Merken

G36 gibt noch viele Rätsel auf

Die Soldaten der Bundeswehr kommen mit dem Sturmgewehr gut zurecht. Auch aus dem Ausland sind keine Beschwerden bekannt. Trotzdem hat die Verteidigungsministerin die Waffe für unbrauchbar erklärt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:

Teilen
Folgen
NEU!
© dpa

Von Michael Fischer

Berlin. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat nach jahrelanger Debatte über das G36 die Reißleine gezogen: Das Sturmgewehr wird ausgemustert. Die Affäre um die Präzisionsprobleme bei einer der wichtigsten Waffen der Bundeswehr ist damit aber noch lange nicht beendet. Das sind die offenen Fragen:

Für die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist klar, „dass das G36, so wie es heute konstruiert ist, keine Zukunft in der Bundeswehr hat“.
Für die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist klar, „dass das G36, so wie es heute konstruiert ist, keine Zukunft in der Bundeswehr hat“. © Reuters
Schnittbild und technische Daten der Ordonnanzwaffe der Bundeswehr.
Schnittbild und technische Daten der Ordonnanzwaffe der Bundeswehr. © dpa

Ist die Entscheidungs-grundlage von der Leyens wirklich so eindeutig, wie sie sagt?

Die CDU-Politikerin beruft sich auf ein Expertengutachten, das unter Beteiligung des Ernst-Mach-Instituts der Fraunhofer Gesellschaft, zweier Bundeswehr-Behörden und des Bundesrechnungshofs entstanden ist. Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse ziemlich deutlich. Unter Extrembedingungen sinkt die Trefferquote auf 7 Prozent. Die Bundeswehr erwartet 90 Prozent. Allerdings wird angezweifelt, ob die Untersuchung unter Laborbedingungen tatsächlich auf den Einsatz übertragbar ist.

Warum gibt es keine Beschwerden der Soldaten?

Das ist das größte Rätsel. Weder beim Wehrbeauftragten noch beim Bundeswehrverband noch beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr sind Beschwerden über das G36 eingegangen - und das, obwohl sehr viele der 180 000 Soldaten schon einmal damit geschossen haben. Immerhin wird es schon seit fast 20 Jahren genutzt. Soldaten, die in Afghanistan damit gekämpft haben, reagieren irritiert auf die politische Debatte.

Warum hat sich aus dem Ausland noch niemand beschwert?

Das G36 wird nach Angaben des Verteidigungsministeriums von Streitkräften und Polizeieinheiten in 36 weiteren Ländern genutzt. Auch von dort sind keine Einwände bekannt. Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer, die das G36 in den Gefechten mit der Terrormiliz Islamischer Staat nutzen, finden es nach den Worten des zuständigen Ministers sogar „super“ und hätten gerne mehr. Die Bundeswehr hatte den Peschmerga im vergangenen Herbst 8 000 G36 für ihren Kampf gegen den IS geschenkt.

Wer trägt die Verantwortung für mögliche Verzögerungen oder Vertuschungen?

Die ersten Hinweise auf die Präzisionsprobleme gab es bei der Bundeswehr 2010. Die gezielten Untersuchungen zur Treffsicherheit begannen im November 2011. Die Ministeriumsspitze wusste spätestens im März 2012 von den Problemen. Damit sind die Amtszeiten von drei Ministern betroffen: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war bis März 2011 Verteidigungsminister, wurde dann von Thomas de Maizière (CDU) abgelöst, auf den im Dezember 2013 von der Leyen folgte.

Und auf den Ebenen darunter?

Von der Leyen hat eine Kommission eingesetzt, um Schwachstellen in der Organisationsstruktur zu prüfen. Über Jahre gab es unterschiedliche Untersuchungsergebnisse, widersprüchliche Bewertungen und kaum Konsequenzen.

Wo findet von der Leyen jetzt guten Ersatz für das G36?

Das ist unklar. In den Vergleichstests hat nur ein einziges Gewehr im grünen Bereich abgeschnitten. Es soll sich um das HK416Bw von Heckler & Koch handeln. Es stammt ausgerechnet von dem Hersteller, der auch das G36 baut. Es kommen aber noch eine ganze Reihe Sturmgewehre in Frage, die in der Untersuchung nicht getestet wurden.

Wie lange wird es dauern, bis die G36-Gewehre ausgetauscht sind?

Das Bundesamt für Ausrüstung geht von bis zu zehn Jahren aus. Im Ministerium hofft man, dass das schneller geht. (dpa)