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Freital: Warum dieser Bauer keine Subventionen möchte

"Die Politik muss umdenken", fordert Bauer Marc Bernhardt und sagt hier, was er als Lebensmittelproduzent vom Staat erwartet.

Von Mathias Herrmann
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Die frische Milch seiner Kühe verkauft Marc Bernhardt auch vor Ort an der Milchtanke.
Die frische Milch seiner Kühe verkauft Marc Bernhardt auch vor Ort an der Milchtanke. © Egbert Kamprath

Als Anfang des Jahres bekannt wurde, dass der Agrar-Diesel abgeschafft werden soll, war das der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Schon länger waren die Bauern mit einer Reihe von Regelungen und Auflagen nicht einverstanden. Mit langen Traktor-Kolonnen und Blockaden insbesondere an Autobahnauffahrten protestierten sie gegen die Agrar-Politik. Organisiert wurden die Demonstrationen vom Verein Land schafft Verbindung und dem Bauernverband. Inzwischen ist es um das Thema ruhiger geworden, nachdem ein Teil der Streichpläne zurückgenommen wurde. Ein Teilerfolg für die Landwirte. Waren aber die Proteste darüber hinaus umsonst?

Nein, meint Marc Bernhardt. "Die Ruhe täuscht. Vertreter der Bauernvereine und -verbände verhandeln mit Politkern, wie die deutsche Landwirtschaft wettbewerbsfähiger wird." Er muss es wissen. Marc Bernhardt ist im Vorstand des Vereins Land schafft Verbindung und er ist Bauer mit Leib und Seele.

Seine Familie und er führen den Familienbetrieb mittlerweile in fünfter Generation. Der Somsdorfer Landwirt unternimmt alles, damit es seinen 100 Kühen gut geht. So wurde für die Milchrinder ein großer Stall mit viel Licht erbaut und eine automatische Melkstation installiert. Auch finden die Rinder ihre Entspannung bei den integrierten Wellness-Geräten. Und weil es wegen dieser Anschaffungen den Kühen gut geht, kann der 37-jährige Milchwirt eine gleichbleibende Milchqualität und -menge garantieren. Eine seiner besten Kühe gab vergangenes Jahr rund 16.000 Liter Milch. Das sind etwa 50 Liter am Tag.

Doch auch für Bernhardt wird es immer schwerer, diesen Standard zu halten. "Die Auflagen sowohl in der Bundesrepublik als auch in der EU nehmen immer weiter zu und erhöhen zusammen mit den massiv gestiegen Energiepreisen die Herstellungskosten. Gleichzeitig müssen die erzeugten Lebensmittel preislich mit dem niedrigen Weltmarktniveau konkurrieren", fasst er die Situation zusammen. Dass Europa höhere Anforderungen hat, findet er grundsätzlich nicht falsch. "Wir schaffen es, mit den höchsten Standards eine der besten Milch- und Fleischqualitäten der Welt zu produzieren", sagt der Tierwirt, der gerade in seinem Stall steht. Das kostet die Landwirtschaft viel Geld, das aber auch refinanziert werden muss.

Bauern brauchen keine Subventionen

Eine rot-weiße Katze huscht leichtfüßig durch den Stall. Unberührt von den Kühen schlendert sie in der Mitte des Gangs entlang. Die Kühe stören sich nicht an dem kleinen Besucher. Sie genießen ihr Futter aus Silage mit Mais und Gras. "Kühe lieben Konstanz", sagt Marc Bernhardt. "Gleiches Futter, gleiche Umgebung, gleiche Herde - dann sind Kühe glücklich und geben gute Milch."

Damit die deutschen Bauern bei den internationalen Milch- und Fleischpreisen mithalten können, subventionierten die EU und Deutschland die Landwirtschaft. "Die Art und Weise war vielleicht in den 1980er- und 90er-Jahren richtig, doch heute funktioniert das nicht mehr", so Marc Bernhardt. Auch dass immer nur gestrichen und gekürzt wird, wie er meint, anstatt Anreize zu schaffen für Investitionen, sieht Bernhardt problematisch. Dabei beläuft sich der EU-Agrarhaushalt auf mittlerweile 58,3 Milliarden Euro - eine Rekordsumme.

Sachsens Kühe sind spitze in der Milchproduktion.
Sachsens Kühe sind spitze in der Milchproduktion. © SZ/DIetmar Thomas

Mit Protesten Gehör verschaffen

"Deswegen gehen wir auf die Straße. Die Politik muss die Art der Unterstützung der Landwirtschaft überdenken." Auf übermäßige Subventionen könnten die Bauern verzichten. Doch dazu bräuchte es eine Anpassung der Verkaufspreise, um zukünftig die Herstellungskosten und den notwendigen Gewinn über die eigenen Produkte decken zu können.

"Das Problem ist, dass in Deutschland vier große Lebensmittelhändler die Preise maßgeblich bestimmen und nicht der Produzent den Verkaufspreis seines Produktes vorgibt, wie überall sonst", so der Landwirt. Zu lange hätten Kartellamt und Politik Übernahmen und Zusammenführungen der Discounter genehmigt und so die verkehrte Preispolitik geschaffen. "Könnten wir die Preise den Kosten anpassen, könnte man in weiten Teilen auf Subventionen verzichten." So würde der Milchpreis vielleicht um fünf bis zehn Cent je Liter steigen, schätzt Bernhardt. "Für die Qualität würde es der Verbraucher einsehen", vermutet er.

Landwirt fordert Sicherheit für die Zukunft

Die Proteste zum Anfang des Jahres brachte den Bauern Aufmerksamkeit. "Inzwischen hört die Politik intensiver hin", meint der Somsdorfer Bauer und findet das gut. Ob daraus aber zeitnah eine positive Wirkung für die Landwirtschaft resultiert, sei noch nicht abzusehen. "Die politischen Entscheidungsträger müssen wieder Folgeabschätzungen von Reglungen machen und somit eine Zukunftssicherheit über mehrere Jahre geben", fordert der Landwirt. „Wir Landwirte denken und planen teilweise in Generationen, nicht nur in Legislaturperioden. Und dafür braucht es eine zukunftssichere Landwirtschaftspolitik“. Schaut man in die vielen landwirtschaftlichen Statistiken, so bemerkt man schnell den anhaltenden Rückgang von Betrieben und Tierhaltern. Gleichzeitig steigen die Importzahlen der fehlenden Produkte.

"Wir haben eine der hochwertigsten Landwirtschaften der Welt und können vieles nachhaltig hier produzieren", fasst Bernhardt zusammen. Mit einer klaren Herkunftskennzeichnung wüssten die Verbraucher, woher ihr Essen kommt. So könnten sie sich auf die einheimische Qualität verlassen. "Importe mit teils minderwertiger Qualität und extrem langen Transportwegen wären dann kaum notwendig."

Auch wenn gerade einiges in Schieflage ist, macht der Beruf des Bauern Marc Bernhardt Spaß. "Ja, es ist ein Job, der jeden Tag rund um die Uhr stattfindet, aber er ist schön." Der Juniorchef hat Landwirt studiert und viel Wissen von seinem Vater übernehmen können. Inzwischen hat sich an der Melkstation eine Warteschlange gebildet. Die Kühe stehen an, um ihre Milch abzugeben.