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Findus' neue Frau - Wechsel in der Tharandter Buchhandlung

Die langjährige Inhaberin Annaluise Erler hört auf. Am 22. Dezember ist ihr letzter Arbeitstag in der Tharandter Buchhandlung Findus. So geht es weiter.

Von Mathias Herrmann
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Annaluise Erler (l.) erinnert sich mit Ulrike Uhlmann an 30 Jahre Buchhandlung Findus in Tharandt.
Annaluise Erler (l.) erinnert sich mit Ulrike Uhlmann an 30 Jahre Buchhandlung Findus in Tharandt. © Karl-Ludwig Oberthür

Es ist neblig und kalt in Tharandt. Der gelbe Backstein des Buchladens Findus an der Schillerstraße leuchtet im letzten Tageslicht. Inhaberin Annaluise Erler sitzt bei einer Tasse Kaffee am Tisch und blättert in Erinnerungen. Die Alben sammeln alle Begegnungen und Veranstaltungen in der Buchhandlung.

Der Almanach umfasst mehr als sieben Bände aus dreißig Jahren Findus. Er vereint Autoren und Künstler, die zu Gast waren, ihre Bücher vorstellten oder Musik spielten. Vorträge gehören genauso dazu wie Bastelnachmittage oder Wohltätigkeitsveranstaltungen.

Findus ist mehr als ein Buchladen

In den Ordnern sind auch die Harry-Potter-Abende festgehalten. Die heute 63-jährige Inhaberin ahnte vor dreißig Jahren nicht, dass ein Zauberer zu den größten Erfolgen gehören wird. „Mein erster Laden in Tharandt war 35 Quadratmeter groß“, erinnert sie sich. Fünf Jahre und zwei Wasserrohrbrüche später zog die Buchhandlung um. Es dauerte weitere zehn Jahre, bis die Buchhandlung Findus an ihrem heutigen Platz begann. Inzwischen sind Erler und ihr Findus über Tharandt hinaus bekannt. „Ich habe viele Kunden, die von weiter herkommen“, erzählt sie und nippt an ihrem Kaffee. Auch zu den Veranstaltungen im Findus kommen die Besucher nicht nur aus Tharandt.

Christian Wulff (CDU), ehemaliger Bundespräsident, spricht in der Buchhandlung Findus in Tharandt.
Christian Wulff (CDU), ehemaliger Bundespräsident, spricht in der Buchhandlung Findus in Tharandt. © SAE Sächsische Zeitung

Wie viele Veranstaltungen es in den Jahren waren, weiß Annaluise Erler nicht. Eine Veranstaltung oder einen Künstler möchte sie nicht hervorheben. „Das wäre den anderen gegenüber nicht gerecht“, sagt sie sportliche Frau. Ob Studentenbegrüßungstüten, Konzettiveranstaltung oder Feiern fürs Kinderheim: Findus war immer mehr als nur eine Buchhandlung. „Und jeder Abend oder Nachmittag war etwas Einzigartiges.“

Ausgezeichnete kreative Ideen aus Tharandt

Ihr Engagement, ihre Kreativität und ihre Begeisterung stecken an und fallen auf. Gleich dreimal zeichnete die Bundesregierung Findus für das Angebot aus. Die Ideen für die Veranstaltungen kommen Erler nachts. „Im Schlaf habe ich viele Ideen“, sagt sie lächelnd. Anschließend erzählt sie ihrem Mann und ihren Kindern von der Idee. „Wir diskutieren darüber, überlegen, ob die Idee gut ist und wie sie umgesetzt werden kann.“

Es gab nicht nur gute Zeiten. Die schweren Zeiten meisterte Erler mit ihrer positiven und zuversichtlichen Lebenseinstellung. Neben den Corona-Jahren waren es vor allem die Zeit nach der Flut 2002. „Wir waren nicht betroffen vom Hochwasser, wollten aber den Menschen helfen“, sagt sie.

Fabian Schumann und Sandra Mahn haben ein Kinderbuch über die Sage von Rotkopf Görg geschrieben und illustriert.
Fabian Schumann und Sandra Mahn haben ein Kinderbuch über die Sage von Rotkopf Görg geschrieben und illustriert. © Foto: Karl-Ludwig Oberthür

Gemeinsam mit anderen Händlern der Stadt bot Erler einen Lieferservice an. Bücher, Lebensmittel oder anderes konnte bestellt werden und wurde geliefert. „Davon machten wenige Gebrauch“, sagt sie leise. Anders in der Corona-Zeit. Da war die Nachfrage groß und Findus war gefragt.

Jetzt ist es an ihrer Mitarbeiterin Ulrike Uhlemann, die Findus-Geschichte weiterzuschreiben. Sie übernimmt die Buchhandlung. Pläne dafür hat Uhlemann viele. Das bekannte Angebot an Belletristik, Sachbüchern und Ratgebern soll sich nicht ändern. Ihre Handschrift will Uhlemann dem Findus aber geben: „Ich werde mehr Familien- und Brettspiele anbieten.“ Dazu wird es Spieleabende geben. Lesungen sind vorerst nicht geplant.

