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Als der Unterlauf der Weißeritz ein neues Bett bekam

Mit enormen Aufwand wurde vor 130 Jahren der Flussarm von Friedrichstadt nach Cotta verlegt.

Von Heinz Fiedler
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Vor 130 Jahren fertiggestellt: Neues Flussbett für den Unterlauf der Weißeritz, das im Brückenbereich Löbtauer Straße auf einer Länge von 4,5 km in Richtung Cotta abzweigt.
Vor 130 Jahren fertiggestellt: Neues Flussbett für den Unterlauf der Weißeritz, das im Brückenbereich Löbtauer Straße auf einer Länge von 4,5 km in Richtung Cotta abzweigt. © SZ-Archiv

Die Geschichte der Weißeritz scheint vollständig erforscht zu sein. Wer immer über sie schreibt, unterstreicht, dass der Flusslauf wie kein anderer die Landschaft unserer Heimat mit prägt. Um das Jahr 600 ins entvölkerte Elbtal eingewanderte Sorben gaben dem Fluss, von dem zunächst nur der Unterlauf bekannt war, den später auch urkundlich verbrieften Namen Buistrizi, was so viel wie „die Schnelle“ bedeutet. Ein zutreffender Name. Wer die Weißeritz in der langen Zeit ohne Talsperren entfesselt erlebte, dem drängte sich der Eindruck auf, ein ungestümes, temperamentvolles Gewässer voller Kraft vor sich zu haben. Ab 1200 musste auch der Oberlauf seine Geheimnisse preisgeben. Rodungen ließen deutsche Kolonisten Meter um Meter in den erzgebirgischen Dunkelwald vordringen. Ein beschwerlicher Weg, der sie auch zu den beiden Weißeritzzuflüssen führte, die man ab dem 15. Jahrhundert in Rote und Wilde Weißeritz unterschied – unverzichtbare Lebensadern. Sie wurden zum Motor für unzählige Mühlen, förderten den Arbeitsablauf in Firmen und Gewerken, dienten der Trinkwasserversorgung und Stromerzeugung, boten Tausenden erholsame Stunden. Ein Fluss, der mit regelmäßig wiederkehrendem Hochwasser auch Angst und Schrecken verbreitete.

Viel Geld, viel Arbeit

Auf ihrer letzten Wegstrecke zur Elbe durcheilte die von Hainsberg an vereinigte Weißeritz zentrales Dresdner Territorium, um in Friedrichstadt/Ostragehege in die Elbe zu münden. Eine Situation, mit der sich die Stadtplaner nicht länger mehr anzufreunden vermochten. Hier ging ihrer Meinung nach wertvolles Land verloren, das sich für den weiteren Ausbau des Stadtkerns geradezu anbot.

Obwohl die Leute vom Fach schon bald erkannten, dass sich das Projekt nur mit einem ungeheuren Aufwand an Arbeit und Kosten bewerkstelligen ließ, nahmen die Vorbereitungen allmählich feste Konturen an. Am 21. Februar 1891 hatte der Gemeinderat zu Löbtau gegenüber dem Rat zu Dresden sein Einverständnis erklärt. Im September setzten die eigentlichen Arbeiten ein. Ziel: Ein neues, 4,5 km langes Flussbett, das unterhalb der Kesselsdorfer Straße im Brückenbereich Löbtauer Straße mit einem Linksschwenk vom ursprünglichen Bett abzweigt. Künftighin würde die Weißeritz in Cotta die Elbe erreichen.

Über vier Meter hoch

Allein für die Ausschachtung und Verwendung von Erdmassen machen sich 200.000 Mark erforderlich – für damalige Verhältnisse ein enormer Betrag. Sogenannte Kunstbauten – sieben Brücken, davon zwei für den Eisenbahnverkehr und drei Wehre – verschlingen 900.000 Mark. Für die Ufergestaltung sind 25.000 Mark aufzubringen. Das sind nur einige Positionen, erhebliche Kosten resultieren unter anderem auch aus der technischen Ausführung und aus dem Grunderwerb. Jede Menge Arbeit. Bei Ausschachtungen werden 320.000 Kubikmeter Erdmassen bewegt, die man für die Profilierung von Ufer- und Straßendämmen verwendet. 35.000 Quadratmeter Böschungsfläche ist mit Steinpflaster auszustatten. 15.000 Kubikmeter Stampfbeton werden in Wehre und Brücken eingebracht. Über vier Meter hoch aufgemauert das Ufer aus Bruchstein.

1895: Hauptmarkthalle

Im Juli 1893 ist das Werk vollbracht. Zwei Monate später, am 17. September, strömt zum ersten Mal das Wasser der Weißeritz in das neue Flussbett hin zum Cottaer Mündungsbereich. Dresden konnte an das Realisieren ehrgeiziger Vorhaben gehen. Auf Teilen der einstigen Weißeritzpromenade wird eine Hauptmarkthalle errichtet, die am 7. Dezember 1895 ihre Pforten öffnet. 18 Uhr rollt auf dem eigens verlegten Eisenbahnanschluss der erste, mit Lebensmittel beladene Güterzug in die Halle. Auf Flächen des trocken gelegten alten Flussbettes entsteht ein Straßenbauhof.

Erste Belastungsprobe

Die erste harte Belastungsprobe sollte dem neuen Flussbett nicht gut bekommen. Das am 31. Juli 1897 durch wolkenbruchartige Regenfälle ausgelöste Hochwasser überflutete das Bett und zerriss die Ufer vom Eisenbahnrangierberg abwärts bis zur Einmündung in die Elbe. Auf altem Weg drang das Wasser wieder in die Friedrichstadt, richtete in der neuen Markthalle erhebliche Schäden an. Die Erdgeschoßzone des Krankenhauses musste geräumt werden. Abermals war viel Mühe vonnöten, um den verwüsteten Unterlauf der Weißeritz das Aussehen von 1893 zurückzugeben.