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Frau Holle im Sattelauflieger

Die Hörmanns reinigen Bettfedern. Seit 21 Jahren kommen sie nach Lampertswalde und Ebersbach. Im Winter sind sie Schausteller.

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© Brühl

Von Susanne Plecher

Lampertswalde/ Ebersbach. Frau Holle ist wieder da. „Das ist tatsächlich mein Spitzname: die reisende Frau Holle.“ Jasmin Hörmann näht schnell im Stehen das Inlett zu. Die Kundin, der die Federbetten gehören, ist mit dem Einkauf gleich fertig und will sie auf dem Rückweg abholen. Kunden lässt man nicht warten, vor allem nicht die Stammkundschaft. Von der hat Jasmin Hörmann eine ganze Menge. Schließlich kommt die Bayerin samt Tross alljährlich nach Lampertswalde. Vier Tage lang baut sie ihr rollendes Geschäft gegenüber der Gemeindeverwaltung auf. „Es sind jetzt genau 21 Jahre, dass wir hier sind“, sagt sie. Zarte Federchen haben sich in ihren blonden Locken verfangen.

Wasserdampf gegen Bakterien

Unter der Nähmaschine fliegen Daunen durch eine Kammer. Einige kleben an einer Glasscheibe, die den Blick nach innen freigibt. „Das ist die Wasch- und Trockentrommel, in der die Bettfedern mit 80 bis 120 Grad Celsius heißem Wasserdampf behandelt werden. Das halten die Bakterien nicht aus“, sagt Jasmin Hörmann. Weiß und flaumig wirbelt der Flockensturm. Bettfedernreinigung ist seit jeher Frau Holles Geschäft. In zwei Filterkammern setzt sich der unappetitliche Dreck ab, den ihr Reinigungssystem aus den Betten geholt hat: Hornabrieb, Federkiele, Staub.

Man will lieber nicht wissen, womit man seinen Schlaf teilt. Einmal war ein Fuchsschwanz drin, häufiger sammeln sich Wäscheklammern oder kleine Medaillons an. In Bayern war es früher wohl üblich, die kleinen Aluplättchen zum Schutz in das Bettzeug zu nähen. „Sehen Sie, das alles, können wir herausfiltern, weil wir die Federn aus den Inletts schütteln. Wäscht man sie einfach in der Waschmaschine, bleibt das drin.“

Den Dreck sammelt die Maschine in einem eigenen winzigen Raum. Frau Holles Tochter Jeanette nennt ihn nur „die Kammer des Schreckens“, seit sie die Abenteuerbücher über Harry Potter gelesen hat. Nach zehn bis 20 Minuten sind die Federn gereinigt. Sind die Daunen sauber und trocken, werden sie in der Einfüllkammer unter lautem Getöse in das Inlett geblasen. Dann ist die Nähmaschine dran.

Leben und arbeiten im Lkw

Die Hörmanns erledigen alles auf engstem Raum. Von März bis November arbeiten sie nicht nur in ihrem grauen Lkw, sie leben auch darin. Alles ist perfekt organisiert und zentimetergenau eingepasst. Platz ist ein rares Gut und keinesfalls zu verschenken. Es ist kaum zu glauben, was alles in einen Sattelauflieger passt: Küche mit Küchenzeile, Dusche mit Dampfsauna, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Waschmaschine. Selbst für einen „Vorgarten“ findet sich ein Eckchen.

Auf der Treppe zum Wohnbereich steht ein Blumentopf mit Küchenkräutern. „Wir reisen zu dritt mit Hund“, sagt die 40-Jährige. Tochter Jeanette ist inzwischen 14. Solange die Hörmanns ihren Service zuerst in Lampertswalde und danach in Ebersbach anbieten, geht sie in die Ebersbacher Oberschule. Viele ihrer Kurzzeit-Klassenkameraden kennt sie schon aus dem Kindergarten. „Sie ist damit aufgewachsen. Jeanette ist ein Schaustellerkind in sechster Generation“, sagt ihre Mutter, die in die Tradition eingeheiratet hat.

Drei Tage, bevor die Hörmanns ihren jeweils aktuellen Wirkungsbereich verlassen, meldet Jasmin ihre Tochter an der nächsten Schule an. Das Mädchen kennt so ziemlich alle Oberschulen zwischen Leipzig und Pirna. Dazu kommen noch eine in Bayern und eine in Bochum. Wie das mit den unterschiedlichen Lehrplänen funktioniere? „Gut. Mit viel Arbeit und Konzentration. Aber es geht. Man muss am Ball bleiben“, sagt Frau Holle und schüttelt das saubere Federbett auf.

Weihnachten am Holzriesenrad

Jeder Schausteller hat einen Heimathafen. Der Hörmann'sche befindet sich in Dillingen an der Donau. Wer es auf der Karte sucht, findet es zwischen Ulm und Augsburg. Dort haben sie ein Haus, um das sich in ihrer Abwesenheit die Nachbarin kümmert. Sie hat viel zu tun, denn abwesend ist die Familie fast das ganze Jahr. Geht die Saison der Bettfedernreinigung zu Ende, folgt eine kurze Atempause zu Hause. Danach rollt der graue Laster zum Bochumer Weihnachtsmarkt.

Sechs Wochen lang betreiben die Hörmanns dort ein historisches Holzriesenrad. 1921 ist es von einem Richard Ludwig in Leipzig gebaut worden. Die Hörmanns haben es im Internet gefunden, auf einer Seite, auf der sich Schausteller tummeln. Eine Thüringer Familie hat es abgegeben. Mike Hörmann hat sich einen Kindheitstraum erfüllt, als er es kaufte und renovierte. Es ist eines der letzten Holzriesenräder der Republik. Nun ziert ein Bildnis des Märchenkönigs Ludwig den Eingangsbereich.

Urlaub macht die Familie nach Weihnachten. Dann aber bitte im Hotel. „Nach Camping steht mir dann wirklich nicht der Sinn“, sagt Frau Holle und zeigt ein blütenweißes Lächeln.