsamkeit als Frauen, die nach einer Trennung ihr Leben meist schneller neu sortieren. Das hat zur Folge, dass Männer oft erst dann gehen, wenn bereits eine andere, neue Frau in ihr Leben getreten ist.

Wie lange ringen Ihre Klienten im Schnitt mit sich, bis sie einen Schlussstrich unter ihre Beziehung ziehen?

Mindestens ein bis zwei Jahre. Sie hoffen immer wieder, dass sich doch noch etwas zum Positiven verändert. Doch dann spüren sie, wie ihnen das Leben durch die Finger rinnt, das ist meist der Anlass für eine Trennung. Paare, die nur Wochen zusammen sind, bevor sie sich trennen, brauchen keinen Coach.

Was sind die häufigsten Gründe, die zum Trennungswunsch führen?

Die Unzufriedenheit mit der Beziehung und das besagte Gefühl, dass das Leben unglücklich vorbeirauscht. Häufig, vor allem in längeren Beziehungen, ist es die sexuelle Unzufriedenheit. Der Klassiker ist, dass sie Eltern geworden sind und über ihre Elternrolle die Zärtlichkeit, Zweisamkeit und Nähe vernachlässigt haben. Dann sind die Kinder größer, und man hat sich nichts mehr zu geben. Auch Interessen gehen im Laufe der Zeit auseinander, oder ein Partner lässt sich gehen und man kann sich buchstäblich nicht mehr riechen.

Wann sollte man sich trennen?

Ich denke, wenn wir aufhören zu hoffen. Viele Klienten erzählen mir, wie ausgebrannt und unglücklich sie sich in ihren Beziehungen fühlen. Darüber können auch das größte Haus, das schönste Auto und der interessanteste Beruf nicht hinwegtäuschen. Trotzdem verharren sie über Jahre in dieser Situation. Sie hoffen, dass alles doch gut wird – und manchmal ist es das ja auch, wenigstens ab und zu. Aber wenn das Leiden überhandnimmt, ist mit einem Mal Schluss. Die Klienten können den Moment oft genau beschreiben, in dem ihnen klarwurde, dass es vorbei ist. Und trotzdem dauert es bei vielen noch Wochen und Monate, bis sie in der Lage sind, wirklich zu gehen.

Wieviel kostet ein Coaching bei Ihnen?

Eine Stunde kostet 138 Euro. Ich verkaufe keine Pakete, es werden nur die Stunden bezahlt, die wirklich gebraucht werden. Zuvor gibt es ein kostenfreies Erstgespräch, in dem man erkennen kann, ob die Chemie zwischen mir und dem Klienten stimmt. Denn es kommen ja sehr persönliche und intime Dinge zur Sprache.

In Ihrem Buch beschreiben Sie die Phasen der Trennung. Welche sind das?

Das ist komplett mit der Trauerarbeit zu vergleichen, denn man hebt für sich im Geiste ein Grab aus, in das man Vertrautes und Geliebtes hineingibt, um es loszulassen. Diese Phasen durchleben Verlassende und Verlassene gleichermaßen.

Womit geht es los?

Mit dem Leugnen, dass die Beziehung wirklich am Ende ist. Danach folgt die Wut auf den anderen: „Der oder die spinnt ja, warum geht er oder sie so mit mir um?“. Der dritte Schritt ist das Feilschen, dass sich doch alles wieder einrenkt – oft bis zur Selbstaufgabe. Der Schritt der Depression, nicht der krankhaften, versetzt den Menschen in Apathie bis er langsam beginnt zu akzeptieren und es anzunehmen, dass das alles nicht mehr zu ändern ist. Was ich meinen Klienten mitgebe, ist, dass sie über ihre gescheiterte Beziehung trauern dürfen und nicht den starken Max markieren müssen. Die wenigsten sind sofort nach der Trennung glücklich. Die Mehrzahl hatte eine ganze Zeit daran zu kauen.

Torsten Geiling: Ich will mich trennen; Goldegg Verlag, 200 S., 24 Euro.
Torsten Geiling: Ich will mich trennen; Goldegg Verlag, 200 S., 24 Euro. © Goldegg Verlag

Tipp: Am Dienstag (5. März) liest der Autor 20 bis 21.30 Uhr online (via Zoom) aus dem Buch.