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Sachsen will Struktur in den Strukturwandel bringen

In den nächsten Wochen werden die 171 Vorschläge für den Kohleausstieg geprüft.

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Was kommt nach der Kohle. Ideen gibt es einige, doch welche schafft wirklich neue Arbeitsplätze. Experten bezweifeln, dass das mit ein paar Behörden möglich ist.
Was kommt nach der Kohle. Ideen gibt es einige, doch welche schafft wirklich neue Arbeitsplätze. Experten bezweifeln, dass das mit ein paar Behörden möglich ist. © imago/Johannes Koziol

Dresden. Nachdem der Fahrplan für den Kohleausstieg bis zum Jahr 2038 feststeht, nimmt auch zumindest die Organisation des Strukturwandels im Lausitzer Kohlerevier Konturen an. Die Landesregierung hat am Dienstag beschlossen, eine eigene Abteilung in der Staatskanzlei aufzubauen, die die diesbezüglichen Aktivitäten fachübergreifend bündelt und koordiniert. „Wir wollen nicht zulassen, dass aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten Reibungsverluste entstehen“, begründete Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) die Ansiedlung in der Staatskanzlei.

Alle Ministerien werden Mitarbeiter dorthin entsenden. Die neue Abteilung soll ab 1. Februar ihre Arbeit aufnehmen und wird von Stephan Rohde geleitet werden, Abteilungsleiter bei der Sächsischen Aufbaubank. Rohde hat Erfahrung mit der Bündelung unterschiedlicher Interessenslagen. Er war schon einmal Abteilungsleiter in der Staatskanzlei und damals zuständig für die Ressortkoordinierung. Die neue Stabsstelle wird 21 Mitarbeiter zählen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. © Jan Woitas/dpa

„Ich freue mich auf diese Aufgabe der Strukturentwicklung. Ich habe genaue Vorstellungen, was in der Lausitz fehlt und wohin wir kommen wollen“, betonte Ministerpräsident Michael Kretschmer. Welche das sind, verriet er nicht. Im Abschlussbericht der Kohlekommission sind 171 Maßnahmen für die Lausitz aufgeführt, angefangen von einem „Zukunftscluster Handwerk für sportliche Höchstleistungen“ bis zum Bau der ICE-Strecke von Berlin über Weißwasser nach Breslau. Die Kommission habe alle Vorschläge aufgenommen, die aus der Region kamen. Sie müssten jetzt nach Prioritäten geordnet werden. Vorzug haben Projekte, die Arbeitsplätze schaffen und die Ansiedlung von Unternehmen und Forschungsinstituten ermöglichen.

Kretschmer wird am Donnerstag mit der Bundesregierung über die Eckpunkte für das Maßnahmegesetz verhandeln, in dem die wichtigsten Vorhaben festgelegt werden sollen. Nach seinem Willen sollen die Eckpunkte bis Ende April vorliegen wie auch die Punkte für ein Planungsbeschleunigungsgesetz. Dulig betonte, dass die Menschen in der Lausitz wie Mitteldeutschen Revier skeptisch seien, da sie schon einen Strukturwandel mit negativen Folgen erlebt hätten. „Deshalb kommt es darauf an, Verlässlichkeit in die Absprachen zu bekommen“, so Dulig. Ein Ziel müsse auch sein, dass die jetzigen Kohlekraftwerksbetreiber Leag und Mibrag über das Jahr 2038 hinaus Partner für den Strukturwandel bleiben.

Martin Dulig (SPD) ist Sachsens Wirtschaftsminister.
Martin Dulig (SPD) ist Sachsens Wirtschaftsminister. © Monika Skolimowska /dpa

Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung sieht die Empfehlungen der Kohle-Kommission kritisch. In weiten Teilen ist der Kommissionsbericht von der Vorstellung geprägt, dass der Politik eine Verantwortung für die Schaffung neuer Wirtschaftsstrukturen in einer Region zukomme. Der Staat könne jedoch bestenfalls die Rahmenbedingungen für private Investoren setzen, allen voran durch den Ausbau von Infrastrukturen und den Einsatz von Fördermitteln. „Würden die Kommissionsempfehlungen von der Politik übernommen, besteht die große Gefahr, dass hier mit viel Geld falsche und letzten Endes illusorische Vorstellungen geweckt werden“, sagt Joachim Ragnitz, Vize-Chef der Ifo-Niederlassung Dresden. Vor allem die im Bericht enthaltenen Vorschläge zur Weiterentwicklung digitaler Techniken passten vielfach nicht zur Wirtschaftsstruktur in den betroffenen Regionen. Auch sei gerade dieser Sektor von so starken Veränderungen geprägt, „dass es nicht überzeugend ist, für die kommenden 20 Jahre ein hierauf aufbauendes Regionalentwicklungskonzept zu entwerfen“, so Ragnitz weiter. Nach Ansicht des Ökonoms könne man die Empfehlungen der Kommission nur als Vorschläge bewerten, die die Interessenlage unterschiedlicher Gruppen bündeln, aber noch nicht als eine abschließende, die Politik bindende Entscheidungsgrundlage.