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"Tatort": Der Treppensturz einer alten Dame

Im „Tatort: Was wir erben“ begegnen Tobler und Berg keinem Mörder, aber reichlich Dekadenz - und sie graben tief in der Geschichte.

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Was kann Toni (Johanna Polley, r.) den Kommissaren Berg (Hans-Jochen Wagner) und Tobler (Eva Löbau) über die Geschichte der Fabrikantenfamilie Klingler erzählen.
Was kann Toni (Johanna Polley, r.) den Kommissaren Berg (Hans-Jochen Wagner) und Tobler (Eva Löbau) über die Geschichte der Fabrikantenfamilie Klingler erzählen. © SWR

Von Thomas Schade

Das ist zu viel für die Nachkommen der alten Pralinen-Dynastie Klingler. Oma Elisabeth, die Patriarchin, will die Familienvilla und ihr Vermögen der Pflegerin Elena vererben. Die leistet ihr seit zwei Jahren Gesellschaft, weil Kinder und Enkel keine Zeit haben. Die alten Damen heiraten sogar, nichts soll schiefgehen. Als das Testament im engsten Familienkreis geändert wird, ist der Krach groß. Die Nachkommen toben. Elena verlässt schweigend die Szenerie. Minuten später liegt Elisabeth am Fuße einer langen Treppe in der Halle. Wie es ihre Patientenverfügung vorsieht, beenden Ärzte in der Klinik lebenserhaltende Maßnahmen und damit Elisabeths Leben.

Die Kommissare Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) werden zur Villa gerufen, weil die Putzfrau nach dem großen Krach Elisabeths Gesellschafterin Elena oben an der Treppe gesehen haben will.

Die Ermittler schlittern mitten hinein in den Krieg um das Millionen-Erbe. Die düpierten Klingler-Nachkommen lassen nichts unversucht, um Elena des Mordes zu verdächtigen. Hat sie Elisabeth gestoßen?

Autor Patrick Brunken hat in seinem vierten "Tatort" das Erben pointiert und spannend thematisiert. Die Hälfte aller privaten Vermögen in Deutschland stammt heute aus Erbschaften. Erben bestimmt zunehmend Haben und Sein. Gerät dabei etwas aus der Bahn, führt das oft zu erbittertem Streit. Und den setzt Regisseurin Franziska Schlotterer überzeugend in Szene. Mit Jenny Schily und Jan Messutat, sie spielen Elisabeths Nachkommen Gesine und Richard, sowie mit Johanna Polley als Enkelin Tine hat sie Akteure gefunden, die den richtigen Schuss Standesdünkel, Ignoranz und Dekadenz ins Spiel bringen. So kommt glaubhaft rüber, was der Familiennotar im Film so beschreibt: Die erste Generation schafft das Vermögen, die zweite verwaltet es, die dritte studiert Kunstgeschichte, die vierte verkommt vollends. Und manchmal findet man alles in einer Generation.

In guter Balance spielt der Film auf zwei Ebenen: Ausdrucksstark werden die Charaktere in der Familie gezeichnet. Und spannend bis zum Schluss bleiben die Ermittlungen. Sie führen Tobler und Berg bis in die 1940er-Jahre, als Elenas Eltern Zwangsarbeiter bei den Klinglers waren. Die Rückschau als Mahnung fügt sich gut ein in die Handlung, keine Überfrachtung, wie jüngst häufiger im "Tatort" zu sehen. Gelungene Krimi-Kost aus dem Südwesten.