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Der Tagebruch in Freital und die offenen Fragen

Anderthalb Jahre nach dem Erdrutsch in Freital führen Untersuchungen am Augustusschacht zur Bau-Ruhe in der betroffenen Gartenanlage. Wie es weitergeht.

Von Gabriele Fleischer
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Geologe Volkmar Scholz in der Kleingartenanlage "Rotkopf-Görg". Dort, wo im Juni 2022 ein Tagebruch auch Gärten zerstörte, ist der einstige Augustusschacht gesichert. Wegen weiterer Untersuchungen ruht das Baugeschehen.
Geologe Volkmar Scholz in der Kleingartenanlage "Rotkopf-Görg". Dort, wo im Juni 2022 ein Tagebruch auch Gärten zerstörte, ist der einstige Augustusschacht gesichert. Wegen weiterer Untersuchungen ruht das Baugeschehen. © Karl-Ludwig Oberthür

Die Gartensaison ist vorbei. Nur ab und zu schaut nochmal jemand vorbei, um hier unterhalb des Windberges nach dem Rechten zu sehen. Fast eineinhalb Jahre ist es jetzt her, dass sich in der Anlage des Kleingartenvereins „Rotkopf-Görg“ oberhalb des einstigen gut 340 Meter tiefen Augustusschachtes die Erde auftat.

Ein 1894 mit Ende der Steinkohleförderung in diesem Schacht eingebautes Ziegelgewölbe war eingebrochen. Während darunter Hohlräume blieben, wurde die Schachtröhre darüber einst verfüllt. Beim Tagebruch am 18. Juni 2022 rutschten all das Material und Teile der Gartenanlage in die Tiefe.

In vier Gärten ging die Saison vorzeitig zu Ende. Glücklicherweise kamen keine Menschen zu Schaden. Was blieb, war ein riesiges Loch und ein vom Erdrutsch betroffenes Gelände im Ausmaß von 30 mal 40 Metern.

Wasser wird als Ursache vermutet

Für Volkmar Scholz, der vom Sächsischen Oberbergamt mit dem Management der Sanierung beauftragt wurde, und die Mitarbeiter der Bergsicherung Freital ist dieses Projekt bis heute eine große Herausforderung. Noch ist auch die Ursache für diesen Tagebruch nicht endgültig geklärt.

Denn die Verwahrung und damit Sicherung des Schachtes mit einem Ziegelgewölbe und Stampfbeton hätten die Altvorderen richtig gemacht, sagt Scholz, der von 1979 bis 1984 an der TU Bergakademie Freiberg Geologie studiert hat.

Vermutet wird aber, dass die 1993 begonnene Flutung der einstigen Steinkohlenschächte durch die Wismut GmbH der Auslöser war. Alle Hohlräume unterhalb des zwischen 1817 und 1837 als Hauptentwässerungsstolln für die Steinkohlengruben im Döhlener Becken aufgefahrenen Tiefen Elbstollns füllten sich mit Wasser.

Betroffen war auch der Augustusschacht. Dessen Sicherungs-Gewölbe stand bis zum Zusammenbruch im Wasser. Möglicherweise, so Scholz, seien dadurch die Sandsteinbänke, die die Widerlager des Gewölbes hielten, stark verwittert und zerstört worden.

Nach reichlich 20 Metern ist erst einmal Schluss

Inzwischen ist an der Bruchstelle in der Gartenanlage im Durchmesser von 20 Metern alles gesichert. Stahlanker, Bewährungsstäbe und Beton halten die Seitenwände stabil.

Der Schacht selbst ist vorerst mit Holzplatten abgedeckt. In den nächsten Wochen ruht das Baugeschehen. Denn noch sind sich die Sanierer nicht sicher, in welcher Tiefe die neue Betonplombe zur Schachtverwahrung errichtet werden soll.

Ursprünglich angedacht waren 40 Meter. Nun wurde bei reichlich 20 Metern erst einmal gestoppt. „Bis jetzt gibt es keine belastbaren Informationen über den geologischen Aufbau der tiefer liegenden Schichten“, sagt Scholz. Deshalb wurden in den vergangenen Wochen an sieben Stellen in Tiefen zwischen 20,5 und 40 Metern Bohrkerne mit sehr unterschiedlichen Gesteinsschichten gezogen.


