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Europäischer Gerichtshof: Schufa muss für mehr Transparenz sorgen

Etwa 320.000-mal pro Tag erteilt die Schufa Auskunft darüber, wie kreditwürdig sie potenzielle Kunden einschätzt. Das höchste europäische Gericht hat jetzt klargestellt, welchen Einfluss diese Bewertung haben darf.

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Die Schufa ist das wohl bekannteste Unternehmen für Bonitätsauskünfte.
Die Schufa ist das wohl bekannteste Unternehmen für Bonitätsauskünfte. © Franziska Gabbert/dpa

Anhand gewaltiger Datenmengen berechnet die Auskunftei Schufa, für wie kreditwürdig sie einzelne Verbraucher hält. Banken, Onlinehändler, Mobilfunkanbieter, Autohäuser, Energielieferanten – sie alle wollen wissen, wie es um die Zahlungsmoral ihrer Kundschaft bestellt ist, bevor Verträge geschlossen und Waren übergeben werden. Sind die Bonitätsbewertungen aus Wiesbaden dafür maßgeblich oder nur ein Baustein?

Diese Frage verhandelte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg. Er urteilte, dass Unternehmen nicht ausschließlich auf Grundlage einer automatisierten Bewertung der Kreditwürdigkeit durch die Schufa entscheiden dürfen, ob sie Verträge mit Kunden abschließen. Das habe zur Folge, dass Verbraucher nun mehr Transparenz von der Schufa verlangen könnten und das Recht hätten, zu erfahren, wie der Wert ihres Schufa-Scores zustande komme, teilt die Verbraucherzentrale NRW mit.

Was ist die Schufa und wer nutzt ihre Dienste?

Zum Geschäftsmodell der 1927 gegründeten „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ gehört es, Daten zu sammeln. Auf deren Basis liefert die Schufa ihren etwa 10.000 Vertragspartnern – unter anderem Banken und Sparkassen, Versandhändler und Energieversorger – bei berechtigtem Interesse eine Einschätzung zur Bonität (Kreditwürdigkeit) von Verbrauchern. Nach eigenen Angaben verfügt die Schufa über Informationen zu 68 Millionen Menschen in Deutschland. Zu mehr als 90 Prozent seien „ausschließlich positive Informationen gespeichert“.

Pro Tag erteilt die Auskunftei im Schnitt 320.000 Auskünfte an Unternehmen. Außer der Schufa gibt es weitere Wirtschaftsauskunfteien, zum Beispiel Creditreform und Crif.

Welche Daten sammelt die Schufa und was macht sie damit?

Die Schufa erhält von ihren Vertragspartnern Informationen etwa über die Eröffnung von Girokonten, die Ausgabe von Kreditkarten, den Abschluss von Leasingverträgen und Krediten. Die Schufa speichert zudem persönliche Daten wie Name, Geburtsdatum und Anschrift, hat aber keine Informationen über beispielsweise das Einkommen einer Person.

Anhand der Daten errechnet sich der Basis-Score, der quartalsweise aktualisiert wird. Dieser beschreibt auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent eine Wahrscheinlichkeit, mit der ein Verbraucher finanziellen Verpflichtungen nachkommen wird. Je höher der Score, umso höher die Kreditwürdigkeit. Wer Rechnungen regelmäßig unpünktlich bezahlt und oft Mahnungen bekommt, wird schlechter eingeschätzt.

Wie wird der Score genau berechnet?

Das legt die Schufa nicht detailliert offen. Ihr Argument: „Läge das Berechnungsmodell völlig offen, könnte der Score manipuliert werden und hätte so keinen Wert mehr.“ Die Formel sei aber „der zuständigen Datenschutzbehörde bekannt und wird von ihr und unabhängigen Wissenschaftlern kontrolliert“. Unternehmen und Einzelpersonen wie Vermieter können Auskünfte bei der Schufa einholen.

Worum ging es in dem Verfahren vor dem EuGH?

Im Kern ging es um die Frage, ob Scoring in bestimmten Fällen einer automatisierten Entscheidung, die die betroffene Person beeinträchtigt, gleichzusetzen ist – gemäß Artikel 22 der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Und darum, wie maßgeblich ein Schufa-Score für die Entscheidung eines Unternehmens ist, einen Kredit beziehungsweise Vertrag zu gewähren oder nicht. Hintergrund der Verfahren vor dem EuGH waren mehrere Fälle aus Deutschland. In einem davon hat eine Klägerin, der ein Kredit verwehrt wurde, die Schufa aufgefordert, einen Eintrag zu löschen und ihr Zugang zu den Daten zu gewähren. Die Schufa teilte der Frau ihren Score-Wert und allgemeine Informationen zur Berechnung mit, nicht aber die genaue Berechnungsmethode.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden legte den Fall dem EuGH vor, um grundsätzlich das Verhältnis zur DSGVO klären zu lassen. Die Verordnung schreibt vor, dass Entscheidungen, die für Betroffene rechtliche Wirkung entfalten, nicht nur durch die automatisierte Verarbeitung von Daten getroffen werden dürfen.

Was hat der EuGH entschieden?

Der Gerichtshof entschied, dass „Scoring“ als eine von der DSGVO grundsätzlich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen sei, sofern die Kunden der Schufa, wie beispielsweise Banken, diesem eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimäßen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist dies der Fall. Es obliege diesem Gericht, zu beurteilen, ob das Bundesdatenschutzgesetz im Einklang mit der DSGVO eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält, teilte der EuGH mit.

Welche Reaktionen gibt es auf das Urteil?

Die Schufa begrüßte es: Es sorge für Klarheit, wie die Scores in den Entscheidungsprozessen von Unternehmen im Sinne der DSGVO verwendet werden dürfen. Zahlungsprognosen in Form des Schufa-Scores seien für den überwiegenden Teil ihrer Kunden „zwar wichtig, aber in aller Regel nicht allein entscheidend für einen Vertragsabschluss“, teilte die Schufa nach dem Urteil mit. Daher werde die Mehrheit der Kunden „Schufa-Scores weiterhin ohne Anpassung ihrer Prozesse nutzen können.“

Die Verbraucherzentrale NRW betont, dass der EuGH mit dem Urteil für mehr Transparenz beim Bonitätsscoring sorgt. Verbraucher müssten nun verständliche Informationen erhalten, wie ihre Scorewerte zustande kommen. „Jetzt kommt es darauf an, dass das Schutzniveau der Datenschutzgrundverordnung bei solchen automatisierten Entscheidungen nicht durch nationale Gesetze wieder abgesenkt wird“, fordert Wolfgang Schuldzinski von der Verbraucherzentrale. (dpa mit rnw)