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Freital ist am Klein-Klein gescheitert

Freital wollte ein Stadtzentrum. Doch das Projekt war von Anfang an unkreativ und mutlos. Es ist eine Pleite - nicht nur des Investors, sondern auch der Lokalpolitiker.

Von Annett Heyse
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Freital ist an seiner Mutlosigkeit gescheitert.
Freital ist an seiner Mutlosigkeit gescheitert. © Egbert Kamprath

Freital, oder vielmehr seine Vorgängerorte, waren einst von Gründergeist und Unternehmertum geprägt. Mit Recht kann die heutige Stadt stolz auf ihre Bergbau- und Industriegeschichte sein. Burgk galt 1828 als erstes Dorf mit Gasbeleuchtung, im Weißeritztal entwarf Otto Lilienthal 1880 eine Schrämmmaschine für den Bergbau und durch ein Zauckeroder Steinkohlebergwerk rollte 1882 die erste elektrische Grubenbahn der Welt.

Alles lange her - und das ist das Problem. Aus dem Weißeritztal kommen keine Ideen mehr. Es reicht noch nicht mal für ein Stadtzentrum. Davon, dass etwas entsteht, was auch Leute von außerhalb nach Freital locken könnte, wollen wir gar nicht erst reden.

Denn statt dem Motto "Think big or go home" - auf Deutsch: Denke groß oder geh nach Hause - zu folgen, das auf jedem Motivations- und Gründerseminar gepredigt wird, dachte man in Freital klein-klein. Man agierte hasenfüßig und verkaufte das Filetstück in der Stadtmitte an einen Investor. Seitdem muss man zusehen, wie alle Träume zerplatzen. Weil Investoren eben das machen, was Investoren so machen: Mit möglichst wenig finanziellem Aufwand viel Geld herausschlagen. "Think big or go home" - allerdings im negativen Sinne. Um das Wohl Freitals, um einen neuen Leuchtturm, um Kreativität und Außergewöhnliches ging es den Bauherren nie.

Was wäre am Sächsischen Wolf alles möglich gewesen, wenn man im Stadtrat und im Oberbürgermeisterbüro 2017 Gründergeist und Mut bewiesen hätte. Schon damals gab es Stadträte, die vorschlugen, sich an die Hochschulen zu wenden: Plant uns ein Stadtzentrum der Zukunft - modern, zum Wohnen, Leben, Bummeln, Arbeiten, ökologisch durchdacht, besser noch innovativ und mit einer Architektur, die es nicht an jeder Ecke gibt. Die Studenten Deutschlands hätten sich richtig austoben können. Und dann hätte man einen Entwurf gehabt, über den mögliche Investoren gesagt hätten: Da will ich mit dabei sein. Man hätte sogar eine städtische Aktiengesellschaft gründen und Geld auch bei den Bürgern einsammeln können, um das Stadtzentrum selbst zu bauen.

Doch man hatte im Rathaus weder Mut noch Kreativität, sondern packte das Projekt wie einen Verwaltungsakt an. Nun sind zwei Investoren abgesprungen, der dritte ist insolvent und ein Spatenstich in weite Ferne gerückt. Es ist eine Pleite allererster Güte - für Freitals Lokalpolitiker und die Rathausspitze.