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Freitaler Porzellan soll unversehrt bleiben

In Meißen wurde gelagertes Porzellan zerschlagen. Ob dies auch in der Freitaler Porzelline möglich ist, fragte die SZ den Chef der Manufaktur, Gunther Seifert.

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Herr Seifert, in der Meissener Porzellanmanufaktur wurden vor kurzem größere Mengen an Porzellan zerstört. Der Geschäftsführer Christian Kurtzke verteidigte die Aktion damit, dass es sich dabei um unverkäufliche Lagerware gehandelt habe. Wäre dieses Porzellan länger gelagert worden, hätte die Firma mehr Steuern zu zahlen. Muss jetzt in der Sächsischen Porzellan-Manufaktur Dresden in Freital auch Porzellan zerstört werden?

Nein. Und zumindest seit 1993, also solange ich hier arbeite, wurde bei uns kein Porzellan zerstört. Für uns ist das Porzellan viel zu wertvoll, als dass wir es zerstören würden wollen. Das passiert bei uns auf keinen Fall. Außerdem würde dann vielen unserer Facharbeiter das Herz bluten. Sie hängen an den Kunstwerken, die sie teilweise in Handarbeit in mehreren Wochen gefertigt haben. Ich kann auch keine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit erkennen, Porzellan zu zerschlagen.

Wieso?

Eine Manufaktur ist nicht vergleichbar mit einem normalen Produktionsbetrieb. Eine Manufaktur lebt doch von Tradition, aber auch von bestimmten Entwicklungen je nach Zeit und Kundengeschmack. Wer sagt denn, dass Stücke aus unserem Bestand nicht wieder in Mode kommen könnten? Wenn sich der Geschmack ändert, können wir auf unsere Bestände zurückgreifen.

Was liegt momentan im Trend?

Der Trend geht hin zu Figuren, zum Beispiel Tänzerinnen oder Vogelfiguren, vor allem aber im Stil von Barock und Rokoko. Allerdings ist die Nachfrage geringer als früher. Die gesamte Branche ist in den 1990er-Jahren eingebrochen und erholt sich erst langsam wieder.

Hat maschinell hergestelltes Billigporzellan handgefertigter Ware den Rang abgelaufen?

Handgefertigtes Porzellan hat nicht mehr den Stellenwert in der Gesellschaft wie einst. Das betrifft aber jedes Kunsthandwerk. Vor 20 Jahren haben bei uns mehr als 130 Angestellte gearbeitet, heute sind es 20. Unsere Produktion ist seither etwas geringer worden. Derzeit sind es rund 2000 verschiedene Stücke pro Jahr. Aber wir sind trotzdem in der Lage, unsere gesamte Produktpalette an Zier- und Luxusporzellan herzustellen.

Wer gehört zu Ihren Kunden?

Wir liefern in mehr als 16 Länder weltweit. Der Export-Anteil beträgt zirka 70 Prozent. Rechnet man die vielen Touristen dazu, die in unserem Laden an der Frauenkirche unser Porzellan kaufen, dann ist der Export-Anteil sogar noch höher.

In welche Länder liefern Sie?

Die Nachfrage aus den traditionellen Märkten in USA, Großbritannien oder Südosteuropa ist mit der Finanzkrise zurückgegangen. Unsere ausgebildeten Porzellangestalter und Porzellanmaler fertigen viele Unikate für Auftraggeber aus Osteuropa und Arabien. Vor Kurzem haben wir zwei Vasen für den kasachischen Präsidenten Nasarbajew gefertigt. Allgemein orientieren wir uns gen Osten. Vor allem hilft unser russischer Besitzer Armenak Agababyan dabei, Märkte in Osteuropa zu erschließen.

Herr Agababyan ist seit 2008 alleiniger Manufakturbesitzer. Was verspricht er sich davon?

Er ist ein Kunstliebhaber, war früher Kunde bei uns. Ihm gehörten von 2005 an bis vor zwei Jahren 50 Prozent unserer Firmenanteile, seit 2008 besitzt er alle. Ohne Herrn Agababyan und unsere Mitarbeiter, die in Zeiten der Insolvenz auf Lohn warten mussten, gäbe es die Manufaktur nicht mehr. Bis 2005 war sie dreimal in der Insolvenz. Ohne Herrn Agababyan hätten wir auch unseren werbeträchtigen Laden an der Frauenkirche nicht eröffnen können. Vor allem erleichtert er es, Märkte in Russland, Kasachstan oder Aserbaidschan zu erschließen. Er erwartet aber auch, dass sich die Manufaktur finanziell selbst trägt.

Warum heißt die Porzelline an der Carl-Thieme-Straße in Freital eigentlich Sächsische Porzellan-Manufaktur Dresden?

Die Stadt Freital gibt es erst seit 1921. Carl Thieme hat die Manufaktur aber bereits 1872 im heutigen Stadtteil Potschappel im Großraum Dresden gegründet. Thieme hat sich damals den Titel schützen lassen. Als einzige Porzellan-Manufaktur der Welt dürfen wir Dresden im Markennamen führen.

Wie kam es dazu?

Dies geht auf eine Urteil des Bayrischen Oberverwaltungsgerichts aus den 70er-Jahren zurück. Nachdem sich mehrere Firmen mit ihren Marken an unseren Porzellannamen angelehnt hatten, wurde vonseiten der DDR-Regierung geklagt. Und das, obwohl sie sonst nie etwas unternommen hat, um unser Dresdner Porzellan zu vermarkten. Die Marke war damals in Sachsen nahezu unbekannt. In der BRD ist sie bekannter gewesen.

Apropos Vermarktung: Was wird unternommen, damit auch in 50 Jahren Porzellan aus Freital weltweit gekauft wird?

Wir bleiben ein kleiner, aber feiner Betrieb, der weltweit Unikate nach Wünschen der Auftraggeber gestaltet. Bis zum 150-jährigen Jubiläum 2012 will ich dabei helfen, dass wir unsere Marktnische gefunden haben. Wer weiß, ob in 50 Jahren Rokoko noch angesagt ist. Schritt für Schritt fließen auch moderne Designs ein. Wir haben allerdings keine Entwicklungsabteilung.

Wie helfen Sie sich aus?

Unserer Fachkräfte profitieren von den Ideen aus den Veranstaltungen des Vereins Dresdner Porzellankunst. Dabei können sich Künstler, aber auch Schüler und Hausfrauen in unserer Manufaktur ausprobieren. Einige Produkte werden ausgestellt. Die Arbeit mit dem Verein ist für beide Seiten fruchtbar, wir wollen daran festhalten.

Das Gespräch führte Stephan Klingbeil