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Tharandts Raumausstatter sagt tschüss, das Geschäft bleibt

Nach fast 30 Jahren hört Raumausstatter Gerd Müller auf. Den Meisterbetrieb übergibt er mit seiner Frau in erfahrene Hände.

Von Beate Erler
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Seit 30 Jahren im Geschäft: Raumausstattermeister Gerd Müller hat für sein Lebenswerk den passenden Nachfolger gefunden.
Seit 30 Jahren im Geschäft: Raumausstattermeister Gerd Müller hat für sein Lebenswerk den passenden Nachfolger gefunden. © Karl-Ludwig Oberthür

In der kleinen Mitarbeiterküche stehen schon die Sektflaschen bereit. Sogar der Maler war noch mal da, damit für den Freitag alles perfekt ist. „Viele Leute haben sich angekündigt“, sagt Raumausstattermeister Gerd Müller. Das Geschäft haben er und seine Frau Ramona 1994 eröffnet.

Nach nicht ganz 30 Jahren haben sie beschlossen, sich zur Ruhe zu setzen und übergeben ihr Geschäft am Freitag an die Firma Reichelt aus Ruppendorf. „Es kommen viele Geschäftspartner und auch Vertreter von Stadtverwaltungen und Behörden“, sagt der Geschäftsführer.

Im Nähatelier neben dem Ladengeschäft wird inzwischen weitergearbeitet. Gardinen, Polster und Kissen. „Gerade arbeiten wir an Kissen für Hängesessel für ein Dresdner Hotel“, sagt Gerd Müller. Und auch im Obergeschoss in der Polsterei wird gewerkelt. Seit fast drei Jahrzehnten ist der Meisterbetrieb auf der Roßmäßlerstraße der Anlaufpunkt für die Kunden aus der Umgebung und der Stadt Dresden. Mit ihrem Fachgeschäft für Raumausstattung sind die Müllers die einzigen in Tharandt.

Sie bieten maßgeschneiderte Gestaltungslösungen auf Kundenwunsch von der Beratung über die Planung bis hin zur Umsetzung. Dafür stehen neben dem Chef, der 1985 seine Meisterausbildung zum Polsterer gemacht hat, langjährige Mitarbeiter wie ein Meister, ein Raumausstatter und zwei Raumausstatterinnen bereit.

Das erste Gespräch zur Unternehmensnachfolge war eher geselliger Natur, sagen Gerd und Ramona Müller. „Wir haben letzten Sommer bei einem Essen mit Jörg Reichelt darüber gesprochen." Aus dem Gedanken wurde innerhalb nur eines Jahres Ernst. Der Seniorchef der Firma „Reichelt, die Einrichter OHG“ und Gerd Müller kennen sich seit 1984 von der Meisterschule. Seitdem hatten sie privat und beruflich immer wieder Kontakt, zum Beispiel über den Fachverband der Raumausstatter. „Wir sind überaus glücklich, dass unser Lebenswerk so fortgeführt werden kann“, sagen die Müllers.

Von der Handwerkskammer Dresden haben sie eine Wertermittlung ihres Unternehmens durchführen lassen und mit der Firma Reichelt einen Gesamtkauf vereinbart. „Wir übernehmen ein sehr gut aufgestelltes Unternehmen, das von der Art und Außendarstellung so bestehen bleiben soll“, sagt Katharina Heber, Prokuristin bei Reichelt. Am Sortiment soll es einige Anpassungen geben, aber es soll sich von dem der Einrichtungshäuser in Dresden und Ruppendorf unterscheiden, so Katharina Heber.

Die handwerkliche Tradition der Raumausstatter bleibt so in Tharandt erhalten. „Es ist uns sehr wichtig gewesen, dass die Mitarbeiter als größter Wertschatz der Firma den Weg der Unternehmensnachfolge ebenfalls mit uns gehen“, so die Firma Reichelt, die mit 33 Mitarbeitern ebenfalls ein namhaftes Handwerksunternehmen in der Raumausstattung ist.

Nachfolgeinteressenten stehen nicht mehr Schlange

Dass es mit der Unternehmensnachfolge so schnell und problemlos funktioniert, ist alles andere als selbstverständlich. Aktuell gibt es im Landkreis etwa 1.500 Unternehmerinnen und Unternehmer, die über 55 Jahre alt sind und für die diese Thematik in den kommenden Jahren ansteht, so Daniel Bagehorn von der Handwerkskammer Dresden. Wie viele davon bereits aktiv nach einem Nachfolger suchen, ist der Handwerkskammer nicht bekannt. Im Handwerk ist die Betriebsübergabe innerhalb der Familie am häufigsten. Bei den Müllers haben die Kinder aber andere Berufsrichtungen eingeschlagen, sagen sie.

Der demografische Wandel erschwere das Finden geeigneter Nachfolger für die Unternehmen im Landkreis: „Die Zahl potenzieller Übernehmer nimmt ab und der Fachkräftemangel, der vielen Handwerksbetrieben zu schaffen macht, hat auch in diesem Punkt negative Auswirkungen“, sagt Daniel Bagehorn.

Ob ein 14 Meter langes Sofa, Sonderanfertigungen nach historischem Vorbild oder eine Couch bezogen mit Büffelleder, all das wird es auch in Zukunft und sogar unter dem alten Namen „Raumausstatter Gerd Müller“ in Tharandt geben. Nur den Geschäftsführer und seine Frau wird man weniger oft sehen. „Wir haben genug gearbeitet, zum Teil 70 bis 80 Stunden die Woche“, sagen sie. Ein Urlaub oder eine Weltreise ist aber noch nicht geplant. Schließlich sind die beiden auch nach der Firmenübergabe am Freitag noch erreichbar. „Wir wollen ja einen guten Übergang schaffen.“