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Warum der Augustusschacht in Freital vor dem Tagebruch kollabierte

Die Suche nach der richtigen Technologie für die Sicherung geht weiter – mit erstaunlichen Erkenntnissen.

Von Gabriele Fleischer
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Projektleiter Heiko Horn am alten Augustusschacht, wo sich im Juni 2022 die Erde auftat.
Projektleiter Heiko Horn am alten Augustusschacht, wo sich im Juni 2022 die Erde auftat. © Karl-Ludwig Oberthür

Während einige Kleingärtner offenbar unbeeindruckt von dem Baugeschehen vor ihnen mit den ersten Frühjahrsarbeiten beginnen, lässt Bergmann Steffen Seidel von der Bergsicherung Freital das Kranauto an. Aus etwa 20 Meter Tiefe muss er hier inmitten des Kleingartenvereins "Rotkopf-Görg" in Freital noch Arbeitsmaterial nach oben holen.

Seine Kollegen hatten dort unten von einer Arbeitsbühne aus noch einmal Bohrkerne entnommen, um die Zusammensetzung der Schichten und die Übergänge zum angrenzenden Gestein zu prüfen. Denn noch steht nicht fest, wie der Schacht, der im Juni 2022 zusammengebrochen war und einige Parzellen mit in die Tiefe gerissen hatte, dauerhaft verwahrt werden kann.

Die Stelle selbst war bereits kurz nach dem Tagebruch mit Spritzbeton, Stahlankern und Bewehrungsmatten gesichert worden.

Konturen des Schachtes sind verschwunden

Um den Baugrund zu untersuchen, wurden im Spätherbst vergangenen Jahres sieben Bohrkerne aus - wie es im Bergmännischen heißt - Teufen zwischen 36 und 70 Metern unter der Erdoberfläche von hier nach Freiberg zur Ingenieurgesellschaft G.E.O.S. geschickt und dort untersucht. Inzwischen liegen die Ergebnisse vor.

Demnach sind alle Schichten in den schachtnahen Bereichen instabil. Kies, Ton-, Sand- und Schluffstein, darunter vermutlich auch das mit der Einstellung des Steinkohlenbergbaus an dieser Stelle verfüllte Material würden nicht dazu taugen, eine für die Schachtverwahrung angedachte konventionelle Betonplombe einzusetzen, erklärt Heiko Horn, zuständiger Projektleiter vom Sächsischen Oberbergamt.

Steffen Seidel von der Bergsicherung Freital holt mit dem Kran Arbeitsmaterialien aus der Tiefe.
Steffen Seidel von der Bergsicherung Freital holt mit dem Kran Arbeitsmaterialien aus der Tiefe. © Karl-Ludwig Oberthür

Nun müsse nach anderen Varianten gesucht werden. Entschieden wurde, in der Tiefe von maximal 27 Metern zu bleiben. Denn für die Fachleute brachte die Bohrkernauswertung ein in diesem Ausmaß unerwartetes Ergebnis. "Anders als wir es bisher gewohnt waren, haben wir keine Konturen des einstigen Schachtes bis in eine Tiefe von 60, 70 Metern mehr vorgefunden", so der Projektleiter.

Schuttmassen rutschten in die Tiefe

Horn spricht von mehreren tausend Tonnen Verfüllmaterial, das mit dem Bruch des einst zur Sicherung errichteten Ziegelgewölbes in große Tiefen gerauscht ist. Ursache dieses gewaltigen Rutsches ist vermutlich die 1993 begonnene Wiederanstieg des Grundwassers im Kohlerevier nach Beendigung des Bergbaus durch die Wismut GmbH als letzten Nutzer.

Alle Hohlräume unterhalb des zwischen 1817 und 1837 als Hauptentwässerungsstollen für die Steinkohlengruben im Döhlener Becken aufgefahrenen Tiefen Elbstollns füllten sich mit Wasser. Überflutet wurde so auch das untere Sicherungsgewölbe des Augustusschachtes. 25 Meter soll das Wasser darüber gestanden haben.

Möglicherweise sind dadurch die Sandsteinbänke, die die Widerlager des Gewölbes hielten, beeinträchtigt worden. "Durch den von abrutschendem Füllmaterial verursachten Unterdruck kollabierte der Schacht, und es kam zu einer Implosion", erläutert der Projektleiter.

Auch andere Schächte wurden geprüft

Wie dieser Unterdruck entstanden sein muss, haben laut Horn jetzt weitere Recherchen ergeben: "Um die Sicherheit des Schachtes zu erhöhen, ist 1992 eine Betonplombe in 40 Metern Tiefe in das umgebende Gestein eingebaut worden. Diese Plombe bildete einen Deckel, der das Nachströmen von Luft während des Hinabrutschens des Materials verhinderte." Erst dadurch hätte sich jedoch ein Unterdruck aufbauen können, der zur Implosion und Zerrüttung des Gebirges führte.

So sah es unmittelbar nach dem Tagebruch im Juni 2022 in der Kleingartensparte aus.
So sah es unmittelbar nach dem Tagebruch im Juni 2022 in der Kleingartensparte aus. © Roland Halkasch

Im Nachhinein dürfte es ein Glücksumstand gewesen sein, dass an der Rotkopf-Görg-Straße nicht mehr passiert ist und keiner zu Schaden kam. Aufgrund der Erkenntnisse aus dem Schachtbruch war ein Ingenieurbüro beauftragt worden, Schächte und Verwahrungen in der Freitaler Steinkohlenregion auf der Grundlage von Akten zu prüfen, um mögliche Gefahren ausschließen zu können.

Die Fachleute dort gaben Entwarnung. Alle anderen Schächte, die seit dem Ende des Bergbaus im Flutungsbereich liegen, sind danach anders gesichert worden.

Sanierung dauert bis mindestens Ende 2024

In den nächsten Wochen suchen die Fachleute von Bergsicherung und Oberbergamt intensiv nach einer neuen Technologie, um den Schacht sicher zu verwahren. Grundlage dafür sind alle Ergebnisse der physikalischen und geologischen Untersuchungen. "Wichtig ist es, zunächst eine feste, gründungsfähige Schicht herzustellen", sagt Horn.

Das könnte beispielsweise durch Injizieren von flüssigem Zement gelingen oder durch den Einbau einer Betonplatte, die mit dem an den Bruchbereich angrenzendem festeren Gebirge durch Bohrpfähle verbunden wird. Genau dafür seien die zusätzlichen Untersuchungen von Bohrkernen bei G.E.O.S. nötig, so Horn.

Der Projektleiter rechnet damit, dass mindestens noch dieses Jahr vergehen wird, bis die Kleingärtner wieder ohne Baulärm ihrem Hobby nachgehen können. Bis dahin wird auch die im Februar nach einigen Wochen Pause erneut eingerichtete Ampelregelung zwischen Kindergarten und Leßkestraße auf einer Länge von etwa 150 Metern auf der Rotkopf-Görg-Straße bleiben.