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"Petzen" erlaubt: So kommen Freitaler Polizisten Verkehrssündern auf die Schliche

Unterwegs mit Beamten bei einer mehrstündigen Verkehrskontrolle in Freital. Was sie ahnden und wie die ertappten Autofahrer reagieren.

Von Gabriele Fleischer
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Kontrolle an der Carl-Thieme-Straße in Freital: Polizeimeisteranwärter Kummer winkt ein Auto aus dem Verkehr.
Kontrolle an der Carl-Thieme-Straße in Freital: Polizeimeisteranwärter Kummer winkt ein Auto aus dem Verkehr. © Egbert Kamprath

Kurze Lagebesprechung am Morgen im Freitaler Polizeirevier an der Dresdner Straße. „Standorte für den Vormittag sind klar, Dresdner Straße Höhe Bahnhof Hainsberg und Poisentalstraße, Schotterparkplatz“, sagt Polizeikommissarin Gumbel. Sie leitet an diesem Tag die geplante Verkehrskontrolle in Freital.

Dann fahren die Einsatzfahrzeuge vom Hof. Funkgeräte, Haltekellen, Alkomat- und Drogentests sind an Bord, auch Quittungsblöcke und Schreibutensilien. „Unser Büro“, erklärt Polizeiobermeister Zönnchen und zeigt auf eine Kiste im Gepäckraum.


Einsatzleiterin Gumbel vom Freitaler Polizeirevier führt Protokoll über die Kontrollen und Verstöße beim Einsatz im Stadtgebiet.
Einsatzleiterin Gumbel vom Freitaler Polizeirevier führt Protokoll über die Kontrollen und Verstöße beim Einsatz im Stadtgebiet. © Egbert Kamprath

Verwarngelder bis 55 Euro können die Beamten vor Ort kassieren – für die Staatskasse, versteht sich. Was darüber ist, ahndet die Bußgeldstelle im Landratsamt. Auch dafür muss alles notiert und verschickt werden.

Für getunte Fahrzeuge gibt es Spezialisten

In den kommenden Stunden sind die insgesamt zwölf Frauen und Männer in ihren Uniformen im Freitaler Stadtgebiet präsent, unterstützt von Polizisten der Dresdner Verkehrspolizeiinspektion.

Einige von ihnen wie Polizeihauptmeister Hörnig sind auf getunte Autos oder Zweiräder spezialisiert, achten besonders auf technische Veränderungen am Fahrzeug wie zusätzliche Lampen, tiefergelegte Fahrwerke, veränderte Felgen oder manipulierte Motoren. Wer dafür registrierte Papiere vorweisen kann, hat nichts zu befürchten. Kann er das nicht oder ist die Verkehrstauglichkeit gefährdet, dann drohen Verwarngelder, Bußgelder, Punkte in Flensburg oder sogar die Stilllegung des Fahrzeuges.

„Allerdings ist das mehr ein Thema für die wärmeren Monate“, sagt Polizeihauptmeister Hörnig, ehe er sich wieder an der Dresdner Straße postiert.

Ein Handyverstoß am Steuer kostet 100 Euro

Seine Kollegen von der Verkehrspolizei haben Spezialkameras mit, werden dabei von den Freitaler Polizisten unterstützt. Stellen sich etwas getarnt an Ampeln auf. Abgesehen haben sie es an diesem Tag auf Rot-Fahrer, ahnden aber auch Handy- oder Gurtverstöße und kontrollieren, ob bei Lastkraftwagen die Ladung richtig festgezurrt ist.

Wer die Hand nicht am Lenkrad, sondern am Handy hat, muss mit 100 Euro Bußgeld rechnen, wer sich nicht anschnallt, zahlt 30 Euro. Mit Argusaugen beobachten Polizisten, die sich in Buswartehäuschen, hinter Autos, Mauern oder Bäumen verstecken, einige hundert Meter bevor sich die Kelle zum Anhalten hebt, das Verkehrsgeschehen.

