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Flüchtlinge als Arabisch-Lehrer

Maan Abdullah stammt aus Syrien und fand Asyl in Moritzburg. Nun unterrichtet er Einheimische in seiner Sprache.

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© Anne Hübschmann

Von Ulrike Keller

Moritzburg. Handzeichen wartet Maan Abdullah gar nicht erst ab. Der Syrer bittet eine Frau, das Arabischalphabet aufzusagen, hört lächelnd zu und löst sie ab, indem er ihrer Nachbarin das Wort erteilt. Die rattert die nächsten ungewohnt klingenden Laute herunter. Schnell nimmt der Arabischunterricht für Moritzburger an Fahrt auf. Hintereinanderweg sausen die durchweg erwachsenen Schülerinnen durch die gesprochene Welt arabischer Buchstaben. „Schön!“, lobt der junge Lehrer immer wieder. Sein Kurs macht sich.

Jeden Freitag um 16 Uhr praktiziert ein Grüppchen in Moritzburg eine charmante Version von verkehrter Welt. Nicht Flüchtlinge nehmen Deutschunterricht, sondern Deutsche erhalten Arabischstunden, wobei die ehrenamtlichen Dozenten in diesem Falle Flüchtlinge sind. Maan Abdullah hat den Hut auf unter den Lehrenden. Der 31-Jährige stammt aus der syrischen Hauptstadt Damaskus. Er hat ein abgeschlossenes Psychologiestudium in der Tasche, aber aufgrund des Krieges in seiner Heimat konnte er noch nie in diesem Beruf arbeiten.

Das Sprachenass spricht neben seiner Muttersprache Arabisch fließend Englisch, Türkisch, Chinesisch, Philippinisch und inzwischen auch ein wenig Deutsch. Einheimischen in Moritzburg Arabischunterricht zu geben, geht nicht auf seine Idee zurück. Engagierte Helferinnen der Initiative Moritzburg – Ort der Vielfalt trugen den Wunsch an ihn heran. Und er freute sich darüber. Denn endlich konnte er sich für all die Unterstützung vor Ort erkenntlich zeigen.

Mit einem Stück Kreide in der Hand steht Maan Abdullah vor der Tafel und geht zur nächsten Aufgabe über. Arabische Begrüßungsformeln sind an der Reihe. Rasch hat er sie angeschrieben. Schon beginnt er ein richtiges Gespräch und lauscht aufmerksam den Antworten der Frauen, die sich wacker schlagen. Er variiert seine Sätze, nimmt auch Fragen zum Befinden hinein, spricht damit eine andere Teilnehmerin an. Dieser wird die Konversationsübung doch ein wenig zu schwer. „I don’t know“, unterbricht sie den Gesprächsfluss. Gemeinsames Lachen in der Gruppe. „Die gleiche Antwort wie gerade“, hilft Maan Abdullah. Schon flutscht es erneut.

„Ich finde Arabisch total spannend“, sagt Kursbesucherin Kathrin von Loh. „Es ist so schwierig, dass ich es zur Demenzverlangsamung mache“, scherzt die 67-Jährige. Vor allem mit dem Schreiben tue sie sich schwer. Worauf ihr die anderen im Chor beipflichten: „Wer nicht!?“. Maan Abdullah hat dafür vollstes Verständnis. „Arabisch ist die schwierigste Sprache der Welt“, ist er überzeugt. „Wir Muttersprachler reden von einem riesigen Ozean. Allein für das Wort ‚Dankeschön‘ gibt es mehr als zehn verschiedene Wörter mit speziellen Bedeutungen.“

Nun zu den Zahlen. Wild durcheinander nennt er Ziffern in Deutsch und fragt sie auf Arabisch ab. Die Antworten kommen prompt, jede ist korrekt. Auch die Teilnehmerinnen freuen sich. „Das ist eine tolle Möglichkeit für gegenseitiges Lernen“, sind sie sich einig. „So gut haben wir uns im Kurs vor ein paar Wochen noch nicht auf Deutsch mit Maan verständigt.“

Als der Arabischunterricht vor etwa vier Monaten im Haus des Gastes startete, machten 13 Leute mit. Damals dachte jedoch niemand daran, eine Teilnehmerliste mit Kontakten anzulegen. Was sich als Fehler erwies, als der Kurs kurzfristig in die Evangelische Hochschule umziehen musste. Darum wird das kostenfreie Angebot aktuell von nur etwa fünf Moritzburgerinnen genutzt. „Aber jeder ist willkommen“, betonen Maan Abdullah und die Ladys.

Zum Schluss lernen alle, ihren Namen auf Arabisch zu schreiben. Einige leiten es sich sogar selbst aus dem Alphabet her, obwohl nicht immer eine Eins-zu-eins-Übertragung möglich ist. Der syrische Lehrer zeigt sich begeistert.

Maan Abdullah hat extra eine Facebookseite für den Kurs angelegt. „Arabisch für alle“, heißt sie. Dort veröffentlicht er die Unterrichtsstunden auch als Video. Zur Wiederholung, Vor- und Nachbereitung des Stoffes. „Ich will zeigen, dass ich nicht gefährlich bin“, sagt er. „Ich komme in Frieden.“

Auch für ihn als Muslim komme stets der Mensch vor der Religion. Seine philippinische Frau ist Christin. Sie ging während des Krieges zurück auf die Philippinen, um dort in ihrem Beruf als Krankenschwester einen Job zu finden. Inzwischen arbeitet sie in Kuwait, wo er jedoch im Moment für sich keinerlei Chance auf eine Stelle sieht. Von einem gemeinsamen Alltag mit ihr träumt er. „Ich möchte etwas aus meinem Leben machen“, sagt er. „Das ist mein großer Wunsch.“

Gerade hat er seine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Drei Jahre darf er bleiben. Auch, wenn er nun aus dem Flüchtlingsheim ausziehen und sich eine Wohnung suchen muss, will er den Kurs in jedem Fall fortsetzen. „Viele Menschen in Moritzburg sind wie eine Familie für mich geworden“, erzählt er. „Ich möchte hier oder zumindest in der Nähe bleiben.“

Der Arabischunterricht findet jeden Freitag, 16 Uhr, im Raum 1.5 der Evangelischen Hochschule Moritzburg statt. Der Kurs kostet nichts. Interessenten sind willkommen.