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Ein Dorfladen in Frauenhand

Vom Supermarktriesen in den Dorfladen: Jacqueline Geißler ist die neue Inhaberin in Höckendorf und hat sich ausschließlich weibliche Unterstützung gesucht.

Von Beate Erler
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Sabine Göbel, Jacqueline Geißler, Daniela Schütze und Madeleine Hofmann (von links) zeigen, dass es auch im kleinen Dorfladen ein großes Sortiment gibt.
Sabine Göbel, Jacqueline Geißler, Daniela Schütze und Madeleine Hofmann (von links) zeigen, dass es auch im kleinen Dorfladen ein großes Sortiment gibt. © Egbert Kamprath

Etwas Besonderes will Jacqueline Geißler noch zeigen. Der Backstand in ihrem Dorfladen ist mit zahlreichen Postkarten geschmückt. „Die sind alle von nur einem Jahr“, sagt sie stolz. „Wir haben unsere Kunden gebeten, aus dem Urlaub Grüße zu schicken und das haben sie gemacht“, sagt die neue Inhaberin des Dorfladens in Höckendorf. Es sind so viele Karten, die nicht nur an der Front des Backstandes hängen, sondern sogar um die Ecke herum an der kompletten Regalwand. Die Höckendorfer kommen viel rum: Urlaubsgrüße aus Mauritius, den Lofoten und sogar Japan hängen dort.

Aber woher die Karten kommen, ist Jacqueline Geißler gar nicht so wichtig. „Was zählt, ist die persönliche Geste“, sagt sie. Und das ist auch ein Grund, weshalb sie den Dorfladen vor einem Jahr mit ihrer Kollegin Sabine Göbel übernommen hat. „Es ist hier ein ganz anderes Arbeiten“, sagt sie, „viel persönlicher und nicht nur schnell rein in den Laden und wieder raus.“

Wer eine Weile in dem kleinen Laden in der Passage des Höckendorfer Erbgerichts verweilt, wird schnell den Unterschied zu einem Supermarkt feststellen. Man grüßt sich freundlich sogar mit Namen, es wird gescherzt und ein Schwätzchen gehalten. Im Kaufland in Freital, wo Jacqueline Geißler und Sabine Göbel über zehn Jahre als Kassiererinnen gearbeitet haben, war das anders. „Wir wollten dieses Große und Schnelle nicht mehr, die Arbeit war körperlich auch sehr anstrengend“, sagen sie. Allein die Mengen an Waren, die sie in die Regale räumen mussten.

Probleme, Lieferanten zu finden

Beide kannten den Dorfladen schon lange, bevor sie ihn im September 2022 übernommen haben. Jacqueline Geißler lebt seit 24 Jahren in Höckendorf, Sabine Göbel wurde hier geboren. Oft waren sie selbst Kundinnen in dem kleinen Laden von Bäckermeisterin Bärbel Leiteritz, die ihn über 20 Jahre führte. „Dann hing plötzlich ein Zettel an der Tür, dass ein Nachfolger gesucht wird“, sagt die neue Inhaberin, Jacqueline Geißler.

Ziemlich schnell kann sie sich vorstellen den Laden zu übernehmen, aber nur mit ihrer Freundin und Kollegin, Sabine Göbel. Die beiden kennen sich seit Jahren und haben schon im „Hotel Erbgericht“ gleich nebenan zusammengearbeitet. „Wir sind einfach ein eingespieltes Team und können uns aufeinander verlassen“, sagen beide. Sie übernehmen die Mitarbeiterin Madeleine Hofmann, Daniela Schütze kommt neu dazu. Zu viert schmeißen sie den Laden immer in Zweierteams - sechs Tage die Woche.

Nach dem Ausverkauf steht der Markt, als sie ihn übernehmen, erst einmal komplett leer. „Wir hatten nur eine Woche Zeit für den Umbau“, erinnern sie sich. In dieser Zeit kommen Maler und Elektriker. Und sie haben Probleme, einen neuen Lieferanten zu finden. „Wir wurden von den großen Einzelhandelsunternehmen abgelehnt, weil wir nicht genug Umsatz im Jahr machen“, sagt Jacqueline Geißler. Mit der Vorbesitzerin gab es mit Edeka noch alte Verträge. Nun werden sie von einer Tochterfirma, dem Edeka Foodservice, beliefert.

Neue regionale Angebote

Am Anfang waren nicht alle Regale gleich voll, denn für die Bestellungen war kurz vor der Eröffnung nicht viel Zeit. Und sie spüren eine Kaufzurückhaltung. „Wir haben den Laden in einer schwierigen Zeit übernommen, denn die Preise sind explodiert und die Leute waren sehr sparsam“, sagt Jacqueline Geißler.

Mittlerweile sind die Regale voll. Und es gibt auch einige neue Angebote aus der Region. Zum Beispiel Schnäpse der Brennerei aus Freital-Somsdorf, Whisky aus Dresden, Obst und Gemüse aus der Gärtnerei Colmnitz und neben den Backwaren der Bäckerei Leiteritz aus Dippoldiswalde auch welche aus der Tharandter Bäckerei Seidel. „Wir wollten frischen Wind und mehr Auswahl“, sagen beide.

Sie freuen sich über die vielen Kunden, die täglich kommen. Und das sind nicht nur die älteren Leute aus dem Dorf. Hier leben viele junge Familien, die auch gern im Laden vorbeischauen, sagen sie. Wocheneinkäufe machen hier die wenigsten, da die Preise höher sind als im Supermarkt.

Deshalb gehört zum erfolgreichen Konzept eines Tante-Emma-Ladens von heute auch mehr als nur Lebensmittel. Es gibt besondere Präsente, die man in einem Supermarkt oder Discounter so nicht findet. Und das Viererteam arbeitet schon an einem kleinen Imbiss. Dafür ist extra noch ein kleiner Raum entstanden: Fischbrötchen, Bockwurst und Kaffee. Das mögen sicher auch die Bauarbeiter, die öfter vorbeikommen. „Wir haben unseren festen Job aufgegeben und viel riskiert für dieses Abenteuer“, sagt Jacqueline Geißler. Sie ist zuversichtlich, dass sich das gelohnt hat.