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Frustrierte Patienten

Der neue Dienstplan der Apotheken sieht manchmal in Zittau keinen Notdienst vor. Auch Ärzte kritisieren das.

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© Rafael Sampedro

Von Holger Gutte

Zittau. Steffi Göder ärgert sich. Nicht weil ihr dreijähriges Kind ausgerechnet am Wochenende krank wird und sie deswegen am Sonntag in die Apotheke muss. Die 33-jährige Zittauerin ärgert sich, weil sie, um Medikamente zu holen, bis nach Olbersdorf fahren musste. Sie hat im Moment kein Auto, und ist in so einem Fall auf die Hilfe anderer angewiesen. Sie kann überhaupt nicht verstehen, warum das plötzlich so ist.

„Schuld daran ist ein geänderter Dienstplan der Apotheken im Altkreis Zittau“, sagt Apotheker Henrik Wintzen. Er führt die Apotheken in Olbersdorf, Seifhennersdorf und in Niederoderwitz. Seine Frau Yvonne hat an jenem Sonntag, als Steffi Göders Kind krank war, gerade Bereitschaftsdienst in Olbersdorf. Bis 11 Uhr sind an diesem Tag etwa 20 Patienten zu ihr gekommen. Auch Oliver Richter findet das neue Bereitschaftssystem nicht gut. Der 35-Jährige kommt kurz nach Steffi Göder in die Olbersdorfer Hubertus-Apotheke. Er braucht Medikamente für seine siebenjährige Tochter. „Die Patienten lassen ihren Ärger bei uns ab“, erzählt Henrik Wintzen, der nur wegen des SZ-Termins zur Apotheke seiner Frau gekommen ist. Sonst wäre sie an diesem Sonntag wie üblich allein. Peggy Krüger aus Zittau profitiert davon. Die 41-jährige Zittauerin hat starke Schmerzen und braucht wegen ihrer Angina Antibiotikum. Sie kann nicht mit dem Auto fahren und müsste bis Montag warten. Henrik Wintzen bringt ihr die Medizin nach Hause. Aber das ist eine Ausnahme.

Durch den seit Januar geltenden neuen Notdienstplan der Apotheker im Altkreis Zittau kommt es vor, dass manchmal nachts oder am Wochenende keine Zittauer Apotheke Bereitschaft hat, berichtet Henrik Wintzen. Er ist der Sprecher für die 14 Apotheken in diesem Gebiet. Sieben davon befinden sich in der Stadt Zittau und sieben auf dem Land. Auch Henrik Wintzen ärgert sich über die neue Praxis. „Aber es gab eine demokratische Abstimmung, und mit einer Stimme Mehrheit ist so entschieden worden“, sagt er. Dagegen könne man nichts machen. Rechtlich ist nichts einzuwenden und von der Landesapothekerkammer genehmigt.

Den Frust verärgerter Patienten hat sich beispielsweise schon Karin Stumpe von der Aesculap-Apotheke in Leutersdorf anhören müssen. Sie beklagt zudem, dass nun die Dienstpläne zwischen den Altkreisen Löbau und Zittau dadurch nicht mehr abgestimmt sind. Für Oppacher und Neusalza-Spremberger verlängern sich an manchen Wochenenden die Wege zur nächsten Apotheke erheblich, wenn sie bis nach Herrnhut oder Bernstadt müssen. „Es ist eine böse Lücke entstanden“, sagt sie.

„Ich finde die Regelung nicht gut, wenn an manchem Wochenende die Patienten nach der Behandlung in der Notaufnahme in Zittau bis nach Olbersdorf, Hirschfelde oder Seifhennersdorf zur Apotheke müssen“, berichtet der Leiter der Notaufnahme am Zittauer Klinikum, Oberarzt Wolfgang Müller. Aus seiner Erfahrung weiß er, dass es eine Verschlechterung für die Patienten ist. „Für die Schwestern bei uns in der Anmeldung ist es oft nicht einfach, mit den Patienten zu reden. Sie sind verärgert und lassen ihren Frust darüber ab. Obwohl die Mitarbeiter in der Notaufnahme nichts dafür können“, sagt er. Nach der Behandlung würden die Patienten schon Medikamente oder Schmerzmittel bekommen. „Aber hier stoßen wir an Grenzen“, meint er.

Für Silvia Woski von der Johannis-Apotheke in Zittau ist die neue Regelung eine Gratwanderung. Es gibt auch Gegenargumente, meint sie. So sei es für viele Patienten nicht mehr so einfach, bis ins Stadtzentrum zu kommen. Sie hat sich dafür entschieden, wäre aber bereit, zur alten Variante zurückzukehren. Constance Marschner von der Marien-Apotheke verteidigt den neuen Dienstplan. „Die Bevölkerung ist weiter ausreichend versorgt und der Dienstplan von der Apothekerkammer genehmigt“, sagt sie. Es wären sogar mehr Wochenenden möglich gewesen, an denen keine Zittauer Apotheke Dienst hat, aber das wollten die Stadtapotheken auch nicht, berichtet sie. 25 Kilometer sei zumutbar. Und wenn jemand wirklich ganz dringend etwas braucht, würde er es vom Notarzt auch bekommen. Bei ihr hat sich auch noch niemand beschwert. Zudem weiß sie von einem Apotheker in Sachsen-Anhalt, dass dort 50 Kilometer als zumutbar gelten.

Der Sprecher der niedergelassenen Ärzte in der Region, Dr. Gottfried Hanzl aus Oderwitz, lehnt den Dienstplan dagegen von vornherein ab. An seinem Sonntagsdienst kam ein Patient vom Pater-Kolbe-Hof in Schlegel mit starkem Fieber. Der musste nach Olbersdorf zur Apotheke sich seine Medizin holen, erzählt er. „25 Kilometer sind schon eine Frechheit, wenn man weiß, mit welcher Art von Patienten wir es hier zu tun haben“, sagt er. Meist brauchen doch ältere Leute den Notdienst.