Freitals Burg, die nie eine Burg war

Sie scheint aus dem Reich der Märchen und Sagen zu stammen. Stolz ragt die Begerburg in 65 Meter Höhe vom Plateau eines schroff abfallenden Felsens, der, bevor er als Steinbruch genutzt wird, bis unmittelbar an die Weißeritz heranreicht. Fremde, die den Plauenschen Grund zum ersten Mal erleben, schauen gebannt nach oben und vermuten sogleich eine bewegte Historie mit gestrengen Landesherren, Rittersleut’, Landsknechten und Burgdamen.
Der Fantasie ist freier Raum gegeben, zumal sich das Alter des Baues selbst für Kenner nicht ohne Weiteres bestimmen lässt. Eine konkrete Stilrichtung zeichnet sich nicht ab. Der Architekt folgte wohl den Weisungen des Auftraggebers Johann Gottlieb Beger, seines Zeichens betuchter Steinbruch- und Gutsbesitzer. Ihm schwebte ein Gebäude vor, das zur seinerzeit wildromantischen Kulisse des Plauenschen Grundes passte, das auffallen sollte, mit weitem Ausblick und einem von allen Himmelsrichtungen sichtbaren Standort.
Fast 20 Jahre Weinrestauration
Beger denkt zunächst nicht daran, sich in dem burgähnlichen Gebäude häuslich niederzulassen. Als der Bau 1852 seine Pforten öffnet, finden die geladenen Gäste aus Dresden, Pirna, Potschappel und Pesterwitz eine noble Weinrestauration mit Saal und Schankraum vor. Kredenzt wird hauptsächlich Wein aus der Nachbarschaft. Der Weinanbau spielt ja talaufwärts bis in die Gegend von Hainsberg eine Rolle.
Als die Felsen im Steinbruch soweit abgebrochen werden, dass Gefahr für Burgbesucher droht, hebt die Regierung 1871 die Schankkonzession auf, worauf sich der Besitzer nun doch eine private Wohnung in dem Gebäudekomplex einrichten lässt. Fortan ist es von seiner Stimmung abhängig, ob anklopfende Leute den mit Zinnen verzierten Turm besteigen können oder nicht. Mit ihrem verwinkelten Grundriss dient die Begerburg nach dem Tod des Erbauers am 25. Mai 1874 zwei weiteren Generationen als Wohnsitz.
Tödliche Wette
1934 scheint das Schicksal des Gebäudes besiegelt. Wegen des schlechten Zustandes ist der Abriss schon beschlossene Sache. In letzter Minute findet man Mittel und Möglichkeiten, um das Objekt teilweise umzubauen und zu erhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg zieht vorübergehend die städtische Bücherei Dresden ein. Später unterhalten verschiedene Betriebe der Elbestadt in den Räumlichkeiten Lagerflächen.
Die Burggeschichte weiß von einer Reihe unerfreulicher Dinge zu berichten. So trifft in der zweiten Nachmittagsstunde des 17. April 1877 der Dresdner Porzellandreher Albert Findel mit einigen Freunden ein, um eine Wette auszutragen. Es geht um drei Taler. Findel will den Beweis antreten, dass man auch außerhalb der hölzernen Barrieren, also dicht am Felsrand, die Burg umrunden könne. Unter den Augen der Freunde bricht Findel auf, um nicht wiederzukehren. Mit einem Schrei des Entsetzens stürzt der junge Dresdner in die Tiefe. Er wird mit gespaltenem Kopf geborgen.
Lusthaus war von kurzer Lebensdauer
Die Burg, die im herkömmlichen Sinne nie eine Burg war, steht auf einem Felsvorsprung, der wegen seiner seltsamen Form Kanapee genannt wird. Ein idealer Aussichtspunkt, der den Erb- und Lehnherren des Dorfes Dölzschen, den Geheimen Rat Karl von Nimptsch, zu einem kühnen, aufwendigen Unternehmen inspiriert. 1742 lässt Nimptsch, begütert genug, um sich nahezu jede Laune leisten zu können, die Felskoppe einebnen. Auf dem Kanapee entsteht ein auf vier steinernen Säulen ruhendes Lusthaus, die sogenannte Karlsburg.
Dem hölzernen Gebilde sind nur wenigen Lebensmonate beschieden. Ein heftiger Sturm deckt das Dach ab und zertrümmert die Säulen, als wären sie Spielzeug.

Der Lehnherr nimmt fünf Jahre später ein weiteres Mal Maß. Das aus Stein ausgeführte Gebäude wird vom preußischen Militär verwüstet. Nimptsch amtiert inzwischen als Geheimer Baurat. Er kann der Versuchung nicht widerstehen – er will seine Karlsburg. Das ein weiteres Mal erbaute Lustschlösschen fällt 1759 den Wirren des Siebenjährigen Krieges zum Opfer.
Auch von den aufgestellten steinernen Tischen und Bänken, den gepflanzten Linden und den hölzernen Geländern – eine gestaltete Fläche von Nimptsch Belvedere genannt – bleibt nichts übrig. Es war faktisch das Ende des ersten Kapitels des späteren Baus, das dem Plauenschen Grund eine besondere Note verleiht.