Dienstgruppenführer Falk Stephan ist diesmal die "Petze" für die Kollegen, die etwas weiter entfernt an der Poisentalstraße in Freital Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen und kontrollieren.
Dienstgruppenführer Falk Stephan ist diesmal die "Petze" für die Kollegen, die etwas weiter entfernt an der Poisentalstraße in Freital Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen und kontrollieren. © Egbert Kamprath

Vor dem Bahnhof Hainsberg muss eine junge Frau einbiegen. Sie besucht in Freital ihre Freundin, hat hinten ein vorschriftsmäßig angegurtetes Kind sitzen. Ihr eigener Gurt hängt neben ihr am Haken. Nun muss sie 30 Euro zahlen, die sie bar nicht dabei hat. Also bekommt sie Post. Mit Bearbeitungsgebühr wird es dann etwas teurer.

Man kann die Kollegen, die die Sünder erspähen, nennen wie man will. Die Schicht von Dienstgruppenführer Falk Stephan spricht von "Petzen". Und auch wenn der Begriff negativ belegt ist, trifft es das.

Der Polizeihauptkommissar ist an diesem Tag selbst eine "Petze", beobachtet vormittags mit an der Poisentalstraße, nachmittags an der Dresdner Straße/Ecke Carl-Thieme-Straße im Ampelbereich. Einige Autofahrer, die ihm entgegenkommen, halten den Daumen hoch, ein älterer Mann winkt von der anderen Straßenseite. Zustimmung bei den einen, Frust bei anderen. Und Stephan weiß, dass sich der Einsatz nach einiger Zeit durch Verkehrsfunk und soziale Medien rumgesprochen hat.

Bei Rot fahren ist keine Lappalie

Deshalb stehen die Beamten, unter ihnen zwei Polizeischüler, die noch diesen Monat zum Polizeimeister ernannt werden, nach der Mittagspause an anderen Stellen: ein Teil an der Burgker Straße, die anderen an der Dresdner Straße/Ecke Carl-Thieme-Straße.

Dienstgruppenführer Falk Stephan wettet um eine Tafel Schokolade, dass er in den nächsten Stunden gemeinsam mit Polizeikommissarin May und einem Dresdner Kollegen, die an der Kamera über die Verstöße wachen, an dieser Stelle mehr als fünf Rotfahrer ertappen wird.

Polizeikommissarin May vom Freitaler Revier hat mit ihrer Kamera die Ampel an der Carl-Thieme-Straße im Blick.
Polizeikommissarin May vom Freitaler Revier hat mit ihrer Kamera die Ampel an der Carl-Thieme-Straße im Blick. © Egbert Kamprath

Er soll Recht behalten. Trotz der kleinen Wette ist es Stephan ernst: „Wir wollen niemanden schikanieren und drücken auch mal ein Auge zu, aber wer bei Rot über die Ampel fährt, gefährdet nicht nur sich selbst.“

Post gibt es fürs Überfahren der roten Ampel

So wird auch ein Lkw-Fahrer von den Beamten an die Seite gewinkt. Der gibt nicht zu, dass er bei Rot gefahren ist. „Das war grenzwertig“, sagt er und muss Polizeiobermeister Zönnchen trotzdem die Papiere zeigen, damit der Vorfall protokolliert werden kann.

Der Lkw-Fahrer wird nun Post bekommen. Die Aufnahmen der Polizisten an der Ampel sind Beweismittel genug für den Verstoß. Danach leuchtete bei seiner Fahrt durch die Ampel das Rotlicht unter einer Sekunde. Nun muss er mit 90 Euro und einem Punkt rechnen. Dort, wo die Sekunde überschritten ist, werden ein Monat Fahrverbot und 200 Euro fällig. Auch das gibt es an diesem Tag.

Nicht nur bei Rot fahren, auch aufs Handy schauen, kann zu schweren Unfällen führen. Immer wieder werden Sünder von den "Petzen" erkannt. Einsatzleiterin Gumbel tauscht die Uniform mit Mantel und Pudelmütze und „petzt“ vormittags an der Dresdner Straße, nachmittags an der Burgker Straße.