Neue Findus-Chefin kam als Praktikantin nach Tharandt

Dass Buchhandel nicht leicht ist, davon kann Erler viel berichten. Aber auf die Unwägbarkeiten zurückzublicken ist nicht ihre Art. Sie blickt nach vorn, freut sich auf das Leben nach der Arbeit. „Ich höre etwas früher auf, denn mein Mann geht im Frühjahr kommenden Jahres in den Ruhestand“, sagt sie. Die Findus-Chefin hofft, mit der neuen Freizeit noch mehr Zeit zum Lesen zu haben. Auch ihren Garten will Erler mehr genießen. Dann sind da noch Kinder und Enkel. „Ab nächstem Jahr haben wir die Ruhe und Zeit für Reisen zu den Kindern.“ Bis nach England und Schweden werden sie fahren, um alle zu besuchen. Darauf freut sie sich. Miteinander zu telefonieren ist nicht mit einem Besuch zu vergleichen.

Dass das Geschäft bei Ulrike Uhlemann in guten Händen ist, dessen ist sich Annaluise Erler sicher. Uhlemann kennt die Buchhandlung. Während ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin kam sie vor fünf Jahren zum Praktikum in den Findus und blieb. „Es hätte mir nichts Besseres passieren können“, sagt sie. Von ihrer Chefin hat sie viel gelernt über Literatur.

Christine Fuchs von der Räuchermanufaktur Labdanum, stellt den Zuhörern das Räuchern mit einheimischen Pflanzen, wie Salbei oder Lavendel vor.
Christine Fuchs von der Räuchermanufaktur Labdanum, stellt den Zuhörern das Räuchern mit einheimischen Pflanzen, wie Salbei oder Lavendel vor. © freier Fotograf

Zu spüren, was die Bücherfreunde wollen, hat Annaluise Erler in den Jahren perfektioniert. „Ich lese sehr viel“, bekennt sie. Dabei gibt es kein Genre, dass sie nicht gelesen hat. „Wenn ein Verlagsvertreter kommt, dann lese ich viele Tage vorher nur Bücher dieses Verlages“, verrät sie das Geheimnis ihres riesigen Wissens über Literatur. Dabei gibt sie sich bescheiden: „Ich muss doch gut vorbereitet sein und wissen, über was wir reden.“

Aufgewachsen in Niedersachsen

Die Leidenschaft für das geschriebene Wort entdeckte die heutige Buchhändlerin früh. Mit sieben Jahren bekam sie Michael Endes „Jim Knopf“ vererbt von ihrem Großvater. „Das war das erste Buch, dass ich komplett durchgelesen habe“, erinnert sie sich. Von da an ließen sie Bücher nicht mehr los.

Die Begeisterung für die Seiten voller Geschichten teilte sie mit ihrer Mutter. „Sie war ein großer Kurt-Tucholsky-Fan“, so Erler. Von Tucholsky (1890 - 1935) bekam ihre Mutter die Idee für den Namen ihres Kindes: Annaluise. Im Gedicht „Wenn die Igel in der Abendstunde“ schwärmt Tucholsky melancholisch von Anna-Luise.

Die Annaluise von der Buchhandlung in Tharandt wurde in Braunschweig geboren und wuchs in einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb auf. Als ihr Vater starb, bekam sie den elterlichen Hof vererbt. Sie war 17 Jahre alt und hatte mit Landwirtschaft keine Erfahrung. „Es war so üblich, dass das älteste Kind den Betrieb vererbt bekam“, sagt sie. Weil sie keine Ambitionen für die Landwirtschaft hatte, übernahm ihre Schwester das Unternehmen. Noch heute bewirtschaftet sie die Felder und pflegt das über 500 Jahre alte Rittergut.

Nach einem Praktikum im Buchhandel stand für Annaluise Erler fest: Buchhändlerin möchte sie werden. Nach mehreren Umzügen kam sie mit ihrem Mann nach Tharandt. Sie verliebten sich in die Stadt und ihre Einwohner und blieben.

Erfolgsautorin Anne Stern war im Mai zur Lesung in der Tharandter Buchhandlung Findus.
Erfolgsautorin Anne Stern war im Mai zur Lesung in der Tharandter Buchhandlung Findus. © PR/Julius Erler

So kam es zum Namen Findus für die Buchhandlung

Einen Pettersson zum Findus gibt es übrigens in Tharandt nicht. Der Name der Buchhandlung ist an die berühmten Geschichten von Autor Sven Nordqvist angelehnt. Vorgeschlagen wurde er von ihren vier Kindern. „Die Mehrheit hat gesiegt und ich wurde überstimmt“, lacht die Buchhändlerin. Bereut hat sie den Namen nie. Jeder wisse sofort Bescheid, wer Findus ist und er klingt auch gut. Ulrike Uhlemann behält den Namen. „Darunter kennt jeder das Geschäft“, sagt sie.

Beide Frauen freuen sich auf die Zukunft und ihre neuen Aufgaben. Annaluise Erler wird ihren Findus gelegentlich besuchen. „Wenn meine Kollegin Fragen hat, helfe ich gern“, sagt sie.