Von Marvin Liebig, Katarzyna Wilk-Sosnowska und Katrin Schröder
Polen bietet Paroli. Sowohl sportlich als auch auf den Rängen. Immer wieder melden sich die zig Tausend Schlachtenbummler aus dem östlichen Nachbarland während der EM-Partie zwischen Deutschland und Polen am Donnerstagabend im Stade de France im Pariser Vorort Saint-Denis lautstark zu Wort. Ganz so viele Anhänger der „Bialo-Czerwoni“, der Weiß-Roten, wie die polnische Fußballnationalmannschaft genannt wird, sind es zwar beim Public-Viewing vor und in der Landskron-Brauerei nicht. Doch die Stimmung, die die rund 100 der insgesamt knapp 1 000 Zuschauer verbreiten, steht der ihrer Landsleute in Frankreich fast in nichts nach.
Public Viewing in Görlitz und Zgorzelec
Voller Inbrunst singen die polnischen Fans ihre Hymne, im Stadion und beim Public-Viewing. Das macht Eindruck bei den zahlreichen deutschen Fans in der Brauerei. So sehr, dass sie die Leidenschaft der Polen mit Beifall honorieren. Aber auch der imposante Gesang der deutschen Fußballfans erntet Applaus der polnischen Seite. Einige Fans haben sich sogar die Fahnen beider Länder umgehangen. Es ist ein respektvoller Umgang am Donnerstagabend, man achtet sich, obwohl beide Fanlager natürlich nur ihrem Team die Daumen drücken. Als Mesut Özil von Schiedsrichter Björn Kuipers eine fragwürdige Gelbe Karte erhält, hallen laute Buh-Rufe und Pfiffe durch die Brauerei. Als dagegen Polens Kamil Grosicki in der zweiten Hälfte verwarnt wird, gibt es zustimmenden Beifall.
Ähnlich wie die DFB-Elf auf dem Platz tun sich mit zunehmender Spieldauer auch die zahlenmäßig klar überlegenen deutschen Fans in der Brauerei, die mit allerlei Fahnen, Schals und Trikots bestens ausgestattet sind, schwer, für Stimmung zu sorgen. Zwar hört man ab und an Gesänge wie „Auf geht’s Deutschland schieß ein Tor!“, doch die von der Leistung der polnischen Elf um Superstar Robert Lewandowski, die die deutsche Abwehr ein ums andere Mal in Bedrängnis bringt und in der Defensive kaum etwas zulässt, euphorisierten Anhänger der Weiß-Roten bringen ihre Schlachtrufe insgesamt häufiger an.
Als der polnische Stürmer Arkadiusz Milik gleich zweimal freistehend vor dem deutschen Tor vergibt, geht ein Raunen der Erleichterung durchs deutsche Fanlager in der Görlitzer Brauerei. Nur ein paar Sekunden später, beim schnellen Konter, erreicht der Lautstärkepegel seinen Höhepunkt am Abend, als Mesut Özil schließlich die beste deutsche Chance im Spiel hat, aber an Polens Torhüter Fabianski scheitert.
„Die Stimmung war trotz des schlechten Wetters super“, freut sich Lars Semrok, Veranstaltungsleiter der Landskron-Brauerei. „Besonders schön ist, dass alles friedlich geblieben ist und, dass die Fans vernünftig miteinander umgegangen sind.“ Nachdem der Regen, der schon vor Spielbeginn eingesetzt hatte, zur zweiten Halbzeit nachließ, wechselten viele Zuschauer, die vorher ins Trockene geflüchtet waren, wieder vor die größere Leinwand nach draußen.
Weiß und rot leuchtete zur gleichen Zeit die PGE Turow Arena in Zgorzelec – sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne. Die Fassade der Basketball-Halle war in den Farben der polnischen Flagge illuminiert. Drinnen saßen Fußballfans in weiß-roten T-Shirts, mit ebensolchen Schals und bemalten Gesichtern und feuerten ihre Mannschaft gegen Deutschland an. „Polen, zieht in den Kampf, wir wollen ein Tor!“, riefen sie immer wieder und hofften bis zur letzten Minute auf einen Treffer ihrer Mannschaft.
Rund 300 Fans verfolgten im Vorraum im Erdgeschoss das Spiel auf drei Leinwänden, große Emotionen inklusive. „Wenn das Interesse größer gewesen wäre, hätten wir die Fanzone in die große Halle verlegt“, sagte Piotr Gruszczynski. Dennoch ist der Direktor des Zgorzelecer Sport- und Freizeitzentrums, welches die Arena betreibt, zufrieden. „Wir haben einen Ort geschaffen, an dem wir gemeinsam unserer Mannschaft die Daumen drücken können. Und wir mussten sogar Stühle dazu stellen.“