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Risiko Hochwasser: Behörden kritisieren Baupläne für Wohngebiet in Freital

Es geht um das alte Betriebsgelände am Sachsenplatz. Im Stadtrat wurde bisher das geplante Hochhaus infrage gestellt, dabei liegt das Problem ganz woanders.

Von Annett Heyse
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Zwischen Weißeritz und Poisenbach soll das Becker-Gelände mit Wohnhäusern bebaut werden - Hochwasserrisiko inklusive.
Zwischen Weißeritz und Poisenbach soll das Becker-Gelände mit Wohnhäusern bebaut werden - Hochwasserrisiko inklusive. © Egbert Kamprath

Sieben neue Wohnhäuser mitten im Freitaler Stadtzentrum, am Fuße des Windbergs und mit Blick auf die Weißeritz - das klingt nach einer Traumlage. Und es klingt nach einem guten Anlageobjekt. Denn Wohnungen, vor allem für Familien, sind in der Stadt begehrt und stark nachgefragt. Das Angebot in Freital ist jedoch überschaubar.

Die Pläne für ein solches Wohnareal, gelegen am Sachsenplatz, stießen deshalb bisher in Rathaus, beim Stadtrat und auch in Teilen der Bevölkerung auf reges Interesse.

Allenfalls gab es Kritik an einem geplanten Zehn- bis Zwölfgeschosser. Mancher sorgt sich, ob ein solches Hochhaus in die Gegend passt. Mancher fragt sich auch, ob man damit nicht einen sozialen Brennpunkt mitten in der Stadt schafft.

Doch das Problem derzeit ist weder ein optisches, noch eventuell ein gesellschaftliches. Vielmehr gerät die geplante Wohnbaubebauung am Sachsenplatz ins Visier einiger Behörden.

Plangebiet 2002 von der Flut betroffen

Dabei geht es um den Hochwasserschutz. Dann das gut 20.000 Quadratmeter große Baugebiet, bisher das Betriebsgelände der Becker Umweltdienste, liegt nicht nur idyllisch am Fuße des Windbergs. Es liegt genau zwischen der Weißeritz und dem Poisenbach.

Außerdem kommt hier der Deubener Mühlgraben an, der Oberflächenwasser sammelt, welches unterhalb des zukünftigen Wohngebiets in die Weißeritz fließt.

Angesichts dieser Konstellation schrillen in den Behörden die Alarmglocken.

Auf dieser Fläche zwischen Weißeritz und Poisenbach, wo auch der Deubener Mühlgraben ankommt, soll ein Wohngebiet entstehen.
Auf dieser Fläche zwischen Weißeritz und Poisenbach, wo auch der Deubener Mühlgraben ankommt, soll ein Wohngebiet entstehen. © SZ Grafik

So hält das Landratsamt Pirna in einer Stellungnahme zum Entwurf des Bebauungsplanes fest: "Der Standort war beim Hochwasser vom August 2002 von Überschwemmung betroffen."

Und weiter heißt es: "Die überarbeiteten Hochwassergefahrenkarten der Roten Weißeritz, der Wilden Weißeritz und der Vereinigten Weißeritz Freital mit Stand vom 21. Dezember 2020 weisen Teile des Standortes bei HQ100 weiterhin als überschwemmt und vollständig im Hochwasserrisikogebiet befindlich aus." Mit HQ100 bezeichnen Fachleute ein Hochwasser, wie es statistisch gesehen in 100 Jahren einmal vorkommt.

Landestalsperrenverwaltung spricht von Risikogebiet

Auch die Landestalsperrenverwaltung warnt. "Aufgrund der Lage in einem überschwemmungsgefährdeten Gebiet beziehungsweise in einem Risikogebiet kann bei auftretenden großen Hochwasserereignissen trotz aller getroffenen Vorkehrungen eine Hochwassergefährdung der geplanten Anlagen sowie für Dritte nicht ausgeschlossen werden", schreibt die Behörde. Außerdem werde zusätzliches Schadenspotenzial geschaffen.

Der Investor, die HD Investitions- und Verwaltungs GmbH aus dem Baden-württembergischen Deizisau geht mit dem Problem kreativ um. Man plant, das Gelände anzuheben, also aufzufüllen, um die Häuser höher zu setzen, als das heutige Bodenniveau es zulassen würde.

