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Wie streng dürfen Eltern sein?

Wie kann es uns gelingen, liebevoll, aber auch begrenzend zu erziehen? Unser Experte gibt Rat.

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Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner vom Uniklinikum Dresden
Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner vom Uniklinikum Dresden © SZ

Wir sind Eltern von zweijährigen Zwillingen und unsicher, wie wir unseren Kindern Regeln und Grenzen beibringen können. Wie kann es uns gelingen, liebevoll, aber auch begrenzend zu erziehen?

Prof. Dr. med. Veit Rößner, Kinder- und Jugendpsychiater am Dresdner Uniklinikum:

Zunächst einmal sollte man bedenken, dass kleine Kinder unmittelbar bedürfnisorientiert handeln. Das heißt, sie haben Hunger und wollen sofort etwas zu essen. Oder ihnen ist langweilig, und sie wollen Beschäftigung. Oder sie sind erschöpft und brauchen Schlaf. Dabei sind Kinder umso mehr auf ihre Bezugspersonen angewiesen, je jünger sie sind. Zudem orientieren sie sich bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse nicht an gesellschaftlichen Normen – sie schlafen einfach ein, wann und wo sie müde sind, oder schreien, wenn eigentlich Ruhe gewünscht wird.

Je älter die Kinder werden, desto mehr erwarten wir Erwachsene zu Recht, dass sie Regeln und Grenzen einhalten. Dies lernen sie am besten mit unserer Hilfe. Wir bringen ihnen bei, dass man im Bus die Füße nicht auf den Sitz legt und aus der Kita nicht die Spielsachen der anderen mit nach Hause nimmt. Aber auch, dass man Zähne putzt, sein Zimmer aufräumt und die Geschwister nicht ärgert. Und das ist vermutlich der unangenehme Teil der Erziehung: Orientierung geben, Grenzen aufzeigen und bei Missachtung dieser Grenzen Konsequenzen folgen lassen. Dabei sind Eltern oft schwankend und vermeiden Reglementierung, wo sie angebracht wäre.

Typische Fallen sind dabei, Aufforderungen eher als Bitte oder Frage zu formulieren ("Findest du nicht, dass es Zeit ist ins Bett zu gehen?"), konkrete Aufträge aus der Ferne zu geben (Ruf aus der Küche ins Wohnzimmer: "Jetzt macht doch endlich den Fernseher aus!"), Verbote statt Anweisungen zu geben ("Lass das! Zapple nicht so rum!") oder gar das Androhen unrealistischer Strafen ("Dann fährst du nicht mit in den Urlaub.").

Aber wie gelingt es, liebevoll die notwendigen Grenzen zu setzen? Ganz wichtig ist das Lob! Achten Sie auf das, was klappt, und zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie das Positive bemerkt haben. Kinder, die genügend Aufmerksamkeit für angemessenes Verhalten bekommen, brauchen nicht durch unangemessenes Verhalten Aufmerksamkeit zu erzwingen. Ihr Lob sollte aufrichtig, direkt und sofort erfolgen.

Wenn sich Ihr Kind im Alltag an Regeln hält und Aufforderungen nachkommt, honorieren Sie dies mit einem "Schön, dass du deinen Teller gleich selbst in die Spülmaschine geräumt hast." Oder: "Prima, dass du dich gleich an deine Hausaufgaben gesetzt hast." Nutzen Sie zum Loben auch Mimik und Gestik. Ein Lächeln, ein anerkennender Schulterschlag sind oft mehr wert als zehn Minuten Tabletzeit extra!

Je älter die Kinder sind, desto mehr kann und sollte man sie durch Vereinbarungen mit einbeziehen. Hausaufgaben müssen gemacht werden, aber Sie überlegen gemeinsam, wie das am besten gelingen kann. Wo, wann, wer hilft oder kontrolliert? Genauso kann man gemeinsam Familienregeln aufstellen – etwa keine Handys bei Mahlzeiten. Das gilt dann auch für die Erwachsenen. Wenn Regeln nicht eingehalten werden, braucht es sofortige, in logischem Zusammenhang stehende und vorher besprochene Konsequenzen. Wird zum Beispiel das Zimmer nicht aufgeräumt, wird ein Teil des Spielzeugs für eine Woche entfernt.

Geben Sie Ihrem Kind durch Regeln und Grenzen Orientierung und Halt – und durch Lob, Zuwendung und Aufmerksamkeit die Sicherheit, es richtig zu machen.

Haben auch Sie eine Frage an den Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner vom Dresdner Uniklinikum? Schreiben Sie an die SZ, Nutzwerk, 01055 Dresden oder an: [email protected]