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Fitness gegen schweres Stürzen

In Radeburg läuft zurzeit eine Studie. Senioren testen Sportübungen für mehr Balance und Kraft. Davon erhoffen sich Fachleute wichtige Erkenntnisse.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Radeburg. Entenarsch und Rundrücken, so nennt der nette Mann in Orange, was er als nächste Übung bereithält. Zehn Damen und Herren älteren Semesters knien mit aufgestützten Händen auf azurblauen Gymnastikmatten. Jens Gerlach sieht reihum nach dem Rechten und hält, schiebt oder drückt auf sanfte Weise da, wo es Starthilfe in der Haltung braucht. „Beim Rundrücken den Bauchnabel ganz flach einziehen“, instruiert der Physiotherapeut. Nun sind die Knie drei, vier Zentimeter von der Unterlage abzuheben, wenige Sekunden so zu halten und wieder abzusetzen.

Was hier in einem Raum der Radeburger Fachkliniken für Geriatrie vonstatten geht, ist ein spezieller Bewegungskurs für über 70-Jährige. Er erfolgt im Rahmen einer Sturzstudie, die im Januar gestartet ist und bis Ende März geht. Sie soll ermitteln, in welchem Maße ein geeignetes Kraft- und Gleichgewichtstraining im Alter zur Reduzierung und Vermeidung von Stürzen beitragen kann. Eine solche Untersuchung ist bislang einzigartig in der Region.

„Ich habe vergangenes Jahr in der Zeitung gelesen, dass Teilnehmer für die Studie gesucht werden“, erzählt Gerda Fels aus Moritzburg. Bei der Haus- und Gartenarbeit registrierte die 73-Jährige gelegentlich, dass ihre Balance nicht mehr die alte war. Ab und an war sie bereits gestolpert. „Ich möchte so lange es geht selbstbestimmt den Alltag in meinen eigenen vier Wänden bewältigen“, sagt sie, „und habe nach etwas gesucht, was ich dafür tun kann.“

Birgit Meisinger, ebenfalls aus Moritzburg, geht bereits einmal die Woche zum Sport. Aber mehr Beweglichkeit schien der 75-Jährigen wichtig, um langfristig sicher auf den Beinen zu bleiben. „Deshalb habe ich gleich gesagt: Da machst du mal mit!“

Organisiert und realisiert wird die Studie vom Geriatrischen Netzwerk Radeburg. Das GerN, wie es kurz genannt wird, ist ein vom Sozialministerium gefördertes Projekt zur besseren Versorgung älterer Menschen. Organisiert wird es unter dem Dach der Fachkliniken für Geriatrie Radeburg.

Das Training im Kurs wird von Woche zu Woche anspruchsvoller, verrät Projektkoordinatorin Nicole Schubert. „Es hat im Sitzen angefangen, dann wurde der Stand in verschiedenen Positionen geübt, und jetzt sind wir auf dem Boden angelangt.“ Genau da, wo man auch beim Stürzen landet. „Ziel ist es, dass die Teilnehmer in diesem Fall wissen, wie sie wieder hochkommen“, erklärt die Fachfrau.

Physiotherapeut Jens Gerlach steigert den Schwierigkeitsgrad auf den Matten. Aufgabe für die Teilnehmer ist es, aus dem Vierfüßlerstand heraus Arm und Bein in der Diagonale auszustrecken. Gleichzeitig. „Denkt an den Bauchnabel“, erinnert der Therapeut die Gruppe. „Das hilft euch, die Lendenwirbelsäule zu stabilisieren.“ Fragende Blicke. „Das ist zum Beispiel auch beim Schneeschippen oder Umgraben im Garten wichtig“, so der Profi alltagsnah.

Trotz der Anstrengung – die Stimmung ist gut unter den Senioren. Sie kommen aus weiten Teilen des Landkreises, wie etwa Meißen, Coswig, Radebeul und Boxdorf. Wer bei Jens Gerlach trainiert, wurde der Versuchsgruppe zugewiesen. 20 Personen sind es, verteilt auf zwei Kurse. Bei ihnen wurde in den aufwendigen Voruntersuchungen Verbesserungsbedarf festgestellt.

Die anderen 20 Probanden der Studie gehören der Kontrollgruppe an. Bei ihnen wurden bereits gute Werte verzeichnet. „Ziel der Studie ist es, die Teilnehmer der Versuchsgruppe durch das regelmäßige Training an die Werte der Kontrollgruppe anzugleichen“, sagt Nicole Schubert.

Gelingt dieses Vorhaben, möchte das GerN Radeburg derartige Kurse für ältere Menschen dauerhaft in der Region etablieren. Zurzeit knüpfen die Mitarbeiter erste Kontakte zu physiotherapeutischen Praxen in der gesamten Region. „Wo es sinnvoll erscheint, möchten wir Patienten in Kurse ganz in ihrer Nähe vermitteln“, erklärt Projektkoordinatorin Nicole Schubert.

Sie und ihre Kollegen nutzen die Studie auch, um alle Teilnehmer durch Befragungen und Beratungen stärker für das Thema zu sensibilisieren. So werden die Senioren bis Ende des Jahres gebeten, jeden Tag in einer Tabelle zu vermerken, wann sie wo bei welcher Tätigkeit gestolpert oder gestürzt sind. In den Auswertungen machen die Fachleute auf gegebenenfalls erkennbare Muster aufmerksam, etwa, wenn häufige Stürze beim Staubsaugen auffallen.

Darüber hinaus werden die Teilnehmer regelmäßig zu körperlichen und psychischen Veränderungen befragt. Zudem können sie kostenfrei Beratungsangebote nutzen, unter anderem rund um Stolperfallen in der Wohnung.

Nach anderthalb Stunden Kurs heißt es für diese Woche: Geschafft! „Es strengt an, aber das ist gut so“, verkünden Gerda Fels und Birgit Meisinger unisono. Sie stecken die reich bebilderten Blätter mit den Übungen für daheim ein. Hausaufgaben, die sie auch wirklich machen, wie sie versichern.

Nach neun der insgesamt zwölf Trainingseinheiten spüren sie bereits deutliche Verbesserungen. Gerade, als es so glatt war, fühlten sie sich sicherer beim Laufen. Ihr großer Wunsch: „Dass ein Kurs in ähnlicher Form weitergeführt wird.“