Doch trotz der Hochwasserproblematik sollen Keller und Tiefgaragen angelegt werden.

Katastrophenschutz ist gegen Baupläne

Beim Katastrophenschutz im Landratsamt kann man darüber nur den Kopf schütteln. "Aus Sicht des Referats Katastrophenschutz ist es unverständlich, wie ein Wohngebiet in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet entstehen kann. Gerade nach den Ereignissen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Sommer 2021 sollte mit einer höheren Sensibilität an derartige Bebauungsvorhaben herangegangen werden", heißt es in einer Stellungnahme.

Zudem sei die Argumentation mit einer hochwasserangepassten Bauweise zu kurz gedacht. So schreiben die Katastrophenschützer: "Wir stellen hier die Frage, ob und wie eine Risikokommunikation seitens der Stadt Freital mit der Bevölkerung des entstehenden Wohngebietes stattfindet. Den Bürgern muss bewusst sein, dass sie in einem Überschwemmungsgebiet wohnen werden. Weiterhin sollten sie die entsprechenden Maßnahmen im Ereignisfall kennen."

Seitens der Stadt, die den vom Investor erarbeiteten Entwurf des Bebauungsplanes im Sommer 2021 auslegte, heißt es dazu im Abwägungsprotokoll: Man werde einen objektbezogenen Evakuierungsplan in die Planunterlagen aufnehmen. Das bedeutet, dass der Bauherr einen solchen Evakuierungsplan erarbeiten und vorhalten muss.

Bei Hochwasser von Versorgung abgeschnitten

Doch Pläne sind das eine, mögliche Szenarien das andere. Beim Regionalen Planungsverband hat man sich Gedanken gemacht, was bei einem Hochwasser in dem Wohngebiet geschehen könnte.

"Das bedeutet, dass die Gebäude bei Hochwassergefahr frühzeitig evakuiert werden müssten, da die Bewohner ansonsten für die Dauer des Hochwassers und einen unbestimmten Zeitraum danach in ihren Wohnungen eingeschlossen und unter anderem von medizinischer Versorgung abgeschnitten sind", schreibt der Verband.

Und weiter: "In einem Extremhochwasserfall werden sehr große Teile des Stadtgebietes von Freital betroffen sein, sodass die Stadt Freital abwägen muss, ob man es sich leisten kann, die Anzahl der vom Hochwasser direkt betroffenen Einwohner noch weiter zu erhöhen."

Zu befürchten ist auch: Den Wassermassen, die beim nächsten extremen Hochwasser kommen werden, werden Häuser in den Weg gestellt. Diesen Gebäuden müssen die Fluten ausweichen - das Wasser wird angestaut, im schlimmsten Fall in Nachbargrundstücke gedrückt.

Stadträte entscheiden über Planentwurf

Aufmerksamen Freitalern kommt die Diskussion um das Hochwasserrisiko bekannt vor. Denn jenseits der Weißeritz liegt ein ähnlich gelagertes Problem vor.

Hier soll das neue Stadtzentrum auf dem Gelände Sächsischer Wolf entstehen und auch hierbei häufen sich die Einwände von Fachbehörden wegen des Hochwasserrisikos. Die Argumente lesen sich fast deckungsgleich.

In der Stadtratssitzung im November äußerte Helmut Weichlein, juristischer Referent des Oberbürgermeisters dazu nur, es sei doch immer Konsens gewesen, dass der Sächsische Wolf wieder bebaut werde. Der Stadtrat winkte den Entwurf für das Stadtzentrum trotz der Warnungen durch. Demnächst werden die Pläne nochmals öffentlich ausgelegt, dann können sich alle Bürger informieren, was geplant ist.

Ob es mit dem zukünftigen Wohngebiet am Sachsenplatz ähnlich läuft, wird man am Donnerstagabend sehen. Am 8. Dezember berät der Stadtrat zur geplanten Bebauung. Der Investor hat den Planentwurf überarbeiten lassen und dabei auch weiter am Hochwasserschutz gearbeitet. Freitals Räte werden dann entscheiden, wie sie mit dem Risiko umgehen wollen.