Autofahrer in Strümpfen am Steuer - das wird teuer

Einige Autofahrer müssen pusten. Zwei Grenzfälle bei Männern, die versichern, keine Drogen, aber Medikamente genommen zu haben. Da ihnen nicht das Gegenteil nachgewiesen wird, dürfen sie schließlich weiterfahren.

Dann ein Berufskraftfahrer, der auf der Poisentalstraße gestoppt wird, weil er nicht angeschnallt ist. Bei der Kontrolle stellen die Beamten der Verkehrspolizei noch fest, dass er nur in Strümpfen am Steuer sitzt und damit nicht verkehrstüchtig ist. 50 Euro muss er dafür berappen. Die 30 Euro für den Gurtverstoß bleiben ihm erspart, weil die Beamten nur das höherwertige Delikt ahnden. Trotzdem wird es eine teure Fahrt durch Freital.

Polizeioberkommissar Treder dienstlich am Boden: Er kontrolliert einen getunten Skoda und misst, ob die Abstände im Radkasten noch zulässig sind.
Polizeioberkommissar Treder dienstlich am Boden: Er kontrolliert einen getunten Skoda und misst, ob die Abstände im Radkasten noch zulässig sind. © Egbert Kamprath

Mittagspause. Die Einsatzkräfte treffen sich im Revier. Einsatzleiterin Gumbel spricht von bisher 128 kontrollierten Fahrzeugen und 30 Ordnungswidrigkeiten. Danach geht es weiter.

Tiefergelegtes Auto hat Konsequenzen

Wieder rücken die Fahrzeuge aus, postieren sich die Beamten mit Kellen, verstecken sich die "Petzen". Ein Pkw-Fahrer, der von Falk Stephan an der Ampel ermahnt wird, weil er keinen Gurt angelegt hat, entkommt seiner Strafe. Vermutlich ist er auf den etwa 300 Metern bis zum eigentlichen Anhalte-Ort in eine Einfahrt abgebogen. Auch das gibt es eben. "Alle Delinquenten können wir nicht bekommen", kommentiert Stephan und nimmt es sportlich.

Dann ziehen die Einsatzkräfte an der Carl-Thieme-Straße doch noch ein getuntes Auto aus dem Verkehr. Etwas tiefer gelegt hat der Skoda für Laien ziemlich exotische Felgen. Polizeioberkommissar Treder misst nach. „Wenig Platz bis zum Radkasten“, sagt er zu dem jungen Mann und schaut sich die Papiere an.

Alles von der Prüfgesellschaft Dekra abgenommen. Nur der Aufforderung, das von der Kfz-Zulassungsstelle in die Fahrerlaubnis eintragen zu lassen, ist der Fahrer noch nicht nachgekommen. Und das, obwohl dieses „Unverzüglich“, was die Dekra-Sachverständigen auf dem Papier vermerkt haben, schon drei Wochen zurückliegt. Der junge Mann spricht von Corona-Erkrankung und Prüfungsvorbereitung. Flunkert er? An die Kfz-Zulassungsstelle geht auf jeden Fall ein Schreiben.

Bei 312 Kontrollen insgesamt 106 Ordnungswidrigkeiten

Kurz nach 16 Uhr beendet Einsatzleiterin Gumbel die Kontrollen. Ihr Fazit: „Insgesamt sind 312 Fahrzeuge, davon 280 Pkw, angehalten und kontrolliert worden.“

Zu Buche stehen 106 Ordnungswidrigkeiten, darunter 34 Gurt-, 25 Handy- und zwölf Rotlichtverstöße. Zudem seien einige Mängelscheine ausgestellt worden. Am Ende spricht Polizeikommissarin Gumbel von einem gelungenen Einsatz und einem motivierten Team – mit vielen neuen Erkenntnissen fürs nächste Mal, wenn es wieder heißt „Stopp, Polizeikontrolle.“