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Klassentreffen in Freital nach 60 Jahren: "Ein Stuhl, ein Tisch und Du"

Der Abiturjahrgang von 1964 des heutigen Weißeritzgymnasiums feiert sein Wiedersehen. Woran sich die ehemaligen Schüler erinnern.

Von Fionn Klose
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Die Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 1964 trafen sich in ihrer alten Schule.
Die Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 1964 trafen sich in ihrer alten Schule. © Egbert Kamprath

Der Mauerbau ist drei Jahre her, der Kalte Krieg hat mit der Kubakrise 1962 einen seiner Höhepunkte erreicht. Die USA bombardieren Nordvietnam und greifen in den Vietnamkrieg ein, John F. Kennedy wird erschossen. Die 60er-Jahre waren eine herausfordernde Zeit für die ganze Welt. Genau in jener Zeit, im Frühsommer 1964 machten die Männer und Frauen in Freital ihr Abitur, die jetzt in einer Freitaler Gaststätte zusammensitzen.

60 Jahre ist das nun her, Grund genug, sich zum Klassentreffen zu verabreden. Um mal wieder Schulluft zu schnuppern, besuchten sie an jenem Nachmittag zunächst ihre alte Schule, die ehemalige "Erweiterte Oberschule Freital" (EOS). Im Gebäude an der Krönertstraße lernen heute die älteren Klassen des Weißeritzgymnasiums.

Karin Baumann hat nicht vergessen, wie ihre alte Schule einmal aussah. Dennoch hat sich viel verändert. "Die Räume und die Ausstattung, das war bei uns ja ganz anders", sagt sie. "Damals war das nur ein Stuhl, ein Tisch und Du."

Der umgeparkte Lehrer-Trabbi

Für Hartmut Günther wirkt einiges noch genauso wie früher. "Die Flure, der Fußboden, die Treppen - das ist alles noch original", sagt er. Sofort sprudeln die Erinnerungen an die Schulzeit aus ihm heraus. "Wir sind mal früh in die Schule gekommen und da stand ein Trabant von einem Lehrer zwischen zwei Bäumen." Er sei da in die neunte oder zehnte Klasse gegangen. "Vier aus den höheren Klassen haben den Trabi angehoben und genau zwischen die zwei Bäume gestellt. Da sind wir lange drumherum gegangen und haben uns gefragt, wie die das gemacht haben."

An ein Ereignis kann er sich noch genau erinnern. Wie viele seiner Klassenkameraden. Der Winter 1963. "Wir mussten Zweierteams bilden und dann in die Betriebe gehen und um Kohle für die Bevölkerung bitten", sagt er.

Kristina Kosel aus Radebeul weiß noch wie es war, in jenem strengen Winter in der Schule zu gehen und zu lernen. "Zwei mal in der Woche haben wir mit Schal, Mütze und Mantel in der Schule gesessen und unsere Aufgaben bekommen", sagt sie. "Und dann haben wir die zu Hause gemacht." Im Klubhaus der Edelstahlwerker habe es sogar noch eine Wärmestube gegeben, da seien sie manchmal hingegangen.

Die EOS ist mit dem heutigen Gymnasium vergleichbar. In aller Regel besuchten die Schülerinnen und Schüler in der DDR die Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule (POS). Sie entspricht der heutigen Grund- und Realschule. Die EOS führte zum Abitur. Laut Jugendopposition, einem digitalen Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), wechselten im Durchschnitt pro Klasse drei Schüler an die EOS, um das Abitur abzulegen, denn es gab Zugangsbeschränkungen.

Sommerlager in Boltenhagen

Beim Kaffee und Kuchen schwatzen die 45 Männer und Frauen, inzwischen alle Ende 70, weiter. Ein unvergessenes Erlebnis war für alle auch das alljährliche Sommerlager bei Boltenhagen an der Ostsee. "Ich war dreimal dort, wir haben in großen Mannschaftszelten übernachtet", berichtet Jürgen Stumpf. "Das war direkt am Strand, wir sind dort mit Begeisterung hingefahren." Auch Hartmut Günther erinnert sich an die Ostsee-Ferienlager. "Wir waren da in der Bar und haben Prärieauster getrunken", erzählt er. "Das ist ein Schnaps mit Vodka, einem rohen Ei und Pfeffer. Wir haben dort mehr Alkohol getrunken, als ich jetzt in einem Monat trinke."

In vielen Klassen noch heute beliebt und auch damals schon populär waren Lehrerstreiche. An einige davon kann sich Johannes Scholz noch ganz genau erinnern. "Wir hatten einen Lehrer, der hatte die Angewohnheit, seine Taschen von der Tür aus auf einen Flügel zu werfen, der in unserem Klassenzimmer stand", sagt er. "Den haben wir so günstig vors offene Fenster geschoben, dass seine Tasche nach draußen flog."

Viele dieser lustigen und schönen Erinnerungen an die Schulzeit erzählen sich die ehemaligen Abiturienten des Jahrgangs 1964. Viele von konnten nicht mehr am Treffen teilnehmen. Manche sind inzwischen verstorben, andere sagten aus gesundheitlichen Gründen ab. Doch Johannes Scholz und seine Klassenkameraden denken auch an sie: "Wir werden sie nicht vergessen. Sie gehören zu uns."