Von Franz Werfel
Freital. An diesem Vormittag sind im Dresdner Ostra-Gelände zwei sehr fröhliche Menschen sehr sportlich unterwegs. Einer von ihnen ist Reiner Mehlhorn. Schwungvoll kommt der selbstständige Personal Trainer aus Dresden daher. 62 Jahre will er sein. Der durchtrainierte, 1,70 Meter kleine Mann wirkt mindestens zehn Jahre jünger.
Neben ihm läuft Sylvio Röthig aus Freital. Seit November bucht der 49-Jährige private Trainingsstunden bei Reiner Mehlhorn, jede Woche eine. „Immer mittwochs treffen wir uns und trainieren zusammen“, sagt Röthig. Fast jeden Sonntag dreht er selbst zu Hause in Freital-Birkigt noch eine Runde. Der freundliche Mann ist eine Erscheinung: 1,94 Meter groß, etwa 112 Kilo schwer. Sein Gewicht sieht man ihm unter dem Sportdress nicht an. Aber er, der in Dresden eine Softwarefirma mit 36 Mitarbeitern leitet, ist damit unzufrieden. Dabei könnte es ihm richtig gut gehen. Er ist erfolgreicher Geschäftsführer, lebt in einer glücklichen Beziehung, hat zwei kleine Kinder. Eines Tages diagnostiziert sein Kardiologe Bluthochdruck bei ihm und sagt: Entweder, Sie nehmen jetzt Tabletten. Oder Sie machen Sport. „Das hat in mir etwas ausgelöst“, sagt Sylvio Röthig. Zwar sei er schon als Jugendlicher kein guter Läufer gewesen, hätte lieber Kampfsport wie Judo oder Taekwondo gemacht. Etwa zehn Jahre lang hat er keinen richtigen Sport mehr getrieben, vor acht Jahren wurde er am Meniskus im linken Kniegelenk operiert. „Und jetzt ist eben Ausdauer gefragt.“
Also fügt er sich. Die Entscheidung sei ihm nicht schwergefallen. „Ich mache das ja gerade, um keine Tabletten schlucken zu müssen.“ Die würden eh nur Symptome lindern und ihn langfristig nicht von den Beschwerden erlösen.
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Genau das sei der Punkt, sagt Trainer Reiner Mehlhorn. „Wenn man wirklich etwas ändern will, muss man das selbst hinbekommen.“ Dafür brauche es einen eisernen Wille, vor allem aber Zeit. Die solle man sich auf jeden Fall nehmen, sagt er. Und erzählt von sich selbst. Wie er im Vertrieb einer großen Firma gearbeitet hat, 80-Stunden-Wochen schrubbte, deutschlandweit unterwegs war. Eine Zeit lang hat er auch Kunden in den USA betreut. „Beim Joggen am frühen Morgen in San Francisco – da hat es klick gemacht“, sagt er. Zehn Jahre ist das her. Mehlhorn beginnt sich zu professionalisieren, macht mehrere Trainerscheine und fängt an, nebenberuflich Leute zu coachen. Als er merkt, dass ihm das mittlerweile mehr Spaß macht, als sein eigentlicher Beruf, sattelt er um. Er läuft privat etwa 70 Kilometer pro Woche, hat mehrere Marathonläufe hinter sich, seine Bestzeit liegt bei 3:17 Stunden. Den Iron-Man, bei dem man am Stück 3,8 Kilometer schwimmt, 180 Kilometer Rad fährt und anschließend noch die Marathonstrecke von exakt 42,2 Kilometern läuft, hat er auch geschafft. Seit fünf Jahren ist er selbstständiger Personal Trainer. Er schreibt Trainingspläne, berät die, die um seinen Rat bitten, und ist selbst ständig mit seinen Klienten unterwegs.
So wie mit Sylvio Röthig. Wenn der von den Erfolgen seines Trainers hört, wird ihm ganz schwindelig. Seit November trainieren die beiden zusammen, den ganzen Winter hindurch. „Schlechtes Wetter gibt es nicht, diese Ausrede gilt nicht“, sagt Mehlhorn. Sein Kunde Sylvio Röthig, dem jede Trainingsstunde 95 Euro wert ist, verfolgt freilich andere Ziele. „Ich möchte mich einfach ordentlich bewegen, mit Spaß an der Sache.“ Dafür sei ein persönliches Coaching hilfreich, wie ein Anker. Trainer Mehlhorn könne gut erklären, schlage immer wieder neue Strecken vor, damit es nicht langweilig wird, und lenke ihn mit Gesprächen ab. „Wie entscheidend der Kopf ist, habe ich anfangs voll unterschätzt“, gesteht er. Den bekommt er nun beim Laufen frei. Schon oft habe er es mit Diäten probiert, „aber dieses ständige Auf und Ab nervt mich“. Nun also ein neuer Ansatz: Realistische Ziele setzen, diese ruhig aber zielstrebig mit regelmäßigem Training verfolgen. Erste Erfolge seien schon jetzt erlebbar. „Mittlerweile halte ich 50 bis 60 Minuten ganz gut durch.“ Der Blutdruck sei zwar noch nicht ganz da, wo er hin soll, habe sich aber schon wieder normalisiert.
Gab es im letzten halben Jahr auch Rückschläge? „Wenn ich nach einer schweren Trainingseinheit Schmerzen hatte, habe ich mich nicht mehr aufs nächste Mal gefreut.“ Also hat Sylvio Röthig für ein paar Wochen seinen Sonntagslauf weggelassen. Zusammen mit seinem Coach hat er das Trainingsprogramm angepasst, da ging es wieder besser. „Sylvio hat sich wieder auf das Laufen gefreut. Das ist wichtig, wenn man länger durchhalten will“, sagt Reiner Mehlhorn. Er ist sich ganz sicher: Jeder kann es schaffen, innerhalb von sechs Monaten von Null auf eine Stunde Laufzeit zu kommen. „Ich hab mal mit einem Rentner angefangen, da war der 65. Zehn Jahre später ist er seinen ersten Marathon gelaufen.“