An sieben Stellen wurden in unterschiedlichen Tiefen des Augustusschachtes an der Rotkopf-Görg-Straße in Freital Bohrkerne entnommen. Die Gesteinsschichten werden nun in Freiberg untersucht.
An sieben Stellen wurden in unterschiedlichen Tiefen des Augustusschachtes an der Rotkopf-Görg-Straße in Freital Bohrkerne entnommen. Die Gesteinsschichten werden nun in Freiberg untersucht. © Oberbergamt Freiberg

Ingenieure von G.E.O.S. in Freiberg untersuchen nun in den nächsten Wochen die Proben auf Festigkeit. Erstellt wird mit den Daten ein 3-D-Modell. Dafür wurden auch Lage und Tiefe der einzelnen Bohrlöcher mittels Sonden vermessen.

24 größere Maßnahmen gab es in 20 Jahren

Erst nach der Auswertung sollen laut Scholz Entscheidungen fallen, in welcher Tiefe der Schacht sein neues "Gewölbe" bekommt. Im Februar 2024 könnte es danach mit dem Bauen in der Kleingartenanlage weitergehen.

Doch auch wenn die weitere Sanierung ruht, Angst müsse keiner der Gartenbesitzer mehr haben. Ein Nachrutschen werde es nicht geben, da alles gesichert und stabil sei, sagt Geologe Scholz.

Für ihn ist es eine der letzten Baustellen, die er betreut. Ende des Jahres geht der 66-Jährige in den Ruhestand. 20 Jahre lang war Scholz in seinen Verantwortungsbereichen, den Landkreisen Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Mittelsachsen sowie der Stadt Chemnitz, unterwegs. Er spricht von insgesamt 24 größeren Sanierungsmaßnahmen und jedes Jahr mindestens fünf Baustellen, die er in der Zeit betreut hat.

In Dippoldiswalde wurde Geschichte neu geschrieben

Gerufen werden die Mitarbeiter vom Oberbergamt immer dann, wenn es sich um Altbergbau handelt und es dafür keine Rechtsnachfolger gibt. In der Regel fehlen dort Unterlagen wie Grubenrisse, die bei der Sanierung helfen könnten. Entsprechende Behörden gab es seinerzeit noch nicht.

„Schwerpunktgebiete der Sanierungen in meinem Verantwortungsbereich waren wegen des großflächigen Bergbaus in diesen Regionen Freital, Dippoldiswalde und Freiberg“, sagt Scholz, der zugleich eine Entwicklung feststellt: „Gab es vor vielleicht zehn Jahren noch 100 bis 120 Bergschäden jährlich, registrieren wir inzwischen etwa 100.“ Ein Zeichen auch dafür, dass vieles inzwischen gesichert ist.

Zweifellos gehörte die Sanierung des Altbergbaus in Dippoldiswalde zu seinen größten Herausforderungen, wie Scholz rückblickend sagt. „Dieser Bergbau, der bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückreicht und durch den unter etwa einem Drittel der Stadt bis heute Hohlräume sind, war aus den Fokus geraten“, so Scholz.

Hochwasser hat diese Historie über den nach Dippoldiswalde und Freiberg wohl ältesten Bergbau in Sachsen wieder ins Bewusstsein gerückt. 40 Bergschäden sind dort seit 2002 registriert worden. Scholz spricht von 30 Sanierungsbaustellen mit Kosten von etwa zehn Millionen Euro, die aus Mitteln des Freistaates finanziert wurden.

Aus dem Ruhestand wird wohl ein Unruhestand

Scholz erinnert sich an einen Tagebruch vor etwa acht Jahren in der Freitaler Gemarkung Pesterwitz. Auch da hat die Geschichte ihren Teil dazu beigetragen. „Kohle wurde hier im 15. und 16. Jahrhundert zunächst im Tagebau abgebaut, später als die Vorräte erschöpft waren, ging man tiefer“. Unkontrolliert, denn jeder konnte zu dieser Zeit ohne Genehmigungen Kohle fördern“, schildert der Freiberger Geologe, der seine ersten Arbeitsjahre beim Volkseigenen Betrieb Geologische Forschung und Erkundung noch mit der Braunkohleerkundung in der Lausitz begonnen hat.

Sein berufliches Interesse wird Scholz aber auch als Ruheständler weiter begleiten. Da ist er sich sicher. Seine Reisen und Touren will er mit danach auswählen, wo es in Sachen Altbergbau etwas zu entdecken gibt.

Wenn die Kollegen künftig seine Erfahrungen noch brauchen, werde er zur Stelle sein, sagt Scholz. Und klar, das Geschehen in der Kleingartenanlage „Rotkopf-Görg“ will der Geologe a.D. im kommenden Jahr weiter im Auge behalten, nicht mehr als Verantwortlicher, aber als Interessent und möglicherweise als Ratgeber.