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Schon wieder Wildschweine im Vorgarten: Wie schlimm ist das eigentlich?

Auf der Suche nach Futter preschen Wildschweine in Freital bis in die Gärten vor. Die Stadt hält die Schäden für nicht so schlimm. Jäger sehen das anderes.

Von Mathias Herrmann
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Wildschweine suchen in Pesterwitzer Vorgärten nach Futter.
Wildschweine suchen in Pesterwitzer Vorgärten nach Futter. © Mathias Herrmann

Es grunzt und raschelt nachts im Leise-Park in Pesterwitz, einem Ortsteil von Freital. Im Schutz der Dunkelheit wühlt sich eine Gruppe von Wildschweinen durch das Erdreich. Auf der Suche nach Mäusenestern, Eicheln und Würmern brechen die Rotten, wie Jäger den Verbund von Wildschweinen nennen, den Boden um. Zurück bleibt eine ruinierte Wiese. Noch sind die Sträucher, die den Park umgeben und zu Hecken werden sollen, viel zu klein, um die Tiere fernzuhalten.

Die Stadtverwaltung Freital bewertet die Schäden als nicht so dramatisch. Die aufgewühlten Stellen würden in der Regel mit dem ersten Rasen mähen wieder glattgezogen werden, teilt Pressesprecher Matthias Weigel mit.

"Das sehe ich anders", sagt Jäger Lukas Hantschel. "Außerhalb des Leise-Parks, in den Pesterwitzer Plantagen und auch im nahegelegenen Park Altfranken sind Löcher bis 40 Zentimeter tief. Das kann man nicht mit einem Rasenmäher oder Rasenmähen schließen." Hantschel weiß, welche Schäden die Schwarzkittel anrichten können. Er beobachtet die Rotten um Pesterwitz schon länger. "Ich schätze, es sind vielleicht zwei bis drei Rotten", so der Jäger. Das können unter optimalen Bedingungen theoretisch fast einhundert Tiere werden, wenn im Winter die Frischlinge geworfen werden, weiß der Jäger.

Umgegraben: Hier hilft auf Dauer wohl nur ein stabiler Zaun.
Umgegraben: Hier hilft auf Dauer wohl nur ein stabiler Zaun. © Mathias Herrmann

Vor allem hat es wirtschaftliche Folgen für die Landwirtschaft der Region. Hantschels Revier liegt an den Hanglagen im Südwesten. Zwischen den Obstplantagen und Weinhänge des Guts Pesterwitz entdeckt er immer wieder Spuren von Wildschweinen. Bei der Nahrungssuche zwischen den Bäumen legen die Tiere Wurzeln frei und beschädigen die jungen Weinstöcke.

Für den Chef vom Gut Pesterwitz ein riesiges Problem. Lars Folde muss immer wieder die Wege zwischen den Bäumen instand setzen. Wenn er die Löcher nicht beseitigt, sagt er, könnte er nicht mit Maschinen zwischen den Rebstöcken und Bäumen arbeiten. Dafür hat er sich einen Wiesenhobel für rund 9.000 Euro gekauft. Die Maschine begradigt die aufgewühlten Flächen.

Wildschweine hinterlassen tiefe Krater

Wildzäune um die Plantagen zu bauen, ist bei Wildschweinen keine Lösung. Sie halten den rund 100 Kilogramm schweren Tieren nicht stand. "Wildschweine sind schlau und brauchen nur ein kleines Loch oder eine Stelle damit sie mit ihren Gebräch darunter fahren und den Zaun nach oben schieben können, bis sie durchpassen", erklärt Hantschel. Unter Gebräch verstehen Jäger die kräftige lange Schnauze des Schwarzwildes.

Welchen enormen Schäden Wildschweine anrichten können, ist eindrucksvoll entlang der Autobahn A17 zu sehen. Die Wege am Wohngebiet zu Pesterwitz sind tief aufgerissen. Die Erde liegt in Brocken verstreut am Weg. In dem Gebiet zwischen Gorbitzer Straße, Niederer Straße und A17 kommen die Tiere bei der Nahrungssuche bis in die Vorgärten.

Eine ältere Anwohnerin bestätigt die nächtlichen Besuche. "Man hört sie und weiß nicht, wie nah sie sind", klagt sie. Sie selbst hat keine Probleme mit den Tieren, verweist aber auf die Umgebung. "Wenn man die zerstörten Wege sieht, kann man ahnen, was hier los ist."

Völlig umgegraben: Dieser Weg ist nur noch mit Gummistiefeln passierbar.
Völlig umgegraben: Dieser Weg ist nur noch mit Gummistiefeln passierbar. © Mathias Herrmann

Dennoch muss niemand vor Wildschweinen Angst haben. "Die Tiere sind sehr wachsam und verschwinden, bevor man sie sieht", sagt Jäger Hantschel. "Man hört vielleicht ein Grunzen, mehr bemerkt man selten von den Tieren." Sollte es doch zur direkten Begegnung kommen, ist Ruhe zu bewahren. "Am besten stehen bleiben, Geräusche machen und langsam rückwärtsgehen", empfiehlt der Jäger. "Auf keinen Fall die Tiere bedrängen oder Fluchtwege zustellen." Das kann gefährlich werden.

Jäger können Bestand regulieren

Dass so viele Wildschweine um Pesterwitz leben, liege am milden Wintern und dem guten Nahrungsangebot, vermutet Hantschel. "Es gab immer Futter und kaum Frost." Damit es nicht zu viele Tiere werden, sind die Jäger bemüht jedes Jagdjahr eine angemessene Strecke, also Tierzahl, zu erlegen. Jedoch darf jeder Jäger nur in seinem Revier auf die Jagd gehen.

Die Flächen im Südwesten von Pesterwitz hin zum Burgwartsberg gehören zum „Eigenjagdbezirk Pesterwitz“, die an die Ortslage in Richtung Autobahn angrenzenden Bereiche zur Jagdgenossenschaft Dresden. Die Gebiete teilen sich mehrere Jagdpächter. Jedoch reguliert sich die Rottenstärke im Laufe des Jahres selbst. Die jungen männlichen Wildschweine verlassen als sogenannte Überläufer die Rotten und ziehen zunächst gemeinsam umher. Ältere Keiler sind zumeist Einzelgänger.

Mit dem Frühjahr sollte es ruhiger werden mit den Wildschweinen um Pesterwitz. "So bald auf den Feldern wieder Getreide und Mais wachsen, finden die Tiere in den Feldern Futter und Schutz", weiß Jäger Lukas Hantschel.