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Flucht vorm Fluch des Pharao

Ägypten erklärt das Urteil im Pyramidenskandal gegen einen Chemnitzer Experimentalarchäologen für ungültig und stellt die Fahndung ein.

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© privat

Von Stephan Schön

Eingesperrt in Deutschland. Dominique Görlitz kann auch zweieinhalb Jahre nach seiner spektakulären und bestenfalls halblegalen Pyramidenexpedition nicht fort von hier. „Das ist wie Hausarrest“, sagt der Chemnitzer Experimentalarchäologe. Weder Flugticket noch Schiffspassage sind seitdem für ihn buchbar. Und die EU ist die allerletzte Außengrenze.

Dominique Görlitz wird von Interpol mit internationalem Haftbefehl gesucht. Jenseits der sicheren Grenzen wäre nur noch seine Auslieferung nach Ägypten sicher. Dann käme er dorthin, wo bereits sechs seiner ägyptischen Expeditionsbegleiter und Tour-Manager seit 22 Monaten sitzen, ins Kairoer Gefängnis. – Seit Mittwoch jedoch sind sie alle frei.

Das Urteil ist kassiert und für ungültig erklärt. Die Anschuldigungen der Anklage sind nicht haltbar, heißt es in der Begründung des Kairoer Gerichts, das den Fall neu verhandeln will.

Görlitz und sein Team waren im April 2013 einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Und vor allem ziemlich naiv. Sie buchten als Privatforscher eine Expedition, zahlten dafür, bekamen Permits und Begleiter. Sie durften unter deren Aufsicht Proben entnehmen. Aus Sicht von Görlitz war das alles legal. Heute weiß er es besser. Er hätte es aber durchaus schon damals wissen können, zumindest aber ahnen müssen.

In der Falle

Den Strafbefehl aus Deutschland hat Görlitz bereits vor einem Jahr akzeptiert. Gemeinschaftliche Sachbeschädigung steht da drin. Über Medien und Agenturen hat sich der Privatforscher schließlich offiziell in Ägypten entschuldigt. Doch es half alles nichts, die Begleiter blieben im Knast und er auf der Fahndungsliste von Interpol. Denn diese Probenentnahme war der willkommene Anlass für eine Machtprobe innerhalb der ägyptischen Altertumsforschung. Alte Beamte gegen aufstrebende Mitarbeiter, neue Minister gegen entlassene Minister.

Nicht die tatsächlich entnommenen Farbproben spielten letztlich in der Anklage vor dem Kairoer Gericht eine Rolle, sondern eine angebliche Beschädigung der Königskartusche. Die aber hatte Dominique Görlitz nicht angerührt. Videos und alte Bilder konnten das nun glaubhaft nachweisen, nach 22 Monaten. Der so schon unliebsame Querdenker und Seiteneinsteiger hat zwar inzwischen promoviert, wird aber durch den Skandal ganz schnell fachlich kaltgestellt, geächtet im Milieu. Dabei könnten die stofflichen Analysen aus den Abkratzungen der illegalen Beprobung durchaus einen entscheidenden Hinweis zum Bau der Pyramiden geben. Die Spuren an den Decken der Kammern enthalten nämlich Eisenoxid.

Professoren der TU Dresden und der Bergakademie finden Görlitz´ Wissenschaft trotz aller Kritik durchaus interessant und beachtenswert. Mehrere gemeinsame wissenschaftliche Veröffentlichungen sind daher jetzt in Vorbereitung.

„Für mich wird sich nun hoffentlich vieles ändern“, sagt Dominique Görlitz, nachdem er von der Aufhebung des Urteils erfahren hat. „Ich habe mir gestern erst einmal einen Flug gebucht“, sagt er. Raus aus Deutschland, rauf auf die Kanaren. Hin zu jenen erst vor Kurzem dort entdeckten uralten Pyramidenresten – aber diesmal ohne Spatel, Kratzer und Probenbeutel.