Merken

Fast jedem dritten Kind fehlen Impfungen

Strikte Impfgegner sind in der Region die Ausnahme. Die Gründe für die fehlende Immunisierung sind vielfältig.

Teilen
Folgen
NEU!
© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Von Maria Fricke

Region Döbeln. Anfang Mai infizierten sich zwei Mittelsachsen mit Masern. Ute Behrisch, die Leiterin der evangelischen Kita St. Florian in Döbeln, wartet fast täglich darauf, dass auch in der Region bald ein Masernfall auftritt. Schließlich kursieren die Viren rings um Döbeln in den Großstädten. Noch sind die meisten gegen die Krankheit geimpft. Doch die Impfbereitschaft scheint nachzulassen. Diesen Eindruck zumindest hat Ute Behrisch. In ihrer Kita sind vier von 76 Kinder nicht geimpft.

„Ich habe 2008 im Frühjahr angefangen. Da war es nur ein Kind“, sagt die gelernte Kinderkrankenschwester, die Impfen befürwortet. Die Eltern der anderen Kita-Kinder wissen darüber Bescheid, dass unter den Kindern einige ohne Impfung sind. Ab und zu kocht die Diskussion darüber hoch. Vor allem dann, wenn eines der Kinder krank wird. „Vor ein, zwei Jahren hatten wir einen Fall von Keuchhusten“, erzählt die Kita-Chefin. Den Eltern, deren Kinder nicht geimpft sind, hat sie nahegelegt, den Nachwuchs zu Hause zu lassen, zumindest während der Inkubationszeit. Das sind immerhin drei Wochen. „Ich kann die Eltern nicht dazu zwingen, aber sie haben es getan“, erzählt Behrisch.

Ungeimpften Kindern prinzipiell die Aufnahme in der Einrichtung verwehren, das gehe gesetzlich nicht, sagt die Döbelner Kita-Chefin. Auch die acht kommunalen Kitas in Döbeln lehnen kein Kind deswegen ab. „Die Eltern werden darauf hingewiesen, dass das Kind in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut wird und ein nicht geimpftes Kind am stärksten gefährdet ist“, erklärt Stadtsprecher Thomas Mettcher.

In einigen Kitas der Region wird die Aufnahme jedoch abgelehnt. „Bei uns gibt es keine Betreuungsverträge für Kinder, die nicht geimpft sind“, sagt Dana Richter, die Leiterin der Kita Wasserplanscher in Waldheim. „Es ist eher selten, dass Kinder bei uns nicht geimpft werden. Die finden andere Kitas“, sagt Richter. Wie in Kitas üblich, müssen die Eltern vor der Aufnahme des Kindes eine Bescheinigung des Arztes vorlegen, die auch über den Impfstatus Auskunft gibt. Einmal pro Jahr wird überprüft.

Der Tenor aus den meisten Einrichtungen: Die Kinder sind geimpft. Mit Impfgegnern haben die Kitas, bis auf St. Florian, keine Erfahrungen. „Es ist nicht zu erkennen, dass die Impfbereitschaft nachgelassen hat“, schildert Thomas Mettcher.

Bezüglich der Mumps-Masern-Röteln (MMR)-Impfung sprechen die Zahlen der Schuluntersuchungen eine andere Sprache. So waren nur 71 Prozent der Schulanfänger 2015/16 vollständig gegen MMR immunisiert. Aber fast alle (96 Prozent) haben die erste von zwei Spritzen erhalten. Im Vergleich zu 2009/10 ist die Impfbereitschaft bezüglich der Dreifach-Impfung stark gestiegen. Von den 2 420 untersuchten Kindern war zu jener Zeit nur die Hälfte voll immunisiert. Aber auch damals hatten fast alle die erste Impfung. „Wer einmal impft, der macht in der Regel auch weiter. Da sind die Ärzte in der Region auch dran“, sagt Susan Gröger, die Leiterin der Kita Pfiffikus in Großweitzschen. Die Ärzte machen ihre Arbeit offenbar besonders gut: Auffällig ist, dass die Region Döbeln laut Sozialbericht Mittelsachsen Spitzenreiter in Bezug auf die Dreifach-Impfung ist. Von 2009/10 bis 2013/14 waren hier zwischen 72 und 85 Prozent der Kinder voll immunisiert. Im übrigen Kreis waren es maximal 67 Prozent.

Die Gründe, warum den Kindern Impfungen fehlen, sind vielfältig. Neben strikten Impfgegnern gibt es Eltern, die nur teilweise impfen lassen. Zudem werden Kinder bei Krankheit nicht geimpft, sodass es auch dadurch zu Lücken kommen kann.

Eine Impfpflicht gibt es in Deutschland nicht. Landrat Matthias Damm (CDU) spricht sich eindeutig dafür aus. „Es ist verantwortungslos und nachlässig, nicht zu impfen.“ Auch Döbelns Oberbürgermeister Hans-Joachim Egerer (CDU) betrachtet Impfgegner kritisch. „Bedenklich ist für mich, dass Kinder, die nicht geimpft sind, ein Gefährdungspotenzial für andere darstellen und auch selbst gefährdet sind.“ „Was sein muss, muss sein“, sagt Veronika Weidensdorfer, die Leiterin der Kita Wirbelwind in Knobelsdorf. Bedenken hat sie wegen der Sechsfach-Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, HiB, Kinderlähmung sowie Hepatitis B. „Es ist Wahnsinn, dass so viel auf einmal geimpft wird“, sagt die Kita-Chefin.

Seit 2015 besteht für alle Eltern eine Pflicht zur Impfberatung, wenn sie ihre Kinder in eine Einrichtung geben wollen. Derzeit arbeitet die Bundesregierung an verschärften Regeln. So sollen Kindereinrichtungen Eltern, die keine Impfberatung für ihre Kinder nachweisen können, künftig dem Gesundheitsamt melden. Die Rede war auch von einem Bußgeld. „Ob die Verhängung eines Bußgeldes bei der Verweigerung einer Impfberatung zielführend ist, bezweifle ich. Wer eine Impfung ablehnt, wird auch dann sein Kind nicht impfen lassen“, kommentierte Egerer.