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Geheimrezept Lebendigkeit

Der Verein Wurgwitzer Scheune öffnet zum „Zehnjährigen“ Tür und Tor. Ein Besuch bei Enthusiasten.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Dorit Oehme

Freital. Matthias „Matze“ Gilbricht sitzt im Handwerkerlook vor der Bühne der neuen Kulturscheune. Daumen und kleinen Finger gestreckt am Ohr, ahmt er ein Telefonat mit dem Komödianten und Kabarettisten Olaf Böhme nach. „Sie würden bei uns auftreten, obwohl die Scheune naturbelassen ist?“, fragt der 47-Jährige perplex. Die Szene stammt aus der Anfangszeit des Vereins Wurgwitzer Scheune, der im Mai sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Gilbricht ist seitdem Veranstaltungschef. Bis Herbst 2013 nutzten die zwölf Vereinsmitglieder noch jene Rittergutsscheune an der Zöllmener Straße. „Zur 800-Jahr-Feier von Wurgwitz hatten wir sie im Sommer 2006 entmüllt, den Fußboden befestigt und Anschlüsse für Technik gelegt. Zuerst luden wir zum irischen Abend mit einer Dresdner Band ein“, blickt Initiator Tilo Barthel zurück.

„Nach dem Aufwand sollten weitere Veranstaltungen folgen. Ich fand, dass uns Lachen nach der Arbeit guttäte. So kamen wir aufs Kabarett“, schiebt der 45-Jährige nach. Der Zimmermann und heutige Bauunternehmer hat im alten Kern von Wurgwitz seit 1993 die einstige Weinstube und das Beigut zum Rittergut privat wiederaufgebaut.

Mit den anderen Machern seines Vereins, Freunden und Förderern hat Barthel auch die Scheune Am Weinberg rekonstruiert und als Kulturscheune ausgestattet. Ratgeber war auch Olaf Böhme. Im Jahr 2013 haben die Arbeiten begonnen. Viel ist geschafft, gebaut wird weiter. Anfangs wurde Seite für Seite abgestützt und mit Winden und Wagenhebern in die Ursprungshöhe hinaufgedrückt. Balken wurden getauscht, das Fachwerk mit Lehmmörtel ausgefacht, das Dach mit Biberschwanz gedeckt. Auch Gauben sind wieder drin. Die Scheune ist ein Schmuckstück an einem idyllischen Fleck. Mit dem Grün ringsum, dem Ausblick nach Niederhermsdorf und zum Windberg. Hinterm Gebäude führt der Sächsische Jakobsweg entlang. Eine Kastanie blüht.

Ein Eckstein der Scheune erinnert an ihr Baujahr 1840. Sie war Teil des Ritterguts, das damals dem Kohlegrubenbesitzer Christian Gottlieb Brendel gehörte. Das Scheunentor wurde dem alten nachempfunden. „Wir wollen alles möglichst ursprünglich wirken lassen, damit es lebendig wirkt. Dazu nutzen wir auch Material aus Abrissgebäuden und althergebrachte Handwerkstechniken“, betont Barthel. Im Zuschauerraum wurden tragende Balken entfernt, um freie Sicht zu schaffen. Damit die Statik stimmt, wurde eine Holzkonstruktion eingesetzt. Ein Heuaufzug führt vom Zuschauerraum ins Obergeschoss. Er hat keine Funktion mehr, unterstreicht aber den Scheunencharakter.

Im Obergeschoss läuft das Bautagebuch in einem umgebauten Röhrenfernseher. Über die Glasfront am Ostgiebel fällt Licht auf Bänke, Stühle und Tische. Nach der Bauversorgung verwöhnen die Vereinsfrauen nun die Besucher am Holztresen. „Die Preise halten wir niedrig“, betont Gilbricht. Seine Frau Annett ist Vereinsvorsitzende und Finanzchefin.

Drei- bis viermal jährlich treten Künstler auf der Bühne auf. Das Zwinger-Trio, Rainer König, Peter Kube, die Herkuleskeule oder Bierhahn Holger Blum waren nach Olaf Böhmes Premiere in den zehn Jahren schon da. Die Karten gehen weg wie warme Semmeln, sobald das Programm online ist. Zum Weihnachtsmarkt am ersten Advent ist die Scheune offen für alle. Dieses Jahr gibt es schon zum Jubiläum die Chance, die Enthusiasten bei handgemachter Musik und Gaumenfreuden in ihrem Domizil zu treffen.

Der Heimatverein Wurgwitz stellt interessante Fotos zum Ort in Vergangenheit und Gegenwart aus. „Die Scheune atmet Historie“, betont Vereinschef Peter Kretzschmar. Auch die Malerin und Grafikerin Gerda Lepke zeigt einige Arbeiten auf Bitten des Scheunen-Vereins. „Es ist eine Hommage an die Leistung dieser Männer und Frauen. Ich habe großen Respekt vor ihnen. Die Scheune ist ein besonderes Gebäude geworden. Dabei wurde alles auf freiwilliger Basis erbracht.“ Die namhafte Künstlerin wohnt und arbeitet seit fast sechs Jahren in Wurgwitz, malt aber auch in ihrem Atelier in Gera. Zwei Arbeiten von Gerda Lepke sind dauerhaft links und rechts der Bühne zu sehen.

Tag der offenen Tür: Kulturscheune Wurgwitz, Am Weinberg, 26.5. von 14 bis 20 Uhr, und 27.5. ab 10.30 Uhr bis 15 Uhr, Eintritt frei.